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Freie Fahrt in den Süden

Mit einer Wendeschleife endete vor 25 Jahren der Bau einer neuen Straßenbahntrasse nach Weinhübel.

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© Rainer Kitte

Von Ralph Schermann

Görlitz. Es war der 7. Dezember 1991, als erstmals die Straßenbahn wieder ihren Linienbetrieb bis zur Endstelle Weinhübel aufnahm. Diese Endstation war neu, nicht nur ihr Standort. Erstmals konnten nun Einrichtungs- und Gelenkzüge in den Görlitzer Süden fahren, denn eine neue, großzügige Wendeschleife macht seitdem das bisherige Hänger-Umkuppeln überflüssig.

21. Oktober 1987: Das Gleis folgt nicht mehr der Zittauer Straße, sondern wird auf die neue Trasse umgeschwenkt.
21. Oktober 1987: Das Gleis folgt nicht mehr der Zittauer Straße, sondern wird auf die neue Trasse umgeschwenkt. © Ralph Schermann
21. November 1987: Für die Strecke nach Weinhübel wird ab Depot der neue Fahrdraht montiert.
21. November 1987: Für die Strecke nach Weinhübel wird ab Depot der neue Fahrdraht montiert. © Ralph Schermann

Viele Reden gab es zur Eröffnung, doch auch von alten Zeiten wurde unter den Zuschauern geschwärmt: Die Älteren erinnerten an die einstige Linie nach Weinhübel, die am Sonnenland noch Station machte und bei der wegen des nur in einer Richtung möglichen Ausstiegs zur Fahrbahn gelegene Türen zwischen Weinhübel und Haus der Jugend verschlossen wurden.

Alles Geschichte. Die alte Strecke nach Leschwitz (ab 1936 Weinhübel) wurde am 7. August 1930 eingeweiht. Die Linie 1 verlief vom Schützenhaus weiter den Weinberg hinunter, vorbei am „Zeltgarten“, immer weiter die Zittauer Straße entlang bis zur Endstation am Schweizerhaus. Auch nach 1945 fuhr die Linie 1 von dort nach Rauschwalde. Eingesetzt wurden Triebwagen mit Fahrerkabinen in beiden Richtungen (Zweirichtungsfahrzeuge). Lieferungen neuer Bahnen brachten in den 60ern aber Wagen mit Führerständen nur in einer Fahrtrichtung nach Görlitz. Dafür wurden die Wendeschleife Virchowstraße und das Gleisdreieck Biesnitz gebaut. Die Linie 1 indes behielt ihre einfachen Endstellen zum Umkuppeln der Hänger. Ein Umbau beschränkte sich auf die Verlegung nötiger Gleise für das Umsetzen der Triebwagen an die andere Anhängerseite vom Straßen- in den Gehwegbereich. Denn man fuhr auf Verschleiß, hatte schon eine Stilllegung in Sicht, wie sie für Rauschwalde seit Jahren traurige Realität ist. Tatsächlich fuhr auch auf der alten Strecke nach Weinhübel am 23. Mai 1982 letztmals eine Straßenbahn. Für das neue Linienende entstand eine kleine Wendeschleife an der Einmündung Zittauer- und Goethestraße. Fortan begann und endete die Linie 1 genau dort, während den Weinberg hinunter Busse fuhren. Dann aber fiel dank steigender Öl- und damit Kraftstoffpreise doch eine Entscheidung zugunsten des Erhalts der Straßenbahn in Görlitz, und eine neue Trasse eroberte sich Schritt für Schritt den südlichen Görlitzer Stadtteil zurück.

Die neue Strecke verlief nicht mehr an der Böschungsseite zum Sonnenland, sondern in der Mitte der Zittauer Straße auf einem gesonderten Bahnkörper. Diese eingleisige Neubautrasse schwenkte dann kurz vor dem „Zeltgarten“ in das Wohngebiet hinein, was mit einer Verkehrsampel geregelt wurde. Damit verschwand die Straßenbahn von der Bundesstraße, auf der sie es am Ende der bisherigen Strecke ohnehin schon immer schwerer gehabt hatte.

Im Herbst 1987 war die Strecke den Weinberg hinab fertig, und im Dezember schließlich wurde die Haltestelle Weinhübel-Nord übergeben. Heute heißt diese Erich-Weinert-Straße. Dort sollte dann für mehrere Jahre die provisorische Endstation sein. Während die Görlitzer Linie 1 nun zwischen Haus der Jugend und Königshufen fuhr, wurde mit Solo-Wagen als Linie 5 zwischen Weinhübel-Nord und Königshufen gefahren. Insgesamt standen für die damals fünf Görlitzer Straßenbahnlinien 22 Trieb- und 22 Beiwagen zur Verfügung.

Weitergebaut an der neuen Weinhübler Straßenbahnlinie wurde nur langsam. Innerhalb der Wohnbebauung ging es dabei auch an der Ladenstraße entlang, wo eine kurze zweigleisige Ausweich- und Begegnungsstrecke eingebaut wurde. Im Mai 1989 endete die Linie in Weinhübel-Mitte, und schließlich ging am 7. Dezember 1991 die komplette Trasse einschließlich der neuen Wendeschleife nahe dem Deutsch-Ossig-Ring in Betrieb. Die Linie 1 fuhr wieder nach Weinhübel. Diese Liniennummer gibt es in Görlitz nicht mehr. Die Straßenbahn nach Weinhübel aber rollt weiter.