Merken

Freispruch oder lebenslänglich?

Staatsanwalt und Verteidigung haben im Aladin-Prozess ihre Plädoyers verlesen. Das Urteil fällt am 8. Dezember.

Teilen
Folgen
© Robert Michael

Von Maria Lotze

Die Beweisaufnahme ist geschlossen, zum zweiten Mal. Das Schicksal von Ayman E. liegt nun in den Händen von Richterin Birgit Wiegand und der beiden Schöffen, die das Berufungsverfahren um den Angeklagten im Mordfall Jamal Al Mortada am Landgericht in Dresden begleitet haben. Am 1. November 2011 ist der Libanese in seinem Döbelner Bistro Aladin erschossen worden. Verdächtigt wird Ayman E., der seit März 2012 in Untersuchungshaft sitzt. Das Landgericht Chemnitz hatte ihn im März 2013 bereits wegen Beihilfe zum Totschlag zu fünf Jahren Haft verurteilt.

Was genau hat sich am 1. November wirklich abgespielt?

Was sich genau am Abend des 1. November 2011 abgespielt hat, ist auch vor dem Landgericht Dresden unklar geblieben. Fest steht, dass Ayman E. abends einen Freund im Asylbewerberheim besucht hat und anschließend mit ihm in einer Spielothek gewesen ist. Zu welcher Zeit sich Ayman E. wo befunden hat, blieb offen. So, wie der Angeklagte es dargestellt habe, sei es nicht gewesen. „Die Abfolge ist widerlegt. Der Angeklagte hatte Zeit für die Schüsse“, sagt Staatsanwalt Stephan Butzkies.

Welches Motiv könnte Ayman E. für den Mord gehabt haben?

Auf die Frage, warum Ayman E. Mortada ermordet haben soll, finden sowohl Staatsanwalt Butzkies als auch Dr. Oliver Minkley, Anwalt der Nebenklage, keine richtige Antwort. Ein Motiv für den Mord habe wohl eher Marwan H., ein Freund des Angeklagten, gehabt, so Butzkies. Marwan H., der sich im Irak aufhält, hatte offenbar eine Affäre mit der Freundin des Opfers und mit diesem Streit um den Autohandel, den Mortada in Döbeln betrieb. Minkley weist einen Mord aus Habgier nicht ganz von der Hand, da Ayman E. über den Autohandel auch Geld verdiente.

Wie glaubwürdig sind die befragten Zeugen?

Unmittelbare Zeugin der Tat war die Mitarbeiterin im Aladin-Imbiss. Ihre Beschreibung des Täters passt nicht auf den Angeklagten. Staatsanwalt und Nebenklage bezweifeln, dass die Beschreibung zutreffend ist. Die Aufmerksamkeit der Frau sei auf die Waffe gerichtet gewesen, in deren Mündung sie geschaut habe, sagt Dr. Oliver Minkley. Für Verteidiger Enrico Brand ist die Schilderung der Mitarbeiterin ein Argument für die Unschuld seines Mandanten. „Die Frau kennt den Angeklagten. Sie schließt aus, dass er es gewesen ist.“ Auch ein Paar, das am Tatabend den vermeintlichen Täter hat flüchten sehen, erkannte Ayman E. nicht wieder.

Fraglich ist, wie glaubwürdig der Hauptbelastungszeuge Achmed S. zu bewerten ist. Gegenüber dem Gericht gab er an, mit Ayman E. eine Waffe gekauft zu haben. Zudem habe er den Angeklagten dabei beobachtet, wie er die Mütze zurechtgeschnitten hat, die der Täter getragen hatte. Am Tatabend war er mit Marwan H. unterwegs. Etwa zwei Wochen nach dem Mord sei er von Ayman E. bedroht worden. Der verteidigt sich damit, zu dem Zeitpunkt im Irak gewesen zu sein. Staatsanwalt und Nebenanklage halten Achmed S. für glaubwürdig, auch wenn er in der ersten Vernehmung, bevor Ayman E. in Haft war, nicht die Wahrheit gesagt hat. Verteidiger Brand geht davon aus, dass S. lügt.

Warum sind Spuren von Ayman E. auf der Mütze des Täters?

Belastend für den Angeklagten ist eine dunkle Mütze, die der Täter während des Mordes getragen hat. Gefunden wurde diese in dem Fiat Punto von Marwan H., der mit geöffnetem Fenster am 1. November vor dem Bistro Aladin stand. Die Sachverständigen haben an der Mütze, vor allem im Bereich Auge, Mund und Nase, DNA-Spuren von Ayman E. gefunden. Er habe die Mütze im Oktober einmal nachts über das Gesicht gezogen, als er im Auto übernachtet habe, erklärt der Angeklagte die Spuren. Dr. Oliver Minkley kann das nur schwer nachvollziehen. Laut Verteidiger Brand sei es möglich gewesen, dass jemand die Mütze nach der Tat in das Auto geschmuggelt hat, um Ayman E. den Mord anzuhängen. Gegen den Angeklagten spricht allerdings, dass der Täter nach Zeugenaussagen weiße Schuhe der Marke Nike getragen haben soll. Solche, wie sie Ayman E. auch besitzt.

War die Pistole aus der Mulde wirklich die Tatwaffe?

Neun Tage nach dem Mord fand die Polizei in der Freiberger Mulde eine Waffe. Ob es sich dabei um die Tatwaffe handelt, ist unklar. Bei einer Untersuchung wurden keine Spuren an der Pistole gefunden. Offen blieb auch, ob es sich dabei um die Waffe handelt, die Ayman E. mit Marwan H. und Achmed S. angeblich in Tschechien gekauft haben soll. Brand bezweifelt das aufgrund der Angaben, die S. zu der gekauften Pistole gemacht hat.

War Ayman S. Täter, Mittäter oder ist er unschuldig?

Am Ende des zweiten Prozesses sind sich Staatsanwalt Stephan Butzkies und Dr. Oliver Minkley einig: Ayman E. hat die Tatwaffe besorgt, die Maske zurechtgeschnitten, mit der Waffe geübt und nach der Tat Achmed S. bedroht. Der Angeklagte war an der Tat nicht nur aktiv beteiligt, sondern selbst der Mörder. Dafür soll er in Haft, lebenslänglich. Verteidiger Enrico Brand beteuert hingegen die Unschuld seines Mandanten. Kein Zeuge habe ihn als Täter identifiziert und die Aussagen einiger Zeugen seien zudem nicht glaubhaft. Er fordert Freispruch. Auch der Angeklagte betont in seinem Schlusswort seine Unschuld. „Wenn ich den Mord begangen hätte, warum bin ich dann aus dem Irak zurückgekommen und habe mit der Polizei geredet. Ich habe niemanden getötet. Suchen Sie den Täter. Ich habe Familie.“