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Freigeist mit ruhiger Hand

Janine Kretschmer hat einen seltenen Beruf, sie ist Porzellanmalerin. Zum Kunsthandwerks-Tag zeigt sie ihre Werkstatt in Görlitz.

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© nikolaischmidt.de

Von Susanne Sodan

Auf den ersten Blick wirkt die Werkstatt von Janine Kretschmer vielleicht wie eine Töpferei. Die hohen Regale sind vollgestellt mit weiß-beigem Geschirr. Teller stapeln sich, Tassen daneben, große und kleine Vasen, eine Kuchenplatte. Einen Brennofen gibt’s auch. Und eine Drehscheibe. Aber diese Metallscheibe ist im Durchmesser viel zu klein, um eine Töpferscheibe zu sein. Und Ton ist auch nicht zu sehen. Dafür liegen auf einem Tisch neben der Drehscheibe Pinsel und Farbenkästen. „Sehen aus, als wären es Wasserfarben für Kinder, nicht?“, sagt Janine Kretschmer. Tatsächlich sind es Spezialfarben. Solche, die die 1000 Grad Celsius im Brennofen aushalten. Janine Kretschmer ist Porzellanmalerin, ausbildet an der Staatlichen Porzellanmanufaktur Meißen. Seit drei Jahren ist sie zurück in Görlitz, betreibt die Keramikmalstube am Grünen Graben. Zum ersten Mal ist sie bei den Tagen des Kunsthandwerkes dabei. Am Sonntag öffnet sie nicht nur ihr Geschäft, sondern auch die Tür zur Werkstatt. Kinder, aber auch Erwachsene, können selber die Pinsel zur Hand nehmen.

Janine Kretschmer stammt aus Görlitz, ging hier zur Schule. Malen, erzählt sie, konnte sie schon immer gut. Dass es wirklich so ist, die Bestätigung bekam sie, als sie sich nach der Schulzeit in Meißen anfing. Wie viele sich damals, 2002, für die Ausbildung zum Porzellanmaler beworben hatten, kann sie heute nicht mehr sagen. „Jedenfalls wurden von allen Bewerbern 15 zu einem Einstellungskurs eingeladen“, erinnert sie sich. Von denen wiederum wurden im Jahrgang 2002 nur sechs für die dreieinhalbjährige Ausbildung angenommen. Janine Kretschmer war eine von ihnen. Nach der Ausbildung ging sie nach Heidelberg und arbeitete mehrere Jahre in der dortigen Keramikmalstube. Als die Gründerin des Geschäftes sich nach rund 30 Jahren zurückziehen wollte, übernahm Janine Kretschmer das Geschäft. 2010 war das. Zunächst blieb Janine Kretschmar in Heidelberg, vor drei Jahren aber zog es sie nach Görlitz – mit der Keramikmalstube.

Es gibt in ihrem Görlitzer Geschäft ein einziges Stück mit den gekreuzten Meißner Schwertern, zur Erinnerung. Aber man muss suchen, um es zu entdecken. Hinterm Tresen im Verkaufsraum hängt eine Keramikfliese an der Wand. Goldrand, die Schwerter und eine Rose aus unzähligen feinen Linien und Schattierungen. Heute macht Janine Kretschmar ihre eigene Sache, ohne Schwerter, aber das Grazile ist geblieben. In Görlitz ist gerade Geschirr mit kleinen stilisierten Pusteblumen beliebt, erzählt sie. Es sind aber auch sehr aufwenige Stücke dabei, darunter eine Tasse mit einem Porträt vom Marylin Monroe. Und zum Beispiel eine Tasse mit einem großen Chamäleon. Schaut man genau hin, erkennt man, dass die Malerei aus Hunderten, vielleicht gar Tausenden feiner Striche, Linien und Punkte besteht. Selbst der schmalste Pinsel scheint dafür zu grob zu sein. Die Porzellanmalerin schüttelt den Kopf. „Ach, das geht“, sagt sie. „Wenn Wasser an den Pinsel kommt, ist er noch spitzer.“ Drei Arten der Porzellanmalerei gibt es, erklärt sie: Man malt unter die Glasur, also bevor die Keramik glasiert wird, man malt über die Glasur, oder man malt in die Glasur. Letzteres, In-Glasur-Malerei, sei das technisch Aufwendigste. Es ist das, was Janine Kretschmer macht. Das meiste des Geschirrs liefert ihr ein Töpfer, im Rohzustand. „Den ersten Schrühbrand hat die Keramik schon hinter sich“, erklärt sie. Bei ihr in der Werkstatt bekommen die Stücke ihre Glasur, dann die Farbe, danach geht die Keramik in den Ofen, bei 1 200 Grad. Durch die spezielle Technik bilden Farbe und Glasur am Ende eine Ebene.

Kunstfertigkeit ist, was der 32-Jährigen liegt. „In die Selbstständigkeit zu gehen, ist mir dagegen nicht so leicht gefallen. Die Disziplin, die man dafür braucht, musste ich lernen“, erzählt sie. Heute hat die Keramikmalstube ihre Kunden in erster Linie in Deutschland, es kamen aber auch schon Aufträge aus den USA, Japan, Australien, Frankreich, aus der Schweiz und Luxemburg. Janine Kretschmer arbeitet aber nicht nur in ihrem Geschäft, sondern auch viel an Schulen. Für die Ganztagesangebote von zwei Görlitzer und einer Reichenbacher Schule gibt sie Kurse. „Mein Eindruck ist, dass Kinder heute schon einen ziemlich vollen Zeitplan haben“, sagt sie. „Bei mir können sie abschalten und einfach kreativ sein.“ Als Außenstehender hat man Angst, man könnte zwischen all den zerbrechlichen Dingen in ihrem Geschäft etwas kaputt machen. Aber für Janine Kretschmer ist es anders. Porzellanmalerei steht für sie für Freigeist. „Die Kinder sollen bei mir auch mal die Seele baumeln lassen.“ Das gilt auch fürs Wochenende.