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Freital sucht seine neue Mitte

Viele Einwohner beteiligen sich an der Umfrage zum Sächsischen Wolf. Auch die Bibliothek hat etwas davon.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Carina Brestrich

Freital. Ernst Thälmann war da, Humorist Otto Reutter sorgte für stehende Ovationen. Nach der Wende konstituierte sich der erste neu gewählte Stadtrat im einstigen Klub der Edelstahlwerker. Der Sächsische Wolf hat viele historische Momente erlebt. Das endgültige Aus kam mit dem Abriss im Jahr 2010. Es war richtig so, meint Dieter Lumpe: „Zum Schluss, da war es einfach nicht mehr schön.“ Der Freitaler Ex-Bürgermeister steht in der Stadtbibliothek, vor ihm fünf Schautafeln, die wieder bessere Zeiten für das Areal versprechen. Fünf Investoren wollen die Brachfläche zu einem schicken Stadtzentrum machen. Doch wer hat den besten Plan? Das beste Konzept? Wer kann die Freitaler überzeugen?

Baubürgermeister Jörg-Peter Schautz (parteilos) und Stadtplanungsamtsleiterin Josephine Schattanek können diese Fragen nicht beantworten. Von Amts wegen müssen sie neutral bleiben. Dennoch nehmen die Freitaler die Hilfe der beiden Rathausvertreter gerne an: „Nicht jeder beherrscht es, so einen Grundriss zu lesen und zu interpretieren. Genau dafür sind wir da“, erklärt Josephine Schattanek. Noch bis zum 7. April sind in der Stadtbibliothek die Schautafeln mit den Vorschlägen der Investoren ausgestellt. Jeder von ihnen hat nicht nur ein anderes Konzept, sondern auch eine andere Art, seine Ideen zu veranschaulichen: vom schlichten Grund- und Aufriss bis hin zur ausgefeilten 3-D-Ansicht, die einem Foto aus der Zukunft gleicht.

Die Zukunft mitbestimmen, diese Chance wollen an diesem Nachmittag etliche Freitaler nutzen. Doch auch außerhalb der Termine, an denen die Rathaus-Mitarbeiter für Fragen vor Ort sind, sei das Interesse groß. So beobachten es die Bibliotheksmitarbeiterinnen. „In den vergangenen Tagen sind jeweils zwischen 30 und 50 Leuten da gewesen“, bilanziert Rathaus-Sprecher Matthias Weigel. Auch die Urne für die Stimmzettel hätte sich seit Montag schon gut gefüllt.

Eine Hilfe für den Stadtrat

Die kleinen orangefarbenen Zettel liegen unübersehbar auf einem Tisch bereit. Ausgefüllt und in die Urne geworfen, sollen sie dem Stadtrat später bei der Entscheidung über den Investor helfen. Aber nicht jeder kann und will sich gleich vor Ort entscheiden. Dietmar Lumpe hat extra seinen Fotoapparat mitgebracht. Zu Hause am Computer will er sich die Pläne noch einmal anschauen. „Ich habe noch keinen Favoriten“, sagt er. „Ich muss das jetzt erst mal setzenlassen.“

Andreas Mußbach hat sich dagegen schon entschieden. Mit Frau und Fahrrad hat sich der Freitaler Polizist auf den Weg ins City Center gemacht. In die Pläne hat er sich schnell reingefunden – als Modelleisenbahner sei der Blick schließlich geübt, sagt er und lacht. „Eine Mischung aus Variante 1 und Variante 4 wäre nicht schlecht“, sagt er. An Variante 4 gefällt ihm die Passage, an Variante 1, dass das Wohnen nicht ganz so im Mittelpunkt steht. Eine Behörde sei kein schlechter Gedanke, das würde Publikumsverkehr garantieren. „Wichtig ist, dass das Areal lebendig ist“, sagt er. An die Zeiten, als es am Sächsischen Wolf noch lebhaft zuging, kann sich Mußbach noch gut erinnern. „Hier war richtig was los“, sagt er rückblickend.

Als die Edelstahlwerker im Sächsischen Wolf feierten, war Cindy Krause noch zu jung. Heute wohnt sie mit ihrem Mann und ihrer Tochter auf dem Raschelberg. Die junge Familie ist gerade frisch aus dem Urlaub zurück. „Wir haben von der Ausstellung in der Zeitung gelesen und dachten, wir nutzen die Chance gleich“, sagt Cindy Krause. Während Töchterchen Matilda durch die Regalreihen huscht, schauen sich Cindy Krause und ihr Mann Kai die Pläne an. „Ich bin überrascht, dass sich gleich fünf Investoren bewerben“, sagt sie. Ein DM-Drogeriemarkt wäre schön, sagt sie: „Und ein Spielplatz“, fügt sie hinzu. Bei der Befragung mitzumachen, sei für die Familie selbstverständlich. „Wenn es die Möglichkeit gibt, dann sollte man sich auch beteiligen“, sagt die junge Mutter.

Einen Nutzen von der Schau soll auch die Bibliothek selbst haben: „Es wäre natürlich schön, wenn wir so auch den einen oder anderen Leser gewinnen könnten“, sagt Rathaussprecher Matthias Weigel. Die Idee ist diese Woche schon einmal aufgegangen: „Es hat sich tatsächlich schon ein neuer Nutzer angemeldet, nachdem er eigentlich hergekommen war, um sich die Pläne anzusehen“, berichtet Weigel.

Im Laufe der kommenden Wochen sollen die Konzepte der Investoren auch auf der Internetseite der Stadt veröffentlicht werden, so wie auch der Fragebogen, den die Freitaler ausgefüllt per Post, Fax oder E-Mail zurücksenden können.