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Frisch von der Kuh

Milchzapfstellen wie in Helbigsdorf und Reinhardtsdorf sind beliebt. Verbraucher sollten allerdings etwas beachten.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Carina Brestrich und Stephan Klingbeil

Helbigsdorf. Wegen ihres naturbelassenen, ursprünglichen Geschmacks hat Rohmilch viele Fans. Das merkt auch Regina Flade von der Flade GbR Landwirtschaft. Zusammen mit ihrem Mann Siegmar und Sohn Karsten bewirtschaftet sie den Bauernhof Flade im Wilsdruffer Ortsteil Helbigsdorf. 110 Kühe produzieren dort jährlich rund 9 000 Liter. Der Hof hat im April eine Selbstzapfstelle für Rohmilch aufgestellt. Sie ist täglich von 5 bis 22 Uhr geöffnet. Während der Säuberung von 8.30 Uhr bis 9.15 Uhr ist der Automat aber außer Betrieb. Die Milchtankstelle ist schnell beliebt geworden. „Wir hatten uns das als Zubrot eingerichtet, und wir sind mit den ersten Monaten zufrieden“, so Regina Flade. Auch der Rohmilchkäse komme gut an. Doch was macht Rohmilch so besonders und was sollten Verbraucher beachten? Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen dazu.

Was man über Rohmilch wissen sollte

Was unterscheidet Rohmilch von Milch aus dem Tetrapack?

Rohmilch ist, wie der Name schon andeutet, unbehandelte Milch – eben so, wie sie von der Kuh kommt. Nach dem Melken wird sie nur mechanisch gefiltert und auf vier Grad runtergekühlt. Anders als die Milch aus der Kaufhalle im Tetrapack ist Rohmilch nicht pasteurisiert. Das heißt, sie wird nicht wärmebehandelt und ist damit auch nicht lange haltbar. Rohmilch ist zudem nicht homogenisiert. Mit dem Verfahren werden Fetttröpfchen in der Milch verkleinert, damit sie leichter verdaulich ist.

Kann man Rohmilch bedenkenlos trinken?

Das Gesundheitsamt und das Amt für Verbraucherschutz empfehlen, Rohmilch vor dem Verzehr abzukochen, um eventuell vorhandene Keime abzutöten. „Rohmilch ist durch ihren hohen Eiweißanteil ein sehr guter Nährboden für die Vermehrung von Bakterien aller Art“, heißt es. Dadurch können Krankheitserreger in die Milch gelangen, die etwa Durchfall auslösen. Gefährdet sind vor allem Kleinkinder, Senioren, Schwangere und Menschen mit einem geschwächten Immunsystem. „Sie sollten sicherheitshalber auf den Verzehr von Rohmilch verzichten“, erklärt die Behörde.

Grundsätzlich dient das Abkochen der Sicherheit. Das heißt aber nicht, dass Rohmilch immer mit Keimen belastet ist. Die Agrargenossenschaft Oberes Elbtal in Reinhardtsdorf lässt etwa die Milch freiwillig jeden Monat auf die kritischen Erreger Salmonellen, Listerien und E.coli testen. „Bislang hat es keine Beanstandungen gegeben“, erklärt auch Henryk Schultz von der Agrargenossenschaft. Sein Hof, der im Mai die erste Rohmilch-Selbstzapfstelle in der Sächsischen Schweiz eröffnete, legt wie die Helbigsdorfer viel Wert auf gutes Hygienemanagement. Die Ställe werden zweimal täglich, immer wenn die Kühe zum Melken sind, gereinigt. Beim Melken werden Euter, Geräte und Hände ständig desinfiziert.

Sind Leute schon mal nach dem Trinken von Rohmilch erkrankt?

Dem Landratsamt sind einige wenige Fälle bekannt, in denen Menschen nach dem Trinken von Rohmilch über Beschwerden geklagt haben. So habe es in einer Kindertageseinrichtung im Landkreis Erkrankungen gegeben. Außerdem seien nach einem Fest im Juni Erkrankungen im Zusammenhang mit Campylobacter-Bakterien, die Durchfall auslösen, bekannt geworden. Damals sei Rohmilch ausgeschenkt worden. Genauere Angaben kann die Landkreisbehörde aus Datenschutzgründen allerdings nicht machen. Ob die Milch abgekocht war oder ob es sich etwa um Unverträglichkeiten gehandelt hat, ist nicht bekannt.

Welche Vorschriften gibt es zum Verkauf von Rohmilch?

Zwar hatte Henryk Schultz in Reinhardtsdorf schon Anfragen, woanders Milchzapfstellen aufzustellen – verkaufen darf er die Milch jedoch nur auf seinem Hof, direkt am Stall. Das schreibt das Gesetz so vor. Demnach muss der Erzeuger nicht nur die hygienischen Anforderungen vom Amt einhalten, sondern am Milchzapf-Automaten gut sichtbar den Hinweis anbringen, dass die Milch vorm Verzehr abzukochen ist. Die Milch im Automaten darf maximal vom Vortag stammen. Kontrolliert wird dies alles vom Amt für Verbraucherschutz.

Wie erkennt man, dass Rohmilch nicht mehr gut ist?

Regina Flade empfiehlt, die Rohmilch im Kühlschrank aufzubewahren und innerhalb von etwa drei Tagen aufzubrauchen. Dass sie nicht mehr gut ist, ist, wie bei anderer Milch auch, an den typischen Merkmalen erkennbar. Sie wird dann einfach sauer.

Kann Rohmilch den Bauern in der Milchkrise helfen?

Auch wenn die Rohmilch vom Bauernhof mit etwa einem Euro pro Liter teurer ist als die Milch aus dem Supermarkt – die Verluste aus der Milchkrise kann der Rohmilch-Verkauf nicht abfedern. In Reinhardtsdorf macht die Milch aus der Zapfanlage gerade einmal 0,7 Prozent der gesamten am Tag produzierten Milch aus. So genau lasse sich der Anteil beim Hof der Familie Flade in Helbigsdorf nicht beziffern: „Mal wird viel Milch abgezapft, mal weniger“, sagt Regina Flade. Die meisten kämen aber mit Ein-Liter-Flaschen vorbei. „Wir liegen hier am Radweg, das kommt uns zugute“, ergänzt sie. Die Portion, also gut ein Liter, kostet 80 Cent. Eigene Behälter können mitgebracht werden. Leere Milchflaschen gibt es für einen Euro vor Ort zu kaufen. Dennoch sei die Zapfstelle „nur“ ein zweites Standbein. Es schaffe aber außerdem mehr Nähe zum Verbraucher. „Wer bei uns kauft, kann auch mal einen Blick in den Kuhstall werfen“, so Landwirt Siegmar Flade. „Und man kann ordentlich Landluft schnuppern.“

Rohmilch-Zapfanlagen gibt es im Landkreis außerdem noch bei Marc Bernhardt in Freital-Somsdorf.

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