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Friedlicher Protest und Morddrohung

Am Wochenende wurde in Häslich gesittet gegen die Asylpraxis gewandert. Es gibt aber auch nicht hinnehmbare Töne.

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© Jonny Linke

Von Frank Oehl & Jonny Linke

Das Haselbachtal ist am Sonnabend friedlich und gesittet spazieren gegangen. Seit längerem steht eine Unterkunft für 35 Asylsuchende in Häslich im Raum. In der alten Schule, die derzeit nicht bewohnbar ist. Erst sollten hier schon ab 1. März Flüchtlinge untergebracht werden. Jetzt wackelt auch der 1. April als Starttermin. Nach wie vor entzündet sich in dem kleinen Ort die Kritik – zuletzt auch in der unmittelbaren Nachbarschaft. Die Anzahl der unterzubringenden Personen sei schlicht und einfach zu groß, heißt es. Zum einen für das Haus, zum anderen für das überschaubare Haselbachtal, vor allem seinen kleinen Ortsteil Häslich.

OB Roland Dantz zeigte auch den Passanten am Siedlungsweg die Morddrohungen gegen seine Person. Bei der Erschütterung allein will er es nicht belassen ...
OB Roland Dantz zeigte auch den Passanten am Siedlungsweg die Morddrohungen gegen seine Person. Bei der Erschütterung allein will er es nicht belassen ... © Bernd Goldammer

Asylgesetzänderungen gefordert

Auch am Samstag wurden die Argumente gegen das vom Landkreis geplante Asylheim vorgebracht. Die Kernthemen der Demonstranten sind in Bautzen längst bekannt. Sowohl der Stabsstelle Asyl wurden sie vorgebracht, als auch Landrat Michael Harig (CDU) persönlich. Geredet wurde schon viel, miteinander heißt es. Allein, es habe sich nichts getan in der Sache, so die Redner. Einer sprach davon, dass ein Elternpaar seine beiden Kinder sofort aus dem Kindergarten in Bischheim nehmen wolle, falls die ersten Asylbewerberkinder diesen besuchen sollten. Warum die Angst der Eltern vor dem Fremden und Ungewissen auf dem Rücken der Kleinsten ausgetragen werden muss, blieb offen. Insgesamt wurde in kleineren Gruppen eher sachlich debattiert. Dabei ging es auch gegen die Asylpraxis in der Bundesrepublik. „Das Asylgesetz muss geändert werden“, hörte man immer wieder. Laut Polizei und Ordnungsamt haben etwa 300 Personen am Samstagabendspaziergang durch Häslich teilgenommen. Die nächste Demo soll es in zwei Wochen wieder geben. Dass auch diese friedlich bleibt, darauf können die Ordnungshüter bereits bauen.

Unerfreulicher wird die Tonlage, wenn Anonymität ins Spiel kommt. Über die sozialen Netzwerke zum Beispiel. Aber auch am SZ-Lesertelefon, dass die Kamenzer Redaktion einmal die Woche für zwei Stunden anbietet. Zuletzt hatte ein Haselbachtaler, der sich sogar namentlich meldete, unverhohlen seinem blanken Hass auf Ausländer Luft gemacht. Mit einer unflätigen Massenmord-Drohung gegen Flüchtlinge, die offenbar die Redakteure am anderen Ende der Leitung zu stillen Teilhabern machen sollte. Da machen sie aber hundertprozentig nicht mit.

Ähnlich starken Tobak hatte Oberbürgermeister Roland Dantz am Freitag von seinem Smartphone zitiert. Sogar im MDR-„Sachsenspiegel“. Nicht nur, dass der Ton rabiater wird, er wird auch offen volksverhetzend. Willkommener Anlass, seine Wut am Kamenzer Stadtoberhaupt abzuarbeiten, war die hektische Einrichtung der Notunterkunft für Flüchtlinge vor allem aus dem Kosovo und vom Balkan in der Sportstätte des PSV Kamenz. Dantz, der die schwierige Situation in seiner Stadt keinesfalls verursacht hat, bekam per Mail übelste Morddrohungen und machte aus seiner Bestürzung auch gegenüber der Presse kein Hehl. „Das ist kein Einzelfall mehr. Aber daraus entwickele ich durchaus auch Widerstandskraft“, sagte er. Offenbar wird Dantz die Bedrohungen nicht auf sich sitzenlassen. Womöglich können die Absender ja ermittelt werden?

Die erste Aufregung um die Notunterkunft am Siedlungsweg ist am Wochenende weiter abgeebbt. Dafür hatten vor allem jene gesorgt, die sich schnellstens für eine annehmbare Interimslösung für die Judoka des PSV eingesetzt hatten. Ab nächste Woche stehen dem Verein fünf Trainingszeiten in der BSZ-Halle zur Verfügung, die der Landkreis Bautzen betreibt. Weitere Möglichkeiten soll es auch in anderen Hallen in Kamenz geben. Kreissportbundchef Torsten Pfuhl, der vom drohenden Aus für den PSV ebenfalls überrascht worden war, will sich ebenfalls einsetzen. „Besser wäre es gewesen, uns von vornherein mit einzubeziehen.“ Gerade die Solidarität unter Sportlern ist in solchen Fällen hilfreich, so Pfuhl. Die Landesdirektion Sachsen hat inzwischen eingeräumt, angesichts des starken Anstiegs des Erstaufnahme-Bedarfs im Freistaat schwer unter Druck zu stehen. Manchem Demonstranten am Freitagnachmittag waren die Hintergründe nicht bekannt, manchem dürften sie auch völlig Wurscht sein. Gleichwohl ist es wichtig zu wissen, dass die Flüchtlinge am Siedlungsweg nicht etwa dem Landkreis zugeordnet sind, sondern vom Freistaat betreut werden.

200 Pfannkuchen von Bresan

Dies geschieht mit hohem logistischem Aufwand. Vor allem ehrenamtliche Kräfte der DRK-Verbände Dresden und Freital sichern die Rundum-Betreuung einschließlich der Essensversorgung ab – dazu kommen Kräfte des Wachschutzes und des THW, die vorüber gehend die Stromsicherstellung übernahmen. Gestern Abend waren genau 113 Asylbewerber – etwa die Hälfte davon aus dem Kosovo – untergebracht, darunter 27 Kinder unter zehn Jahren. Mittlerweile sind die Familien in die kleinere Halle des Objektes umgezogen, um auch die Ruhezeiten für die Kleinen abzusichern. Die mobilen Außentoiletten wurden mit einem Sichtschutz versehen. Ein schwangere Frau musste noch am Freitag ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, ein weiterer Flüchtling ist krank geworden. Einer hat seinen Asylantrag übrigens zurückgezogen. Mittlerweile ist auch eine Welle der Hilfsbereitschaft über das Notheim – das höchstens bis Sommer genutzt werden soll – hereingebrochen. Eine Kamenzer Familie spendete eine ganze Kiste mit Spielzeug, auch selbst gebackener Kuchen wird gebracht. Er gilt als eine willkommene Geste, darf aber aus lebensmittelhygienischen Gründen in einer Massenunterkunft leider nicht verteilt werden, heißt es. Anders verhält es sich mit einer Spende der Bäckerei Bresan. Heute treffen 200 Pfannkuchen aus dem Sorbenland ein.