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Frauenpower für Seidnitzer Stadion

Die Anlage an der Bodenbacher Straße soll nach Speerwerferin Luise Krüger benannt werden. Das gefällt nicht jedem.

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© Christian Juppe

Von Nora Domschke

Ihr Speer flog 43,29 Meter weit. Der dritte Wurf an diesem 2. August 1936 sollte ihr größter sportlicher Erfolg werden – die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Berlin. Zwei Jahre zuvor hatte sich Luise Krüger im Speerwurf schon den Meistertitel gesichert, 1941 und 1942 siegte die junge Dresdnerin im Fünf-Kampf. „Sie war ein großes Talent, und das gleich in mehreren Sportarten“, erinnert sich ihr Neffe Jürgen Krüger. Der 77-Jährige freut sich, dass seine Tante nun posthum geehrt werden soll. In ihrer Heimatstadt, mit der die Cottaerin ein Leben lang eng verbunden war.

drs SZ Lokales Sportanlage Bodenbacher Straße soll umbenannt werden, Repros. Fotograf: Christian Juppe, Foto ist honorarpflichtig    Foto: Christian Juppe / /
drs SZ Lokales Sportanlage Bodenbacher Straße soll umbenannt werden, Repros. Fotograf: Christian Juppe, Foto ist honorarpflichtig Foto: Christian Juppe / / © Christian Juppe

Es geht um die Benennung des Sportstadions an der Bodenbacher Straße. Es ist einer von mehreren Vorschlägen der SPD-Stadtratsfraktion, Dresdner Sportstätten einen Namen zu geben oder sie umzubenennen. Nach Sportlern aus der Landeshauptstadt. Auf der Liste stehen neben dem Stadion an der Bodenbacher Straße auch die neuen Schwimmhallen in Bühlau und an der Freiberger Straße und das Dynamo-Stadion. Als Ursula Steiner von dem SPD-Antrag erfuhr, war sie von der Idee sofort angetan. Die 82-jährige Dresdnerin hat viele Jahre bei Luise Krüger trainiert. Nach ihrer aktiven Zeit als Leichtathletin arbeitete Krüger viele Jahre als Sportlehrerin an der Technischen Hochschule. „Ich kann mich noch genau an unser erstes Treffen erinnern“, sagt Ursula Steiner, die 1952 gerade ihr Biologiestudium begonnen hatte. Damals gab es noch einen Sportplatz am Zelleschen Weg, dort, wo heute die Universitätsbibliothek steht. „Luise trug ein weißes Hemd, kam lachend auf mich zugelaufen und sagte: Ich bin die Lies“. Die Chemie zwischen den beiden Frauen – Luise war Mitte 30, Ursula 17 Jahre alt – stimmte von Anfang an. „Sie war ein herzlicher Mensch, den einfach jeder gut leiden konnte.“ Bis zu ihrem Tod im Juni 2001 verband die Dresdnerinnen eine Freundschaft. „Als ich Lies einmal in ihrer Cottaer Wohnung besuchte, hat sie mir ihre Silbermedaille gezeigt. Das war schon beeindruckend.“ Luise Krüger war stolz auf diesen Erfolg: Als ihr Wohnhaus neben dem Cottaer Rathaus am 13. Februar 1945 ausgebombt wurde, trug sie die Medaille um den Hals.

Sport war alles für sie. Eines ist Ursula Steiner aber besonders im Gedächtnis geblieben: „Sie war zielstrebig, aber nie ehrgeizig.“ Luise Krüger habe sich als Lehrerin auch mit jenen Mädchen intensiv beschäftigt, deren Talent nicht für eine große Leichtathletik-Karriere reichte. „Sie lebte einfach für den Sport“, sagt auch ihr Neffe Jürgen Krüger. Sie habe die Menschen dafür begeistern wollen – unabhängig von den Erfolgsaussichten. Das klappte auch bei ihrem Neffen, dem sie vor 62 Jahren einen Tennisschläger schenkte. Bis heute ist diese Sportart seine Leidenschaft.

Luise hingegen sei ein Multitalent gewesen: Sie beherrschte neben den Disziplinen der Leichtathletik unter anderem auch Faustball und Hockey. Auch am Skihang machte sie wohl eine gute Figur. „Nur mit dem Schwimmen hatte sie ihre Probleme“, ergänzt Ursula Steiner schmunzelnd.

Gut, dass ihr Name nun für ein Stadion stehen soll, in dem sich fast alles um die Leichtathletik dreht, findet sie. Allerdings gefällt das nicht jedem. Etwa beim Turn- und Sportverein Dresden, dem Hauptnutzer der Anlage. Gert Kunze ist Abteilungsleiter für Leichtathletik, Sieghard Stricker Cheftrainer. Beide stören sich nicht daran, dass Philipp Müller, der bislang eher inoffiziell dem Stadion seinen Namen verlieh, kein Dresdner Sportler war. Der westdeutsche Kommunist wurde 1952 erschossen, als er in Essen gegen die Wiederbewaffnung der deutschen Armee demonstrierte. „Müller erinnert an die Geschichte des Areals“, sagt Stricker. Bevor die Sportstätte gebaut wurde, nutzten Nazis, später die Russen das Grundstück als Internierungslager. Bis vor wenigen Jahren standen sogar noch Baracken aus dieser Zeit.

Die beiden Diktaturen haben auch im Lebenslauf von Luise Krüger ihre Spuren hinterlassen. Als Ursula Steiner im Sportausschuss über ihre Zeit mit „Lies“ sprach, wurde sie nach deren Gesinnung gefragt. Schließlich gibt es zahlreiche Fotos, die sie 1936 im Berliner Olympiastadion Seite an Seite mit Adolf Hitler zeigen. Ihr Neffe Jürgen Krüger schüttelt mit dem Kopf: „Luise war so was von unpolitisch.“ Zu DDR-Zeiten durfte sie nicht ins Ausland reisen – sie galt als nicht regimekonform. „Das alles spielte für sie keine Rolle.“

Ob ihr Name irgendwann wirklich einmal an der Sportstätte neben der Margonarena steht, wird letztlich der Stadtrat entscheiden. Jürgen Krüger würde sich über die späte Ehrung freuen. Und ein Frauenname für ein Stadion – das stünde Dresden sicher auch ganz gut zu Gesicht.