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Freude und Mühe mit den Weihnachtsbäumen

Die Aufzucht von Tannen und Fichten ist mit Arbeit verbunden. SZ hat die Betreiber einer Plantage in Niedercunnersdorf übers Jahr begleitet.

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© Matthias Weber

Von Birgit Hollstein

Neugersdorf. Heiligabend ohne Weihnachtsbaum – das geht nicht, ist André Schreiber vom Stahlbau Oberlausitz aus Neugersdorf sicher. Er wählt gerade einen Baum auf dem Tannengut Belger in Niedercunnersdorf aus. Schlank und kerzengerade soll er sein. Doch wie viel Hege und Pflege ist dafür notwendig, dass ein Baum so schön aussieht? Gepflanzt werden die Nadelbäume immer im September: Uta Belger sitzt mit ihrer Freundin auf der Pflanzmaschine. Ein benadelter Winzling, ein zukünftiger Weihnachtsbaum, ruht in ihrer Hand. Sie setzt ihn in eine Furche im Boden. Die Furche wird von der Pflanzmaschine gezogen. Diese wiederum zieht Heiko Belger mit dem Traktor über den Acker. Seine Frau greift nach den nächsten Winzlingen. 8000 Nadelbäume warten darauf, gepflanzt zu werden. Das Ehepaar Belger baut seit 1992 auf einer Fläche von 20 Hektar Weihnachtsbäume an. „Diese Sonderkultur war damals eine Marktlücke und schien uns flächenmäßig geeignet“, erzählt die Agraringenieurin. Während ihrer Pflanzarbeit lässt sie das Jahr Revue passieren.

Sie sieht sich im Januar auf den abgeernteten Flächen Äste und Zweige einsammeln, was „unendlich vielen Kniebeugen gleich kommt“, wie sie sagt. Die Äste werden zu Brennholz gesägt, die Zweige geschreddert. Eine Ausnahme bilden die Zweige der Schwarzkiefer. Sie werden auf einen Haufen gelegt, denn sie sind eine Delikatesse für Pferde, die die Nadeln wegen der enthaltenen Öle gern fressen. Drei Pferde helfen auf Belgers Plantage bei der Unkrautbekämpfung und der Düngung.

Für den Januar war das Wetter dieses Jahr zu warm, sagen Belgers. Die Plantagen-Besitzerin erzählt von Schädlingen, die bei einem zu milden Winter überleben, zum Beispiel die Tannentrieblaus. Auch einige Fichten mit braunen Nadeln hat sie dieses Jahr auf der Plantage entdeckt. „Das Werk der Sitkafichtenlaus“, sagt Frau Belger. Sind Bäume von der Tannentrieblaus befallen, liegen die Nadeln flach an den Zweigen der Tannen an. In beiden Fällen müssen die Bäume beobachtet und im kommenden Jahr mit Insektizid behandelt werden. Ist der Winter streng, wird die Laus durch den Frost abgetötet.

Uta Belger nimmt wieder einen Setzling in die Hand. Die kleine Pflanze ist 15 bis 30 cm hoch und drei Jahre alt. Die Zahl ihrer abgehenden Zweige verrät es. Wird sie von Krankheiten verschont bleiben? Wird sie Hagel und Spätfrost überleben? Arbeiten zum Schutz vor Krankheiten der Bäume sind immer im Frühling fällig. Da entfernt Uta Belger die untersten Zweige der Tannen und Fichten, um Pilzkrankheiten vorzubeugen. „Besonders gefährlich sind Hallimasche“, erklärt sie. „Sie gehen in die Leitbahnen der Pflanze ein, die dann keine Nährstoffe mehr aufnehmen kann und vertrocknet.“ Frau Belger befreit die Nadelbäume von Unkraut wie dem Klettenlebkraut, das an ihnen emporklimmt und die Spitzen nach unten zieht. „Die Seitentriebe größerer Bäume verschneiden wir, denn die meisten Kunden bevorzugen einen schmalen Baum“, erklärt die Fachfrau und setzt die Schere an. Ihr Blick gleitet auf die Baumspitze, auf die Knospe: „Diese ist die mittigste. Sie muss stehen bleiben, damit der Baum gerade wächst.“ Die andere verschwindet schnell.

