Merken

Freitals Mittelalter wird herausgeputzt

Die Restaurierung der historischen Grabplatten von Döhlen hat begonnen. Arbeit gibt es genug. Etwas anderes fehlt aber.

Teilen
Folgen
NEU!
© Karl-Ludwig Oberthür

Von Annett Heyse

Freital. Michael Eilenberger hat zum Pinsel gegriffen, um zu demonstrieren, wie viel Schmutz sich in den kleinsten Ritzen und Poren des Sandsteins abgesetzt hat. „Wusch, wusch, wusch“, bewegt sich die Quaste, feinsten Staub aufwirbelnd, an einem Mantelkragen entlang und weiter in Richtung Gesichtsschleier. „Eine Witwentracht“, sagt Eilenberger und hält kurz inne. Elisabeth von Grensing hieß die Frau, 1581 in der Döhlener Kirche beigesetzt. Als Angehörige des Adelstands bekam sie einen besonderen Platz im Inneren des Gotteshauses. Ein Platte mit Porträt, Wappen, Inschriften bedeckte ihr Grab.

Der historische Schatz

Teuer 1 500 Euro übergab Oberbürgermeister Uwe Rumberg (r.) an Pfarrerin Annegret Lattke und Eberhard Kammer. Insgesamt sind 100 000 Euro nötig.
Teuer 1 500 Euro übergab Oberbürgermeister Uwe Rumberg (r.) an Pfarrerin Annegret Lattke und Eberhard Kammer. Insgesamt sind 100 000 Euro nötig.
Zerbrechlich Einige Platten sind bereits zerborsten und wurden beim Einbau in die Denkmalhalle wieder zusammengefügt. Die Risse und Brüche werden ausgebessert.
Zerbrechlich Einige Platten sind bereits zerborsten und wurden beim Einbau in die Denkmalhalle wieder zusammengefügt. Die Risse und Brüche werden ausgebessert.
Ritterlich Auf manchen Platten sind gut die Reliefs der Ritter in ihren Rüstungen zu erkennen. Die älteste Platte stammt von 1356, die jüngste wurde 1769 angefertigt.
Ritterlich Auf manchen Platten sind gut die Reliefs der Ritter in ihren Rüstungen zu erkennen. Die älteste Platte stammt von 1356, die jüngste wurde 1769 angefertigt.

Von all dem ist heute nicht mehr viel zu erkennen, und deshalb steht nun Michael Eilenberger mit seinem Pinsel hinter der Döhlener Kirche. Er ist Restaurator und damit beauftragt, zunächst zwei von insgesamt 19 historischen Grabplatten vor dem weiteren Zerfall zu bewahren. Knapp 8 700 Euro kosten die ersten Arbeiten. Finanziert werden sie von der Kirchgemeinde. Das Geld hat maßgeblich Eberhard Kammer aufgetrieben. Kammer ist ehrenamtlicher Denkmalpfleger, die Anlage mit den Grabplatten hat es ihm seit Langem angetan.

Er war in Kirchenämtern, Denkmalbehörden, bei der Stadt und hat nun das Geld für die Sanierung von wenigstens zwei Platten zusammen. Am Dienstag traf die letzte Spende ein – der Scheck über 1 500 Euro wurde von Freitals Oberbürgermeister Uwe Rumberg (CDU) überreicht. Neben der Verwaltung hatten mehrere städtische Tochtergesellschaften Geld gegeben. Eberhard Kammer fiel ein Stein vom Herzen. „Es ist ja für einen guten Zweck“, bedankte er sich sichtlich erfreut. Insgesamt werden jedoch 100 000 Euro für die Sanierung aller Grabplatten gebraucht.

Sie sind mit die ältesten Gegenstände, die Freital aus seiner Geschichte vorweisen kann. Sie reichen zurück bis ins Jahr 1356. Damals wurde eine Barbara Küchenmeister in der Döhlener Kirche beerdigt. Die jüngste Grabplatte wurde 1769 gemeißelt, als ein M.J. von Polenz starb.

Als die alte Döhlener Kirche Ende des 19. Jahrhunderts einem Neubau weichen musste, blieben die Platten übrig und lagerten zunächst im Freien. Dort waren sie Wind und Wetter ausgesetzt. Max Freiherr von Burgk ergriff schließlich die Initiative zur Rettung und ersann den Bau einer offenen Halle für die Grabplatten. Die Kirchgemeinde wandte sich auf der Suche nach Geld an den russischen Zaren Nikolaus II. und bekam Unterstützung.

Dessen Vorfahrin, Zarin Katharina II. von Russland, Regentin von 1762 bis 1796, stammte über mehrere Generationen von einer Familie Zeutsch ab. Die Zeutschs wiederum waren Besitzer des Döhlener Ritterguts und bekamen ebenfalls Grabplatten, als sie beigesetzt wurden. Einer dieser Sandsteinkolosse ist Christoph von Zeutsch gewidmet. Er starb 1603. Seine Platte zeigt einen stattlichen Mann in Rüstung, mehr ist kaum noch zu erkennen. Die Platte ist eine der am schlechtesten erhaltenen. „Auf einer Schulnotenskala würde ich ihr eine Sechs geben“, sagt Michael Eilenberger.

Seine Aufgabe ist es, die Platten zu säubern, zu konservieren, Ausbesserungsarbeiten vorzunehmen und die Konturen wieder herauszuarbeiten. Wie neu würden die Platten nachher nicht aussehen, sagt der Restaurator. „Hauptsächlich soll die Verwitterung aufgehalten werden.“ Neben der Arbeit an den ersten zwei Grabplatten wird schon die Restaurierung von Nummer drei bis fünf vorbereitet. Eine zeigt einen Mann, der vor einem Kruzifix kniet, eine andere enthält lediglich eine Aufschrift. Auf weiteren Platten sind die Porträts der Adligen abgebildet, manche sind erstaunlich gut zu erkennen. Das liege am verwendeten Material, erklärt Michael Eilenberger. „Der Sandstein stammt aus verschiedenen Steinbrüchen und hat jeweils eine andere Zusammensetzung.“ Restauriert werden müssen aber alle. Bis zum 100-jährigen Gründungsjubiläum von Freital im Jahr 2021 sollen die Arbeiten beendet sein.

Die Kirchgemeinde bittet um Spenden auf folgende Bankverbindung: Kassenverwaltung Pirna, IBAN DE 11 3506 0190 1617 2090 27 Verwendungszweck RT0852 Denkmalhalle