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Folgenschwerer Ausraster

Weil er keine Blutprobe abgeben wollte, trat und schlug ein Bad Gottleubaer Polizisten. Das Gericht kennt kein Pardon.

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© dpa

Von Yvonne Popp

Bad Gottleuba. Gewalt gegen Polizisten nimmt zu. Deshalb gelte es, die Rechtsstaatlichkeit zu schützen. Das sagte Richterin Simona Wiedmer bei einer Verhandlung am Amtsgericht Pirna. „Warum sollten die Einsatzkräfte sonst noch ihren Kopf hinhalten, wenn der Staat sie und ihre Arbeit nicht schützt?“, fragte sie den Angeklagten. Mit ihrem Urteil gegen einen 41-Jährigen aus Bad Gottleuba setzte sie schließlich ein deutliches Zeichen. Statt einer Geldbuße, wie von der Staatsanwaltschaft beantragt, verhängte sie eine achtmonatige Freiheitsstrafe gegen den Mann.

Verantworten musste sich dieser, nachdem er am frühen Morgen eines Novembertages im vergangenen Jahr vor einem beliebten Jugendtreff einen Unfall verursacht haben soll. Laut Staatsanwaltschaft war er beim Ausparken an einen anderen Wagen gestoßen und anschließend davon gefahren, ohne sich beim Halter zu melden. Nüchtern sei er dabei ebenfalls nicht gewesen, hatten Zeugen angegeben.

„Das allein ist schon ärgerlich genug, doch was danach passierte, ist das eigentlich Schlimme“, sagte die Richterin. Denn gegen die ermittelnden Polizisten hatte er sich massiv zur Wehr gesetzt. Er behauptete, nicht gefahren zu sein und lehnte einen Atemalkoholtest ab, so wie jede weitere Mitwirkung überhaupt. Er beschimpfte zwei Polizeibeamte, die ihn nachts nach der angeblichen Fahrerflucht in seiner Wohnung aufsuchten, mit Worten wie „Memmen“ und „Sechsklassenabgänger“. Auch als zwei weitere Polizisten eintrafen, entspannte sich die Lage nicht. Im Gegenteil. Sie eskalierte, als die Einsatzkräfte die angedrohten Zwangsmaßnahmen einleiteten, um den Beschuldigten in die Klinik zur Blutabnahme zu transportieren.

Während der bisher völlig unbescholtene Deutsche zum Prozessauftakt noch geschwiegen hatte, räumte er am zweiten Verhandlungstag sein Fehlverhalten ein. Lange Zeit, so erklärte er dem Gericht, habe er wegen eines Unfalls unter gesundheitlichen Problemen gelitten. Am Tag seines Ausrasters habe sich auch noch sein Kind einer schweren Operation am Kopf unterziehen müssen. „Das war einfach zu viel. Deswegen habe ich getrunken, was ich sonst nie mache“, sagte er dem Gericht.

Als die Polizisten gegen zwei Uhr nachts in seinem Schlafzimmer standen und versuchten, ihn aus dem Bett zu ziehen, habe er überreagiert. „Ich wollte einen Bluttest um jeden Preis verhindern“, gab er zu. Nicht aber wegen der Trunkenheitsfahrt, sondern aus Angst vor Krankenkasse und Berufsgenossenschaft, weil er befürchtet habe, dass beide Institutionen die Zahlungen weiterer Rehabilitationsmaßnahmen einstellen.

Heute sei ihm sein Verhalten unendlich peinlich, sagt er. Wie es dazu kommen konnte, könne er sich nicht erklären, auch nicht, warum er zu keiner Zeit bereit war, einzulenken. Bei den Polizisten hat er sich mittlerweile schriftlich entschuldigt und die Bereitschaft zu einem persönlichen Gespräch signalisiert.

Für das Gericht kam das Teilgeständnis und die Reue zu spät. Eine vollständige Einlassung gleich zu Beginn der Verhandlung wäre besser gewesen und hätte sich womöglich günstiger auf das Strafmaß ausgewirkt, sagte die Richterin.

Bestraft wurde der Angeklagte aber nicht nur wegen des Angriffs auf die Polizeibeamten. Die Fahrerflucht, zu der er sich bis zum Schluss nicht geäußert hatte, sah das Gericht ebenfalls als erwiesen an, da sich am Fahrzeug des Mannes Lackspuren fanden, die in Farbe und Höhe zum Schaden am gegnerischen Auto passten. Neben der Freiheitsstrafe, die zu einer zweijährigen Bewährung ausgesetzt wird, wurde der Angeklagte auch zu einer Zahlung von 1 500 Euro an die Staatskasse verurteilt. Auf seinen Führerschein, den er bereits im Januar abgegeben hatte, muss er weitere sieben Monate verzichten.