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Friedhof ist ein Vogelparadies

30 Vogelarten haben an der Ruhestätte in Bernstadt ihr Zuhause. Seit einem Jahr auch Waldohreulen.

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© SZ/Steffen Gerhardt

Von Steffen Gerhardt

Bernstadt. Rätselraten für Karl-Heinz Hieke auf dem Bernstädter Friedhof: Seit Tagen ist das Waldohreulen-Pärchen nicht mehr in den sonst gewohnten Bäumen zu sehen. Er hat eine Vermutung: „Sie werden sich zum Brüten zurückgezogen haben“, sagt der im Bundesfreiwilligendienst auf dem Friedhof Beschäftigte. Eigentlich ist die Brutzeit im März, wobei ein aus dem Nest gefallenes Eulen-Ei bereits gefunden wurde. Nun kann es sein, dass das Männchen mit dem Weibchen – oder umgekehrt – eine Nachbrut angesetzt haben. Im Vorjahr klappte das besser. „Mit dem Resultat, dass einige Zeit später drei Jungtiere im Baum saßen“, erinnert sich Karl-Heinz Hieke noch sehr genau. Einmal ist es ihm gelungen, alle drei in einem Foto zu vereinen.

Suchbild: Wer entdeckt die drei jungen Waldohreulen sofort in dem Nadelbaum? Sie waren im vergangenen Jahr der Nachwuchs auf dem Friedhof in Bernstadt.
Suchbild: Wer entdeckt die drei jungen Waldohreulen sofort in dem Nadelbaum? Sie waren im vergangenen Jahr der Nachwuchs auf dem Friedhof in Bernstadt. © Karl-Heinz Hieke

Was aus den Jungtieren geworden ist, entzieht sich der Kenntnis des Bernstädters. „Wenn sie flügge sind, suchen sich die Eulen meist neue Gebiete. So war es auch mit unseren drei Kindern.“ Ihre Eltern sind aber geblieben. Anscheinend fühlen sich die beiden auf dem Bernstädter Friedhof wohl. Nachdem sie im vergangenen Jahr das erste Mal gesichtet worden sind.

Hier sind sie in guter Gesellschaft, denn der Friedhof ist reich an Vogelarten. Karl-Heinz Hieke hat sich die Mühe einer Bestandsaufnahme gemacht: „Wir können davon ausgehen, dass hier über 30 verschiedene Arten heimisch sind“, sagt er. Gehört beziehungsweise gesehen hat der frühere Vogelzüchter sie alle: vom kleinsten europäischen Vogel, dem Goldhähnchen, das nur fünf Gramm wiegt, bis hin zum Turmfalken. Sogar zwei Zilpzalps hat Karl-Heinz Hieke schon beobachtet. „Ich kann sie dadurch unterscheiden, weil einer von ihnen stottert. Das gibt also auch bei Vögeln“, sagt er schmunzelnd.

Denn vorwiegend Singvögel sind es, die mit ihren Stimmen den Ort der Ruhe und Trauer etwas an Leben zurückgeben. Und das findet Karl-Heinz Hieke gut so. Denn die Leute kommen nicht nur auf den Friedhof, um die Gräber ihrer Angehörigen zu pflegen, sondern auch um hier zu verweilen, einen Schwatz zu machen oder einfach nur die Natur an schönen Tagen zu genießen. Und da gehören die Vögel dazu.

Dass der Bernstädter Friedhof so eine Vogelvielfalt aufweist, hat nicht nur etwas mit seiner ruhigen und abgegrenzten Lage zu tun, sondern auch mit dem Baumbestand. „Wir haben hier sehr viele alte Bäume stehen, die hervorragende Brutplätze für die Tiere sind“, sagt Karl-Heinz Hieke. Ihm schmerzt jedes Mal das Herz, wenn ein ausgewachsener Baum gefällt werden muss, weil er zu viel Schatten und Nadeln auf die Gräber wirft. Dann ist eine weitere Nistmöglichkeit verloren gegangen. Alternativ werden Nistkästen gebaut. „Wenn es die Zeit erlaubt“, fügt Hieke hinzu, denn seine Aufgaben sind andere. Zehn Stück hängen an den Bäumen – und alle sind belegt. Nicht immer mit der Vogelart, für die sie gebaut wurden, aber wer zuerst kommt, hat die beste Auswahl unter den hölzernen Quartieren.

Aber ganz perfekt ist die Vogelwelt auf dem Bernstädter Friedhof nun auch wieder nicht, sagt Karl-Heinz Hieke. „Dieses Jahr habe ich hier noch keinen Kuckuck gehört“, stellt er fest. Denn dieser ist auch so ein Schmarotzer wie die Waldohreule. Der Kuckuck schmuggelt seine Eier fremden Vögeln unter. Die Waldohreule ist zu faul, um sich selbst ein Nest zu bauen. Sie nutzt vorhandene. Deshalb ist es durchaus möglich, so Hieke, dass die beiden Waldohreulen jetzt die Nachmieter eines Nestes der Nebelkrähen sind, die bereits auf dem Friedhof gebrütet haben. Nun, die nächsten Wochen werden es zeigen, ob es wirklich so ist.