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Folterknechte in der Menge

Menschenrechtler schlagen Alarm: Unter Syriens Flüchtlingen sind offenbar Tausende Verbrecher des Assad-Regimes.

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© dpa

Von Martin Gehlen, SZ-Korrespondent in Kairo

Die schwedische Staatsanwältin Reena Devgun ist sich sicher. Der 31-jährige Mohammad Abdullah, der im Juli 2015 als Asylbewerber nach Skandinavien kam, ist in Wirklichkeit ein Kriegsverbrecher des Assad-Regimes. Er wurde kürzlich im Zentrum von Stockholm verhaftet und steht jetzt hinter verschlossen Türen vor dem Untersuchungsrichter – das erste Verfahren gegen einen mutmaßlichen Assad-Schergen, der sich unter die syrischen Flüchtenden gemischt hat.

Dem Verdächtigen auf die Spur kamen die schwedischen Ermittler durch Einträge und Fotos im Internet. Er gibt zu, in der Assad-Armee gekämpft zu haben, bestreitet aber, irgendwelche Untaten begangen zu haben. „Wir reden über einen einzigen Vorgang zwischen März 2012 und Juli 2015, aber wir sind bisher nicht in der Lage, den genauen Zeitpunkt und Ort der Tat zu bestimmen“, erklärte Staatsanwältin Devgun. Solche Verbrechen seien schwierig aufzuklären. Andererseits sei der Konflikt durch Fotos und Videos gut dokumentiert.

Schweden, Deutschland und Österreich haben in Europa bisher den Löwenanteil der Flüchtlinge aus dem Nahen Osten aufgenommen, darunter schätzungsweise 600 000 bis 700 000 Syrer. Und so befinden sich mittlerweile auch in deutschen Asylunterkünften zahlreiche Kriegsverbrecher – unter anderem in Hamburg, Köln, Karlsruhe, Dortmund, Rostock und Berlin. Die „Syrische Menschenrechtsliga“, deren Vorsitzender Abdulkarim al-Rihawi seit knapp einem Jahr in Frankfurt am Main lebt, hat der deutschen Polizei in den letzten Wochen vier Listen mit 150 Verdächtigen übergeben, die er und seine Kontaktleute in Syrien recherchiert haben. Die meisten sollen den gefürchteten Shabiha-Schlägertrupps des Regimes angehört, Massaker begangen, Gefangene hingerichtet oder Häftlinge zu Tode gefoltert haben.

Einer ist Jafaar B., der in Hamburg Asylantrag gestellt hat. Er soll am 5. Januar 2014 an dem Blutbad in der Kleinstadt Yalda südlich von Damaskus beteiligt gewesen sein. 20 junge Männer wurden vor den Augen ihrer Familien bei lebendigem Leibe verbrannt, 40 Frauen im Beisein ihrer Männer vergewaltigt. Muhammed T., der sich in einem Flüchtlingslager in Karlsruhe aufhält, ist einer der Schlächter auf den Folterfotos von Regimeopfern, die ein abtrünniger Fotograf des Militärgeheimdienstes von Damaskus per USB-Stick außer Landes schmuggelte.

Foto von 6 800 Leichen

Die Bilder zeigen 6 800 zu Skeletten abgemagerte Leichen. Getötete haben flächige, offene Wunden. Andere wurden durch Kopfschuss getötet, erdrosselt oder mit Stromstößen hingerichtet. Die Fotos des Überläufers mit dem Decknamen Caesar sind nach dem Urteil von Human Rights Watch „ausreichende Beweise für Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ des syrischen Regimes. Avo K. wiederum ist syrisch-armenischer Christ aus Aleppo und hält sich jetzt in Berlin auf. Als Mitglied in der sogenannten Jerusalem-Brigade posierte der 23-Jährige im Internet mit einer Maschinenpistole und drohte allen Assad-Gegnern die Hinrichtung an.

Syrische Aktivisten wie Abdulkarim al-Rihawi und Omar al-Khatib, der in Berlin auf seiner Website „Das sind Verbrecher, keine Flüchtlinge“ Beweise gegen kriminelle Asylbewerber dokumentiert, sprechen von mindestens 5 000 solcher Fälle in Europa, die Hälfte davon in Deutschland.

Die sogenannten Shabiha sind die brutalsten Schergen des Diktators und werden von zwei Assad-Cousins kommandiert. In ihren Reihen sind ehemalige Schwerkriminelle sowie Angehörige der alawitischen, aber auch der christlichen Minderheit. Auf ihr Konto gehen bestialische Gemetzel an der Zivilbevölkerung wie im Mai 2013 in Baniyas, wo mehr als 400 Männer, Frauen und Kinder ermordet worden waren.

Ihre alten Facebook-Seiten haben die untergetauchten Kriegsverbrecher mittlerweile gelöscht, auf denen sie stolz mit ihren Waffen vor Assad-Porträts oder inmitten von Ermordeten posieren. Viele tragen jetzt falsche Namen und haben falsche Pässe. Ihre Untaten streiten sie ab und posten nur noch Fotos, auf denen sie lächelnd in deutschen Kaufhäusern, Fußgängerzonen und Stadtparks zu sehen sind.