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Freiwillige und unfreiwillige Umwege

Das soziale Jahr soll der Jugend in Niesky und Umgebung Perspektiven bieten. Doch der Nahverkehr ist ein Problem.

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© Jens Trenkler

Von Alexander Kempf

Niesky. Pauline Bäsler hat sich 2015 ein wenig verlaufen. Die Kodersdorferin stellt damals fest, dass die Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement in Dresden nicht das ist, was sie glücklich macht. „Es war doch nicht so mein Berufswunsch“, sagt sie rückblickend. Den Bürojob samt Papierbergen hat die damals 17-Jährige daher hinter sich gelassen und sich wieder mehr dem Menschen zugewandt. Seit Oktober 2015 absolviert sie ein Freiwilliges Soziales Jahr, kurz FSJ, im Martinshof in Rothenburg. Die Arbeit mit Beeinträchtigten hat sie darin bestätigt, bald einen sozialen Beruf zu lernen. Ab September beginnt Pauline Bäsler eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin im Klinikum in Görlitz.

Die Lücken, die Pauline Bäsler und andere FSJler Ende des Monats in den sozialen Einrichtungen im Landkreis Görlitz hinterlassen, sollen ab September andere füllen. Darum bemühen sich Altersheime, Kitas und Museen derzeit um junge Menschen, die Interesse an einem Orientierungsjahr haben. Allein die Stadt Niesky ist noch auf der Suche nach vier Interessenten. Denn in der Kindertagesstätte in See, im Hort in Kosel und im Nieskyer Museum sowie dem Konrad-Wachsmann-Haus gibt es weiterhin freie Plätze. „Wenn wir noch jemanden kriegen, wäre das schon toll“, sagt Jeannette Tunsch. Sie leitet das Sachgebiet Personal im Rathaus.

Vom Freiwilligen Sozialen Jahr profitieren in der Regel beide Seiten. Die jungen Menschen erhalten ehrliche Einblicke in den Arbeitsalltag und Taschengeld. Die Einrichtungen gewinnen so viel Einsatz für verhältnismäßig wenig Geld. Die FSJler werden aktiv in die Arbeitsbereiche eingebunden und übernehmen auch selber Verantwortung, erklärt Jeannette Tunsch. Sie lobt das Freiwillige Soziale Jahr als eine gute Sache für junge Menschen. „Man kriegt dabei viel Rüstzeug mit“, sagt sie. Denn neben fachlichem Wissen würden die FSJler auch viel Lebenserfahrung sammeln.

Viele nutzen das Programm als eine Art Schnupperjahr. In der Kita in See will nach den Ferien zum Beispiel ein junger Mann herausfinden, ob er später den Beruf des Erziehers lernen möchte. Liegt mir die Arbeit mit Kindern? Die Antwort darauf wird er herausfinden. Auch für den zentralen Hort in Niesky und die Stadtbibliothek hat Jeannette Tunsch für das neue Schuljahr schon FSJler gefunden. Doch nicht nur die Stadt sucht nach jungen Freiwilligen. In der Diakonissenanstalt Emmaus absolvieren derzeit vier FSJler ihren Dienst im Altenpflegeheim Abendfrieden. Ein Freiwilliger hilft in der Kindertagesstätte Samenkorn. „Gern bieten wir Interessierten die Möglichkeit, in ein Berufsfeld reinzuschnuppern und zum Beispiel das Freiwillige Soziale Jahr für die Berufsorientierung zu nutzen“, so Sprecherin Viola Knappe.

Betreut wird das Programm von Trägern im Freiwilligendienst. Niesky arbeitet eng mit dem Internationalen Bund in Löbau zusammen. In Rothenburg hilft Anne-Magdalena Schubert vom Diakoniewerk Martinshof Rothenburg mehr als 50 Einsatzstellen im gesamten Landkreis Görlitz, FSJler zu finden. Die Betreuung ist wichtig. Denn die jungen Leute haben auch ein Anrecht auf 25 Bildungstage und sollen nicht als billige Arbeitskräfte missbraucht werden. Für Anne-Magdalena Schubert bringt das reichlich Arbeit mit sich. Die lohne sich aber. „Wenn wir uns als Träger nicht selbst kümmern, würden wir keine Freiwilligen bekommen“, sagt sie.

Seit Jahren bemüht sich Anne-Magdalena Schubert außerdem, das Netz von FSJ-Stellen im Landkreis Görlitz auszubauen. Ihr Ziel ist es, jungen Menschen in ihrem Heimatort ein Angebot machen zu können. Denn gerade wer jünger als 18 Jahre alt ist, der kommt sonst nur schwer zur Arbeitsstelle. Insbesondere da Schichtdienste gerade in der Pflege keine Seltenheit sind. „Die öffentlichen Verkehrsmittel sind für mich bei der Vermittlung das größte Problem“, sagt Anne-Magdalena Schubert.

Die Kodersdorferin Pauline Bäsler, die zu Beginn ihres Freiwilligen Sozialen Jahres in Rothenburg gerade 17 Jahre alt gewesen ist, wäre mit Bus und Bahn kaum an die Neiße gelangt. Doch sie hat Glück gehabt. Da ihr Vater im Martinshof arbeitet, kann der die Tochter oft mitnehmen.