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Frau Holle sagt tschüss

Die einstige Chefin des Miskus geht in den Ruhestand. Aber ganz kann sie es nicht lassen, bei der Kultur mitzumischen.

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© Dietmar Thomas

Von Cathrin Reichelt

Döbeln/Hainichen. Vorsichtshalber sind am Eingang des Festzeltes Päckchen mit Papiertaschentüchern gestapelt. Die braucht Regina Herberger auch. Immer wieder greift sie zu. „Nach außen eine große, starke Frau, innen ein Weichei“, sagt sie selbst. An diesem Nachmittag rollen die Tränen oft.

Viele kennen Regina Herberger aber vor allem als Frau Holle auf der Burg der Märchen in Kriebstein
Viele kennen Regina Herberger aber vor allem als Frau Holle auf der Burg der Märchen in Kriebstein © Archiv

Vor knapp einem Jahr hat sie den Posten des Geschäftsführers des Mittelsächsischen Kultursommers (Miskus) an Olaf Hanemann abgegeben. Jetzt geht sie in den Ruhestand – jedenfalls offiziell. „Die großen Dinge überlasse ich der neuen Führung. Die kleinen Perlen mache ich weiter“, sagt sie und holt wieder ein Taschentuch hervor. Die Frau Holle auf der Burg der Märchen in Kriebstein spielt jetzt eine andere. Auch in der Rolle der Eberhardine, der Kürfürstin an der Seite August des Starken war sie in ihrem Element.

Partner, mit denen sie in den vergangenen 22 Jahren zusammengearbeitet hat, stehen nicht nur Schlange, um sich persönlich von ihr zu verabschieden. Auch das Mikrofon wird von einem zum nächsten weitergereicht. Jeder der Redner findet andere Superlative für die Frau, die bis jetzt das Gesicht des Miskus war. Dabei sei es Zufall gewesen, dass sie dort gelandet ist. „Ich war damals nur zweite Wahl“, sagt sie. Irgendjemand habe sie gefragt, ob sie sich vorstellen könnte, ein bisschen Kultur zu machen. Dafür ließ sie ein Angebot sausen, in einem Landratsamt in Bayern zu arbeiten.

Die Redner sprechen von einer Frau mit Führungsqualitäten, Durchsetzungsvermögen, von einer Powerfrau mit Herzlichkeit und Mitgefühl, die aber auch ihre Meinung sagt, egal ob sie vor einem Oberbürgermeister oder dem Ministerpräsidenten steht. Und schon rollen die Tränen wieder. Regina Herberger ist es sichtlich unangenehm, so im Mittelpunkt zu stehen. Gleichzeitig freut sie sich über jeden Gast, der kommt. Sie geht ihm zur Begrüßung entgegen. Derweil fallen am Rednerpult Worte wie Sachlichkeit, Objektivität, Offenheit, Motivation. „Sie ackert wie ein Pferd, packt immer an“, meint Heribert Koßfeld, Vorstandsvorsitzender des Miskus. „Und ihr entgeht nichts.“ Selbst während der Feier fasst sie schnell zu, als ein Stapel Kaffeetassen abzustürzen droht.

Bevor sie selbst ans Mikrofon tritt, holt Regina Herberger tief Luft. Trotz, dass es ein Abschied ist, gebe es drei Neuheiten, sagt sie. „Noch nie war ich sprachlos, noch nie so aufgeregt, dass ich Beruhigungstee getrunken habe, und noch nie hat mich jemand bei so einer Sache mit einem Zettel gesehen.“ In der Nacht um Zwei sei ihr klargeworden, dass es nicht ohne gehe.

In den 22 Jahren sei sie jeden Tag gern zur Arbeit gegangen. Sicher habe sie lange an der Spitze gestanden. „Aber ohne seine Mannschaft ist der Kapitän nichts“, vergleicht sie ihren Job mit einer Schiffsfahrt. Ab und an versagt ihr beim Reden die Stimme. Auch als sie erklärt, dass sie diesmal nicht das letzte Mal von Bord geht. Ihrem Nachfolger Olaf Hanemann hat sie bereits einen Plan überreicht, wann sie in dieser Saison beim Miskus eingesetzt werden möchte – ab sofort ehrenamtlich.

Ihre Familie habe in all den Jahren oft zurückstecken müssen. „Ich bin froh, dass trotzdem etwas aus meinen Kindern geworden ist“, meint sie. Das, was sie bei ihnen versäumt hat, will sie nun an ihren Enkelkindern wieder gut machen. Die fordern immer mehr ihre Oma ein. Und wieder versagt die Stimme.