Merken

Frisches Brot für Kretschmer

Ein Verein saniert den leer stehenden Flügel vom Niederhof in Görlitz. Sachsens Ministerpräsident überbrachte am Mittwoch Geld dafür.

Teilen
Folgen
© nikolaischmidt.de

Von Susanne Sodan

Es gibt Dinkelweizenbrot. Zur Feier des Tages haben die Mitglieder vom Verein „Jung und Alt Görlitz“ ihren Lehmofen auf dem Niederhof angeheizt und das Brot frisch gebacken. Für ihren Besuch: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer ist am Mittwoch zu Gast gewesen in Görlitz. Eine seiner Stationen war der Niederhof in Biesnitz, ein Dreiseitenhof. Eine Seite steht noch leer. Der Verein „Miteinander Füreinander Jung und Alt Görlitz“ will das Gebäude restaurieren und Wohnungen sowie Räumlichkeiten für öffentliche Veranstaltungen einrichten. Dafür braucht es Geld. Michael Kretschmer hatte welches dabei. Nicht in bar, dafür aber übergab er dem Verein einen Förderbescheid über 70 000 Euro aus der Landesdenkmalförderung.

Ursprünglich war der Niederhof in Biesnitz ein Vierseitenhof, erzählt Jana Michel, Vorstand im Verein. Um 1710 entstand das Ensemble, das heute denkmalgeschützt ist. Die vierte Seite, das Wiegehaus, gibt es schon nicht mehr. 2007 kaufte der Verein die restlichen drei Seiten. Die eine, linker Hand, ist eine Lagerscheune. Das Mittelgebäude ist zweigeteilt. Auf der einen Seite ist der Waldorf-Kindergarten, auf der anderen Seite sind bereits vier Wohnungen eingerichtet. Hier leben drei Familien und ein älteres Ehepaar. Das ist das Ziel des Mehrgenerationen-Vereins: Auf dem Niederhof sollen Jung und Alt zusammenkommen. So ist es nun auch für den dritten Flügel gedacht.

Zum einen sollen hier mit der „Kochstube“ Gemeinschaftsräume entstehen, in denen auch öffentliche, gemeinnützige Veranstaltungen stattfinden können. „Drumherum sollen sechs barrierearme Wohnungen entstehen“, erklärt Jana Michel. Die Baugenehmigung ist schon da. Rund 30 Mitglieder hat der Verein, sie haben sich vor Jahren für das Mehrgenerationen-Projekt zusammengeschlossen. Für vieles bei der Rekonstruktion braucht man Profis. Was möglich ist, wollen die Vereinsmitglieder aber selber machen, „vor allem, wenn es dann an den Ausbau der Wohnungen geht“, erzählt Jana Michel. Die künftigen Bewohner des dritten Flügels sind auch Mitglieder im Verein.

Die typischen Holzbalken, der Laubengang am Obergeschoss – der dritte Flügel ist ein Umgebindehaus. Zumindest zu einem großen Teil. Während sich einst in dem Umgebindehaus wohl der Wohnbereich befand, schloss sich weiter links ein Stall an. Innen sieht man es besser: Aus den hölzernen Fachwerkbalken werden im linken Gebäudeteil Eisenträger. Aus den niedrigen Fachwerkdecken mit Lehm werden Gewölbedecken. Insgesamt sollen, wo es machbar ist, die Strukturen und Materialien bleiben, sagt Jana Michel. Der Laubengang gehört auf jeden Fall dazu. Für ihn, das äußere Fachwerk und den Dachstuhl sollen die 70 000 Euro genutzt werden. „Das Wichtigste ist erst mal, die Hülle wieder herzurichten“, sagt Jana Michel.

Kleine Schildchen verraten weitere Besonderheiten: Eines klebt an einer Wand, an der eine rostrote Farbschicht hervorlugt. Womöglich der Originalanstrich in diesem Raum. Ein weiteres Schild klebt an der Tür eines uralten Ofens. Ein Restaurator hat die Schildchen verteilt. Er hat das Gebäude untersucht, hat geschaut, was unter den Schichten aus Jahrhunderten liegt. Dafür kann sich auch Michael Kretschmer durchaus begeistern. „Mein Herz schlägt für Denkmalschutz“, sagte er gestern. Das muss wohl so sein, wenn man aus Görlitz kommt, vermutet er. Außerdem: Kretschmer hat auch selber ein Umgebindehaus in Waltersdorf im Zittauer Gebirge. „Man merkt sofort die Ruhe in den Umgebindehäusern“, sagte er beim Rundgang.

Damit der dritte Flügel vom Niederhof restauriert und ausgebaut werden kann, brauchen „Jung und Alt Görlitz“ insgesamt rund 1,3 Millionen Euro, schätzt der Verein. Besonders schwierig daran: Der Niederhof liegt in keinem Denkmalschutz-Fördergebiet, damit ist auch eine Gesamtförderung kaum möglich. Der Verein hat mehrere Teil-Förderanträge gestellt. Beim ersten, bei den Landesdenkmalfördermitteln des Freistaates hat es geklappt.