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Freital löst seine unterirdischen Probleme

Mit Millionen Euro werden die Schwachstellen im Kanalnetz beseitigt. Damit das klappt, sind auch die Freitaler gefragt.

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© Karl-L. Oberthür

Von Tobias Winzer

Freital. Würde man das Freitaler Kanalsystem mit einem Straßennetz vergleichen, dann wäre das, was sich hier zwei Meter unter der Erde befindet, so etwas wie eine Hauptverkehrsstraße. Alles, was die Freitaler, die links und rechts der Weißiger Straße und der Lutherstraße wohnen, in der Toilette hinunterspülen, muss durch den etwa einen Meter starken Kanal. Weil das zuletzt nur noch schlecht geklappt hat, wird an der Ecke Umgehungsstraße/Lutherstraße gebaut. 281 000 Euro gibt die Stadt dafür aus. Es ist das derzeit prägnanteste Beispiel dafür, wie Freital seine unterirdischen Probleme angeht.

„Wir liegen mit den Arbeiten im Zeitplan“, sagt der Chef des städtischen Abwasserbetriebes Daniel Hartig. Am 23. September, so die Vorgabe, sollen der Bau und die Behinderungen für Autofahrer und Fußgänger beendet sein. Das Vorhaben ist nötig, weil an der Stelle ein kleines Rohr auf ein großes folgte. Bei heftigen Regenfällen staute sich deshalb das Wasser. Regelmäßig wurden Gullydeckel aus ihrer Verankerung gehoben. Hinzu kam, dass sich die Rohre im Laufe der Jahre so verschoben hatten, dass das Wasser einen Teil der Strecke bergauf fließen musste. Auch das führte zu Rückstau. Auf einem Abschnitt von 100 Metern werden deshalb nun die Rohre ausgetauscht. Künftig sorgt hier eine 90 Zentimeter starke Leitung für Durchfluss.

Solche Schwachstellen gibt es einige in Freital – kein Wunder bei 250 Kilometern Länge des Kanalnetzes. In den Leitungen wird all das befördert, was in der Toilette landet, was durch den Abfluss der Waschbecken geht oder was in die 9 000 Gullys der Stadt gespült wird. Manche Rohre sind nur 15 Zentimeter, andere bis zu 1,90 Meter hoch. Alle Kanäle führen zu den beiden Hauptsammlern links und rechts der Weißeritz. In den mannshohen Kanälen wird das Abwasser nach Dresden zur Kläranlage Kaditz transportiert. Drei Millionen Kubikmeter schickt Freital so jedes Jahr in die große Nachbarstadt – und zahlt dafür 2,5 bis drei Millionen Euro.

Während in den vergangenen zwei Jahrzehnten viel Geld für den Ausbau des Freitaler Kanalnetzes investiert wurde und das System allein seit 1990 um 180 Kilometer wuchs, will sich der Abwasserbetrieb nun auf den Bestand fokussieren. „Wir konzentrieren uns auf die Schwachstellen“, erklärt Hartig. Die sind zum einen durch das Alter der Kanäle bedingt. Ein Fünftel des Kanalnetzes ist älter als 1960. „Es gibt aber auch alte Kanäle, die noch tadellos funktionieren“, so Hartig. Zum anderen führt die Lage der Leitungen zu Problemen – so wie an der Umgehungsstraße. Oder wie an der Ecke Poisentalstraße/Am Hexenberg. Hier waren die Rohre so verbaut, dass das Abwasser, das vom Hexenberg hinunterkam, im rechten Winkel auf das Abwasser unter der Poisentalstraße traf. Bei Starkregen kam es zu Rückstau. Jetzt wurden die Leitungen so gebaut, dass der Zusammenfluss sanfter erfolgt – wie bei einer Einfädelspur auf der Autobahn.

Rund eine Million Euro gibt der Abwasserbetrieb pro Jahr insgesamt aus, um das Kanalnetz in Schuss zu halten. „Das Kanalnetz ist in einem guten Zustand“, so Hartig.

Sorgen bereiten ihm aber zunehmend die Dinge, die die Freitaler in den Toiletten hinunterspülen oder einfach in Gullys werfen. Über ein Portemonnaie oder große Eisenstangen, die schon gefunden wurden, können er und seine Mitarbeiter vielleicht noch lachen. Zu ernsten Problem hingegen werden hingegen vor allem Feuchttücher. Während sich Toilettenpapier relativ schnell zersetzt, sind die Tücher mit den langen Kunststoff-Fasern deutlich beständiger. Sie setzen sich zum Beispiel in die Pumpen, mit denen das Abwasser an 19 Stellen in Freital entgegen der Schwerkraft transportiert werden muss. Schon mehrfach mussten Pumpen, die 10 000 Euro pro Stück kosten, deswegen ausgetauscht werden. „Das ist ärgerlich, weil letztlich alle darunter leiden“, so Hartig. Die Reparaturkosten würden auf die Abwassergebühren umgelegt.

Folgen des Klimawandels spürbar

Der Chef des Abwasserbetriebes ärgert sich auch über Menschen, die einfach Essenreste ins Klo kippen. „Dann muss man sich nicht wundern, dass wir Ratten im Kanal haben.“ Neulich entdeckten seine Mitarbeiter auch einen Schacht, der zugekleistert war mit Zement. Offenbar hatte jemand die Reste einer Baustelle entsorgt. Aufwendig musste der Zement wieder entfernt werden. „Wenn wir diejenigen ausfindig machen können, die so etwas tun, stellen wir die Kosten in Rechnung“, so Hartig. Im konkreten Fall sei man aber nicht fündig geworden. „Das Problem ist, dass man es natürlich auch sauber nachweisen muss.“

Doch nicht nur unachtsame Nutzer bringen das Kanalsystem an oder über die Belastungsgrenze. Auch der Klimawandel ist immer deutlicher zuspüren. „Wir merken ganz klar, dass die Starkregenereignisse zunehmen“, sagt Hartig. Deswegen sei es wichtig, solche Schwachstellen wie an der Umgehungsstraße zu beseitigen – und Regenrückhaltebecken zu bauen. Ein solches ist zum Beispiel für die Erweiterung des Technologieparks geplant. „Wenn irgendwo gebaut wird, können nicht alle Kanäle, die anschließend im Netz liegen, vergrößert werden“, erklärt Hartig. „Man muss die Wassermassen puffern.“