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Friedrichstädter treten sich auf die Füße

Das Viertel wächst so schnell wie kein anderes in Dresden. Schon jetzt wird es eng, besonders für die Kinder.

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© Sven Ellger

Von Sophie Arlet

Investoren lockt die Friedrichstadt mit Brachflächen, die es zu bebauen gilt. Junge Familien schätzen die Nähe zur Innenstadt. Nur für die Kinder wird es in dem Viertel langsam eng. Denn mit jedem Bauprojekt fallen auch Freiflächen zum Spielen weg. Und auch Schulen und Horte bekommen Probleme mit der wachsenden Einwohnerzahl. Das zeigen derzeit zwei Beispiele im Viertel. Für viele Kinder bedeutet das, dass sie in Zukunft öfter drinnen spielen müssen.

Die Mitarbeiter der Mobilen Arbeit Friedrichstadt (MAF) haben Ende Juni ihr Freigelände an der Adlergasse beräumt. Auf dem Grundstück will die Ventar Immobilien AG bauen, über die genauen Pläne will das Unternehmen aber noch nichts sagen. Momentan dürfen die Kinder zwar noch aufs Gelände und auf dem Trampolin spielen. Doch auch damit ist bald Schluss. „Es war keine Neuigkeit für uns, sondern schon lange bekannt“, sagt Franziska Steingasser von der Kinder- und Jugendhilfe Outlaw. Die betreibt die MAF seit 2005. In der Adlergasse 2 befindet sich der offene Kinder- und Jugendtreff für Friedrichstädter von sechs bis 27 Jahren. Direkt nebenan konnten sie Volleyball spielen, toben oder gemütlich am Lagerfeuer sitzen. „Das Grundstück wurde uns vom Eigentümer zur Nutzung überlassen“, so Steingasser. Doch es war klar, dass das Grundstück irgendwann verkauft wird. Jetzt sind die Outlaw-Mitarbeiter mit dem Jugendamt auf der Suche nach einem Ersatz. Eine schnelle Lösung ist allerdings nicht in Sicht.

Kein Platz für einen Jugendtreff

„Im Stadtteil ist es derzeit nicht möglich, ein adäquates Grundstück zur langfristigen Nutzung beziehungsweise zur Miete zu bekommen, da die Bebauung des Stadtteils voranschreitet und Freiflächen immer mehr schwinden“, heißt es auf Anfrage beim Jugendamt. Es seien aber Gespräche mit einem Investor geplant, auf dessen Grundstücken neben Wohnungen auch eine offen zugängliche Freifläche entstehen soll. Bis ein neues Gelände gefunden ist, wollen die Outlaw-Mitarbeiter verstärkt im Stadtteil unterwegs sein und so mit den Kindern in Kontakt bleiben. Ein neues Gelände ist wichtig, so schätzt es auch das Jugendamt ein. „Aufgrund mangelnder Frei- und Spielflächen in der Friedrichstadt und des vermehrten Zuzugs von Familien in das Stadtgebiet wurde die MAF zum zentralen Anlaufpunkt“, so die Mitarbeiter. Eine mobile Jugendarbeit gibt es bereits seit 20 Jahren in der Friedrichstadt. Die Freiflächen gehörten immer dazu.

Hortkinder ziehen ins Schulhaus

Aufs MAF-Gelände sind auch Kinder der 48. Grundschule gekommen. Dort gibt es jetzt ebenfalls ein Platzproblem. Bisher sind die Hortkinder nachmittags von der Seminarstraße rüber zur Friedrichstraße in ein eigenes Horthaus gegangen. Das steht direkt neben einer Kita, das Außengelände haben sich alle geteilt. Doch in Zukunft wird der Platz nicht mehr ausreichen. Für das kommende Schuljahr rechnet die Verwaltung mit 169 Hortkindern. „Die maximale Kapazität beträgt gleichwohl nur 130 Plätze, welche im Schuljahr 2016/17 mit 126 angemeldeten Schülern gut ausgelastet war“, so Marco Fiedler vom Kita-Eigenbetrieb. Deshalb sollen 90 Kinder nach den Sommerferien im Schulgebäude betreut werden. Bei den Eltern sorgt das für Ärger. Denn im Kitafachplan für 2016/17 heißt es, dass der Schulhof dafür nicht geeignet sei, weil Spielgeräte und Rasenflächen fehlen. Das Landesjugendamt hatte deshalb abgeraten, den Hort in der Schule einzurichten. Jetzt wird der Fall erneut geprüft. Da es in der Schule keine ungenutzten Räume gibt, soll der Hort nachmittags in die Klassenzimmer ziehen. Wenn die Kinder heimgehen, muss dann alles wieder weggeräumt werden. „Wir tauschen also einen Hort gegen ein paar Spielzeugkisten“, schreibt eine Mutter der SZ. Sie möchte ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Ein Vater ist unzufrieden, weil „Eltern, Kinder, Lehrer und Erzieher mit einer vollkommen unklaren Situation in die Ferien entlassen werden.“ Denn noch steht nicht fest, welche Kinder tatsächlich ins Schulgebäude umziehen.

Beim benachbarten Riesa Efau ist die Lage etwas entspannter. „In unserem Neubau gibt es einen gestalteten Innenhof, den wir nutzen können“, sagt Beate Neuber vom Kulturforum. Die meisten Angebote finden in den Werkstätten und Ausstellungsräumen statt. Die Entwicklung im Viertel sieht sie trotzdem zwiespältig. „Einerseits wertet der Bauboom den Stadtteil auf, wir freuen uns auch über mehr Infrastruktur“, so Neuber. Andererseits würden so aber auch langjährige Bewohner und Projekte aus dem Stadtteil verdrängt.