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Frisch poliert in den Mai

Ausgediente Staatskarossen erregten Aufsehen im Elbland. Doch das Walpurgisfeuer an der Radebeuler Panzerstraße sprengte alle Erwartungen.

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© Norbert Millauer

Von Ulrike Keller

Radebeul, Coswig, Moritzburg. Dieses Prestige-Mobil wird überall wiedererkannt. „Das is er“, heißt es am laufenden Band vor Honeckers gestretchtem Anthrazit-Metallic-Citroën. Diese Limousine bestellte der DDR-Staatsmann als letzte Sonderanfertigung vor der Wende. Heute gehört sie Gerrit Crummenerl – und zu den Hinguckern, als am Sonntag 40 frühere Regierungsfahrzeuge aus Ost und West in Moritzburg stoppen. Die Wiese an Adams Gasthof ist einer der Haltepunkte auf ihrer Ausfahrt durchs Elbland.

Kraftaufwendiger Brauch: In Kötzschenbroda wurde zum 25. Mal der Maibaum aufgestellt. Der CDU-Stadtverband holte sich Verstärkung von den Radebeuler Footballern.
Kraftaufwendiger Brauch: In Kötzschenbroda wurde zum 25. Mal der Maibaum aufgestellt. Der CDU-Stadtverband holte sich Verstärkung von den Radebeuler Footballern. © Norbert Millauer
Flammendes Unterfangen: Trotz starkem Wind wurde mit dem traditionellen Walpurgisfeuer an der Radebeuler Panzerstraße der Winter vertrieben.
Flammendes Unterfangen: Trotz starkem Wind wurde mit dem traditionellen Walpurgisfeuer an der Radebeuler Panzerstraße der Winter vertrieben. © Norbert Millauer

Besucher nutzen mit Kind und Kegel, ja sogar Vierbeiner, die seltene Gelegenheit, so viele ausgediente Staatskarossen auf einmal zu inspizieren. Die Chance bietet sich durch ein Treffen von Enthusiasten, die ehemalige Fahrzeuge aus Regierungskreisen ihr Eigen nennen und damit in Dresden zusammenkommen. Selbst Teilnehmer aus Österreich und Polen sind angereist, verrät Rolf Mahlke vom Fuhrpark-Ost-West e.V. Wittingen. Er hat das Treffen zusammen mit dem Museumsverein DDR-Zeitreise Radebeul und der IG Oldtimer der Volkssolidarität organisiert.

Flankiert wird Honis Extralanger von dunklen Regierungslimousinen der Marken Mercedes und Volvo. In einem Mercedes 560 SEL ließ sich in den 80ern BRD-Bundeskanzler Helmut Kohl chauffieren. Volvos waren wiederum die typischen Wagen des Ministerrats der DDR.

Weit auseinander gehen die Meinungen über den benachbarten Tschaika. Ein Rentner aus Meißen nennt ihn einen „einzigen Blechhaufen“. Gefallen daran findet hingegen Familie Markert aus Radebeul. „Er passt nur nicht ganz in meine Garage“, scherzt der 43-jährige Ehemann.

Unterstützt wird die Oldtimerveranstaltung vom Tourismusverband Sächsisches Elbland. Das gilt auch für das Weinwanderwochenende mit seinen zahlreichen Angeboten wie Führungen und Verkostungen. In Radebeul beteiligten sich unter anderem der Steillagenwinzer Ralf Walter sowie die Weingüter Karl Friedrich Aust und Schloss Wackerbarth. Zum ersten Mal dabei waren beispielsweise die Hoflößnitz und das Weingut Fliegenwedel. Nach dem durchwachsenen Auftakt am Sonnabend fiel der Sonntag umso freundlicher aus, was eine Vielzahl von Gästen anlockte. „Es ist insgesamt sehr gut gelaufen“, resümierte Sindy Vogel als Geschäftsführerin des Tourismusverbands. Zu den Führungen seien deutlich mehr Besucher als voriges Jahr gekommen. Nach diesem Erfolg soll das Angebot kommendes Jahr noch ausgeweitet werden.

Der Wonnemonat Mai wurde vielerorts auch mit einem Maibaumfest eingeläutet. In Kötzschenbroda wurde der Maibaum schon am Freitagabend aufgestellt – durch bloße Muskelkraft. Die Radebeuler Footballer der Suburbian Foxes und die Reservistenkameradschaft packten mit an. So beging der CDU-Stadtverband das 25. Jubiläum des Brauchs. Am Goldenen Anker parkten Regierungslimousinen der Moderne. Grund war der Berliner Ehrengast: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU).

Am Sonntagabend feierten dann Kötitz und Sörnewitz den Start in den Mai. Im Handwerkerhof Sörnewitz genossen rund 100 Gäste die Stimmung. Bei der Vorbereitung wurde sogar ein Rekord aufgestellt, erzählt Sabine Kralacek vom Kultur- und Heimatverein Sörnewitz, der die Organisation übernahm. Weil der Kran zu früh da war, wurde der Kranz in 30 statt der sonst 60 Minuten gebunden. Die Handwerker des Orts brachten am Sonntag traditionell ihre Zunftzeichen am Maibaum an.

In Kötitz zog das Spektakel rund 350 Leute an. „Der Dorfplatz war knackevoll“, sagte Ralph Hänsel als Chef vom Ortsverein Kötitz, der das Maibaumstellen zum zehnten Mal veranstaltet hat. „Wir haben mehr Leute dazu bekommen, unter dem Maibaum zu tanzen.“

Einen enormen Zulauf erlebten auch die Walpurgisfeuer. An die Panzerstraße in Radebeul pilgerten rund 3 000 Besucher. „Wir sind von der großen Resonanz überrascht. Es wird jedes Jahr stärker angenommen“, so Thomas Walther vom Förderverein der Freiwilligen Feuerwehr Kötzschenbroda. Die Kameraden organisierten das größte öffentliche Feuer in Radebeul zum 13. Mal. Allerdings machte der starke Wind Probleme. Die Kameraden legten zunächst einen Feuerwehrschlauch zum Holzhaufen, um die Flammen mit Wasser niedrig halten zu können. Dann entfachten sie das Feuer auf der windabgewandten Seite in 1,80 Meter Höhe, um ein behutsameres Abbrennen zu ermöglichen.

Schon zum zehnten Mal fand das Walpurgisfeuer am Coswiger Olympia statt. „Mit dem Wind ging es gerade so“, verriet Harald Czudaj. Zu seiner Freude kamen auch hier so viele Menschen wie noch nie. Der Olympia-Chef schätzte die Zahl auf mehrere Hundert Besucher, darunter etliche junge. „Das Wichtigste war uns, dass die Kinder allerhand Spaß haben und der Hexe viele Süßigkeiten abjagen konnten.“ Bevor sie endgültig den Winter verjagten.