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Frauen unter Lasten

Am Kilimandscharo verlieren die Männer eine Domäne. Auch Frauen wollen jetzt an Afrikas höchstem Berg Geld im Alpin-Tourismus verdienen.

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© dpa

Von Ralf E. Krüger

Die Helden von Afrikas höchstem Berg nennen sich gerne „Wagumu“ – Soldaten, auf Suaheli. Am Kilimandscharo sind sie das, was die Sherpas im Himalaja sind: unermüdliche Lastenträger, die Gepäck und Ausrüstung der Bergsteiger aus aller Welt sicher durch Regenwald, Geröll- und Eisfelder in die Basislager bringen. Jahrzehntelang war es eine von Männern dominierte Welt. Nun drängen Frauen wie Veronica Fabiani Temu in die Männerbastion.

„Ich stand nach der Geburt meiner Zwillinge allein da und brauchte dringend Geld“, sagt die 34-Jährige aus Arusha. Vor fünf Jahren war sie noch eine Art Trendsetter. „Viele waren sehr verwundert über meinen Beruf, auch meine Familie“, erinnert sie sich und meint: „Ich war ein Exot.“

Inzwischen wird die Zahl der weiblichen Träger in der Tourismusindustrie am Kilimandscharo auf mehrere Dutzend geschätzt. „Die meisten sind auf der Marangu-Route zu finden, die ist nicht ganz so schwierig“, sagt Peter Jackson. Der Bergführer aus der Stadt Moshi kennt einige von ihnen. „Sie wurden anfangs ein wenig belächelt, haben sich dann aber schnell durch ihre Leistungen Respekt verschafft“, erklärt sein Kollege Joshua Mwakalinga.

Der 59-Jährige hat noch die Tage erlebt, als zur Jahrtausendwende die ersten Frauen als Trägerinnen am Berg auftauchten – oft aus existenzieller Not. Trägerinnen stießen bei ihren männlichen Kollegen auf Skepsis. „Die wurden von den männlichen Trägern geradezu verachtet. Sie standen in der Hierarchie an letzter Stelle, galten als leichte Mädchen und gescheiterte Frauen – weil sie keinen Mann haben, der sie versorgt“, erinnert sich die Unternehmerin Tina Voß aus Hannover, die sich 2010 ihren Traum einer Kili-Besteigung erfüllte.

Veronica Temu hat diesmal die 24-jährige Yohana Tumaini an ihrer Seite. Es ist deren fünfter Aufstieg, seit sie das Gymnasium in Arusha beendet hat. „Mein Bruder ist Bergführer, da lag der Schritt nahe“, sagt sie. Sie würde gerne studieren, doch dafür reicht das Geld noch nicht. Zumal es für den harten Knochen-Job am Berg nur miserablen Lohn gibt.

„Kleinere Firmen zahlen fünf bis sieben Dollar pro Tag, größere 12 bis 15“, sagt die Tansanierin. Dafür balanciert sie wie die männlichen Kollegen leichten Schrittes Zelte, Gaskocher, Rucksäcke, Klappstühle oder komplette Camping-Toiletten den Berg rauf und runter. Die Frauen müssen schnell und ausdauernd sein. Wenn die Touristen im Lager ankommen, muss alles aufgebaut sein. Einen Blick für die Schönheit des Berges haben die Träger nicht mehr. Viele von ihnen haben den Berg schon mehrere Hundert Mal bestiegen.

Es sind jährlich Zehntausende Touristen, die es durch die Mondlandschaften des Kilimandscharos zieht. Zwar gehört er mit 5 895 Metern über Meeresspiegel nicht zu den höchsten Bergen. Aber der Vulkan ist der größte frei stehende Berg der Welt – und ohne alpine Erfahrung zu besteigen.

Während für die Touristen mit Blick auf die Akklimatisierung das Motto „Pole, Pole“ lautet – der Suaheli-Begriff für „langsam“ – gilt für Träger das Gegenteil. Aber auch ihnen fällt das Atmen schwerer, je höher sie kommen. Immer wieder sitzen einige von ihnen erschöpft auf Felsbrocken, um trotz eiskalten Windes zu verschnaufen. „Sie sind die wahren Helden des Berges“, sagt Bergführer Mwakalinga. (dpa)