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Fragwürdige Schulkleidung

Bei Marken wie Thor Steinar greifen die Lehrer ein. Die Leiterin einer betroffenen Schule stellt aber etwas richtig.

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© Patrick Pleul/dpa

Von Dominique Bielmeier

Meißen. Wenn etwas nicht verboten ist, ist es dann automatisch erlaubt? Diese Frage müssen sich Lehrer und Schulleiter stellen, auch im Landkreis Meißen. Wie gehen sie damit um, wenn Schüler zum Unterricht in Kleidung fragwürdiger Marken wie Thor Steinar oder Fred Perry erscheinen? Verfassungsrechtlich sind diese Kleidungsstücke nicht bedenklich, Kenner wissen jedoch, dass sie ein fester Bestandteil der rechten Szene sind.

Vor allem Pullover oder Jacken von Thor Steinar tauchen immer wieder auch bei Neonaziaufmärschen auf. „Niemand, der das trägt, kann sich noch damit rausreden, das habe er nicht gewusst“, sagt Marlen Teuchert vom Flexiblen Jugendmanagement des Kreisjugendrings Meißen. Dass Thor Steinar mittlerweile einer Firma in Dubai gehört, spiele dabei keine Rolle. Die Marke sei in der Szene im Landkreis Meißen sowie in Dresden weit verbreitet, in der Landeshauptstadt gebe es auch einen Laden des Unternehmens.

Manuela Fuchs, Schulleiterin der Oberschule am Kupferberg in Großenhain, an der es Anfang November einen Vorfall gab, bei dem drei Schüler in Kleidung von Thor Steinar zum Unterricht erschienen sind, stellt am Donnerstag etwas richtig: Ein allgemeines Verbot bestimmter Kleidermarken stehe in keiner Hausordnung und in keinem Aushang der Schule. Es gebe auch keine Liste, in der bestimmte Marken verboten würden. Es habe aber ein konkretes Verbot gegen drei Schüler gegeben, von denen einer die anderen beiden vom Tragen der Thor-Steinar-Kleidung überzeugt habe. Nach Gesprächen mit den Eltern hätten die Schüler dann etwas anderes angezogen. „Seitdem hat es keine weiteren Vorfälle gegeben“, so Manuela Fuchs.

Zurzeit werde mit der Lehrerschaft diskutiert, ob ein Verbot in der Hausordnung wünschenswert wäre. Dazu müsste dann die Schulkonferenz, bestehend aus Lehrern, Eltern und Schülern, zustimmen.

„Ich fühle mich verpflichtet, an der Schule eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich kein Schüler ausgegrenzt fühlt, weil er rechten oder linken Parolen ausgesetzt ist“, schreibt die Schulleiterin auf der Homepage der Kupferberg-Schule. Wenn eine Grenze überschritten sei, so Manuela Fuchs, mache sie auch vom Hausrecht Gebrauch und bitte den betreffenden Jugendlichen, diese Kleidung abzulegen. „Das haben sie dann auch an dem Tag getan.“

Eine SZ-Umfrage an Schulen im Kreis ergibt ein homogenes Bild: Weder an der Oberschule Kötzschenbroda in Radebeul noch an der Pestalozzi-Oberschule oder dem Franziskaneum in Meißen hält die Schulordnung konkret fest, welche Kleidermarken nicht getragen werden dürfen. Jens Laetsch, stellvertretender Schulleiter des Gymnasiums, zitiert aus der Hausordnung, laut welcher der Besitz und die Weitergabe von verfassungsfeindlichen Symbolen und Gegenständen verboten sind. „Darunter verstehe ich auch Kleidung“, so Laetsch. Ein Schüler, der in Thor-Steinar-Kleidung zum Unterricht komme, werde von den Lehrern der Schule darauf angesprochen und – sofern er noch minderjährig ist – seine Eltern zum Gespräch geladen, sagt der Schulleiter.

Marianne Höher, stellvertretende Schulleiterin an der Oberschule in Kötzschenbroda, würde im Zweifelsfall auch bei der Polizei nachfragen, ob die Kleidung eines Schülers rechtlich fraglich ist. Grund zum Eingreifen bei Thor Steinar und Co. sehen alle befragten Schulleiter, auch wenn es in jüngster Vergangenheit an ihren Schulen nach eigener Aussage keine Vorfälle wie in Großenhain gab.

„Das einfach an einer Marke festzumachen, sehe ich aber kritisch“, ergänzt Jens Laetsch. „Es müsste eine Regelung einer übergeordneten Behörde geben. Ohne diese ist es schwierig, einer Marke einfach vorzuwerfen, verfassungsfeindlich zu sein.“

Uwe Dreske von der sächsischen Bildungsagentur erklärt dazu auf SZ-Anfrage: „Es gibt im sächsischen Schulgesetz keine spezielle Regelung zur Kleiderordnung an öffentlichen Schulen.“ Diese sei nicht zwingend erforderlich, da die Schulen entweder in ihrer Hausordnung oder im Einzelfall das Recht haben, Einschränkungen in der Kleiderwahl vorzunehmen, wenn sich daraus Störungen auf den Unterrichtsbetrieb ergeben.

Die Bildungsagentur unterrichte die Schulleiter anhand von aktuellen Beispielen in regelmäßigen Abständen über ihre Sichtweise und unterbreite Vorschläge zur weiteren Vorgehensweise.

Wie schnell sich der Zeitgeist bei den Marken ändern kann und wie schwer daher eine Beurteilung ihrer politischen Aussage ist, weiß Marlen Teuchert vom Flexiblen Jugendmanagement: Jugendliche, die eher dem linken Spektrum zuzuordnen sind, würden auch schon mal die als „rechts“ geltenden Marken Lonsdale oder Fred Perry tragen – um zu provozieren.