Merken

Franzosen in Görlitz sind gegen Le Pen

Sie hoffen auf Macron bei der Präsidentenwahl. Das hat auch mit der Görlitzer Partnerstadt zu tun.

Teilen
Folgen
© AFP

Von Anja und Sebastian Beutler

Mit Amiens pflegt Görlitz zwar eine Städtepartnerschaft, aber die Kontakte in die Picardie sind eher selten. Zuletzt reiste der Görlitzer OB Siegfried Deinege zu den Feierlichkeiten zum Kriegsende in die Normandie. Doch ab Sonntag könnte die Görlitzer Partnerstadt ein wenig neuen Glanz erhalten: Der aussichtsreiche Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron kommt aus Amiens, hat dort seine Kindheit und Jugend verlebt und seine Lehrerin später zu seiner Frau gemacht. Sie entstammt der Schokoladenfirma Trogneux in Amiens. Ginge es nach den Wählern aus dem Department Somme, dessen Hauptstadt Amiens ist, würde es allerdings nichts mit Macron. Denn sie stimmten im ersten Wahlgang mit 30 Prozent für dessen schärfste Herausforderin, die rechtspopulistische Marine Le Pen. Macron selbst kam in seiner Heimat nur auf 21,8 Prozent. Doch landesweit gilt er an diesem Sonntag als Favorit in der Stichwahl.

Auch Laure Teillet wird diesen Abend am Radio oder im Fernsehen verfolgen. Die junge Frau aus Besancon lebt seit einigen Jahren in Görlitz. Zum Studium kam sie damals an die Neiße und blieb. Nun ist sie als Übersetzerin, Touristenführerin und im Projekt- und Kulturmanagement tätig. Für sie ist die Entscheidung am Sonntag ziemlich einfach. „Ich kann nicht in Deutschland leben und gegen die EU stimmen“, sagt sie. Also favorisiert sie nun Macron, für wen sie im ersten Wahlgang stimmte, lässt sie offen. „Le Pen steht für die Meinung, dass Frankreich sich selbst genug ist, die EU nicht benötigt wird und der Euro auch nicht“, sagt sie. „Dabei müssen wir doch zusammenhalten, in guten wie in schlechten Zeiten. Das ist wie bei einer Ehe“, ist Laure Teillet überzeugt. Zwar hofft sie, dass am Sonntag Macron gewinnen wird, ganz sicher ist sie sich aber nicht. In dem ostfranzösischen Departement um ihre Heimatstadt lag Le Pen vor zwei Wochen knapp vor Macron.

Auch Thierry Baumgart beschäftigt der Sonntag. Der Elsässer ist vor 14 Jahren nach Görlitz gekommen und kocht seitdem im Hotel Tuchmacher im Herzen der Altstadt. Privat lebt er mit seiner polnischen Frau jenseits der Neiße im Nachbarland. „Ich bin auf alle Fälle für Europa“, sagt er. „Vor allem mit Blick auf die Gastronomie, auf die Ausbildung hält er einen Blick über den Tellerrand für unerlässlich. Der 53-Jährige hat bereits in Belgien, in der Schweiz und in Frankreich gelebt, gelernt und gearbeitet. Dass die Stimmung in Frankreich derzeit so gespalten ist, kann er verstehen. Die Terroranschläge hätten vieles verändert. Und Vorurteile – gerade auch bei den Älteren – gebe es in Frankreich ebenso wie in Deutschland und Polen. Seine Stimme abgegeben hat er nicht – auch wenn er das hätte tun können. So richtig den passenden Kandidaten gab es nicht, findet er. Marine Le Pens Anti-Europa-Kurs ist jedenfalls nichts für den Koch, auch wenn er die französische Politik aus der Ferne durchaus kritisch sieht. Aber ohne die EU wäre sein eigenes, rundweg europäisches Leben so nicht möglich gewesen. Aber womöglich liegen ja auch die Umfragen richtig, die einen Sieg Macrons mit 60 Prozent vorhersagen. Und vielleicht gönnt er sich auf den Sieg dann ein Macarons d‘Amiens, einen Doppelkeks. Für diese Spezialität ist die Schokoladenfirma Trogneux berühmt.