Manchmal wird sie bei ihrer Arbeit beobachtet – und zwar nicht von neugierigen Nachbarn. Ein kleiner Sänger lässt sich gerade auf einem Ast nieder. Schnell klammert Uta Belger einen Vogelschutzstab am oberen Ende des Stammes fest. Der Holzstab mit dem gelben Querstab aus Plaste überragt die Baumspitze. Der Querstab lädt zum Landen oberhalb der frisch gewachsenen Spitze ein. „Schon kleine Vögel können im Mai dem jungen Mitteltrieb eines Baumes schaden“, erklärt die Fachfrau. „Wollen sie losfliegen, drücken sie sich kräftig ab. Der sehr weiche Mitteltrieb geht dabei kaputt. Die Bäume können dann nicht mehr gerade wachsen.“ Das Anbringen der Schutzstäbe dauert bei der großen Fläche ungefähr eine Woche.

„Stopp!“, ruft Uta Belger. Ihr Mann hält den Traktor an und hebt die Pflanzmaschine aus. Die Pflugschar, die die Furche zieht, muss von Unkraut und Erde befreit werden, damit die Pflanzen gerade stehen können und die Wurzeln gut im Boden verankert werden. Dann geht es weiter. Die Winzlinge müssen schnellstens in die Erde. Wenn auch die Tage noch warm – zu warm für den September sind – nachts sollte die Bodentemperatur nicht unter 15 Grad liegen. Aber früher hätte das Ehepaar die Pflanzen nicht bestellen brauchen. Der Regen fehlte, es war zu trocken.

„Klack, klack“ gibt der Taktgeber der Pflanzmaschine von sich. Er gibt die Pflanzabstände vor. In seinem Rhythmus reist Uta Belger gedanklich zurück in den Mai. Da fährt sie mit dem Geländewagen über’s Feld, vorbei an Blaufichten und serbischen Fichten, an Nordmann- und Koreatannen. Letztere erkennt man gut an den bläulichen Zapfen und den blau-weißen Nadeln. Das Auto holpert den Ackerweg entlang, vorbei an Korktannen, die von Weitem den Blaufichten ähneln. Als sie anhält, fallen ihr einige Nordmanntannen ins Auge. Mit extrem kurzen Nadeln an den oberen Zweigen und braunen Trieben stehen sie im Sonnenlicht. Nur: „Wer wird sie kaufen wollen?“, fragt die Fachfrau und beantwortet sich die Frage selbst: „Niemand.“ Später wird das Ehepaar vom Pflanzenschutzamt erfahren, dass die Bäume Sporen von Pilzen, dem sogenannten Botrytis, enthalten.

Im Mai gibt es besonders viel Arbeit. Heiko Belger zieht mit dem Traktor, an den eine Bodenfräse angekoppelt ist, teils 50 Zentimeter tiefe Fahrspuren in den Wegen zu, zieht alte Baumstümpfe aus dem Boden, fräst die Flächen, die im September neu bepflanzt werden sollen. Danach sieht der Boden so fein aus, dass Getreide darauf gesät werden könnte. Uta Belger selbst schindet sich mit einer schmalen Reihenfräse, um den Boden zwischen den Baumreihen aufzulockern. Damit bekämpft sie gleichzeitig das Unkraut – ohne Chemie. Sie schiebt die Fräse wie einen Rasenmäher. Nur dass ihr ein Rasenmäher keine Schweißperlen auf die Stirn treibt, da er viel leichter zu lenken ist. Im Mai düngen Belgers alle Bäume, die kleineren mit einer Maschine, die größeren mit der Hand.

Die Arbeit auf der Pflanzmaschine ist beendet. Im Oktober stechen die Plantagen-Besitzer sieben- bis zehnjährige Bäume aus, pflanzen sie in Töpfe. Nur Flachwurzler wie Blaufichte, die Kork- und Koreatanne kommen dafür infrage. Das Ehepaar bringt Preisschilder an, überlegt, wie viele Bäume an den Großhandel gehen, wie viele vor Ort verkauft werden. Diese Bäume sind jetzt elf bis 15 Jahre alt. „Es ist immer eine spannende Angelegenheit, ob wir genügend Bäume haben“, erzählt Heiko Belger, denn auch das Wetter ist ausschlaggebend. „Ist es schön, sägen Kunden gern selbst einen Baum. Ist es ungemütlich, entscheiden sich viele für einen vom Abholplatz.“

Erst zu Weihnachten sinkt die Spannung. Von der Arbeit mit den Bäumen ist vorerst noch eine geblieben: Der eigene Christbaum muss geschmückt werden. Diese Arbeit erledigt auch André Schreiber gern. Er hat sich einige Blaufichten ausgesucht, für die Firma und für sein Zuhause.