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Friedensrichter in zweiter Generation

Florian Wiehring schlichtet Streitigkeiten zwischen Nachbarn. Oft geht es dabei um gefangene Grundstücke.

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© Dietmar Thomas

Von Andreas Neubrand

Striegistal. Florian Wiehring ist in Striegistal Friedensrichter in zweiter Generation. Vor ihm schlichtete seine Mutter, Gisela Wiehring, vier Jahre lang Streitigkeiten in der Gemeinde. Er fungierte dabei als Beisitzer. „Bei meiner Mutter waren es viele der sogenannten Knallerbsenstrauchfälle“, so Wiehring. „Also Fälle, bei denen es um zu hohe Hecken geht, oder Gartenhäuschen, die zu nahe am Zaun des Nachbarn stehen“, sagt er.

Seine Fälle seien oft verzwickter. „Ich habe es oft mit gefangenen Grundstücken zu tun“, sagt er. „Also Grundstücke, die keinen eigenen Zugang haben, und die nur über ein Nachbargrundstück erreicht werden können.“ Das bedeutet, dass der Besitzer ohne Erlaubnis seines Nachbarn das eigene Grundstück nicht so einfach betreten darf. Zu DDR-Zeiten sei dies kein größeres Problem gewesen. Da war die Nutzung durch Dritte noch kein Thema, so Wiehring. Außerdem habe sich damals niemand für die Besitzverhältnisse wirklich interessiert. Heute sei das ganz anders. „Leider haben die Leute für diese Art von Schwierigkeiten kein Bewusstsein mehr. In meinen Augen ein Generationsproblem“, erklärt Wiehring. „Aber es stellt viele Erben vor große Herausforderungen. Was sollen die Leute auch mit einem Grundstück anfangen, dass sie nicht betreten können? Und wenn sich die Leute dann mit dem Nachbarn zerstritten haben, dann ist das natürlich sehr schlimm für die Betroffenen.“

Im Durchschnitt habe er zwei bis drei Fälle pro Jahr. „Meist versuche ich, zuerst, mit der Gegenpartei alleine zu sprechen“, erläutert Wiehring. „Da kann die andere Partei viel offener reden und ich habe auch mal deren Version gehört.“ Doch ob seine Schlichtung am Ende erfolgreich war, erfährt er nur selten. „Ich weiß nur von einem Fall, der vor Gericht gelandet ist“, sagt er. „Der Grund, warum ich so selten Resonanz erhalte, liegt an der fehlenden Obligatorik in Sachsen.“ In einigen Bundesländern muss bei bestimmten Sachverhalten oder einem geringen Streitwert erst ein Friedensrichter konsultiert werden. Diese Regelung soll helfen, die Gerichte zu entlasten. Erst, wenn das fehlschlägt, darf ein Gericht bemüht werden. „In diesem Fall braucht der Kläger einen sogenannten Sühneversuch, den muss dann der Friedensrichter ausstellen“, sagt Wiehring. „Dann wüssten wir immer, ob wir erfolgreich waren oder nicht.“ So etwas fehle in Sachsen.

Friedensrichter könne übrigens jeder werden, der etwas Zeit, Einfühlungsvermögen, gesunde Menschenkenntnis und genügend Interesse für rechtliche Themen mitbringe, so Wiehring. Nur Juristen seien davon ausgenommen. „Anwälte dürfen das Amt nicht ausüben. Es besteht die Gefahr, dass sie einen Schiedsspruch absichtlich platzen lassen, um sich einen neuen Mandanten zu angeln“, erklärt Wiehring. „Aber auch Notare oder Richter sind ausgeschlossen.“ Eine formale Ausbildung gibt es hingegen nicht. „Wer sich trotzdem weiterbilden möchte, für den gibt es Kurse“, so Wiehring. „Aber verpflichtend sind diese nicht. Wer aber gut in diesem Amt sein will, der muss jede Menge Eigeninitiative zeigen.“ Wichtig sei dabei vor allem präzises Arbeiten und Sprachgenauigkeit. „Sollte der Fall vor Gericht gehen, dann muss mein Schiedsspruch auch Bestand haben“, erläutert er. Ihm habe es geholfen, dass er früher Offizier bei der Bundeswehr war. „Schon damals haben mich juristische Fragen interessiert. In der Thematik bin ich recht versiert“, sagt er. „Deswegen habe ich meiner Mutter auch häufiger Ratschläge erteilt, als sie mir.“

Aber einen Rat hat er dann doch von ihr angenommen. Nämlich, bis wann es sich lohnt, einen Friedensrichter aufzusuchen: „So lange man sich auf der Straße noch grüßt. So lange kann ein Friedensrichter noch schlichten.“