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„Fördert nicht Dresden und Leipzig, sondern Pirna und Radeberg!“

Sachsens Wohnungsgenossenschaften haben Leerstand. Verbandschef Viehweger warnt vor Neubau. Nach seiner Rechnung ist Schluss bei 6,50 Euro Kaltmiete.

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© Pawel Sosnowski

Von Georg Moeritz

Dresden. Wer Millionen sparen will, muss mit dem Pfennig rechnen. Axel Viehweger hat das getan. Er hat sich genau angesehen, wie hoch die Renten, Lehrlingslöhne und Teilzeitverdienste in Sachsen sind. Mehr als 6,50 Euro Kaltmiete können sich die allermeisten Sachsen nicht leisten, das rechnete Viehweger am Mittwoch in Dresden vor. Der Chef des Verbandes Sächsischer Wohnungsgenossenschaften will verhindern, dass Sachsen Millionen-Subventionen für neue Sozialwohnungen in Dresden und Leipzig ausgibt – während gleichzeitig Tausende Genossenschaftswohnungen im Umland leer stehen. Geht es nach Viehweger, muss erst einmal das Wohnen in Städten wie Pirna und Radeberg, Kamenz und Sebnitz attraktiver gemacht werden.

Nach Viehwegers Rechnung sind Neubauwohnungen bald nur noch für mehr als zehn Euro Kaltmiete pro Quadratmeter zu bekommen. Solche Preise seien zwar für Doppelverdiener ohne Kinder bezahlbar. Doch Viehwegers Referent Sven Winkler hat für 18 Fallgruppen vom Rentner bis zur Alleinerziehenden ausgerechnet, welche Miete sie sich höchstens leisten können. Für einen „Großteil der Bevölkerung“ ist demnach bei 6,50 Euro Kaltmiete Schluss. Das sind laut Viehweger etwa acht Euro warm, also bei 50 Quadratmetern Fläche Ausgaben von 400 Euro im Monat.

Mindestens ein Fünftel der sächsischen Haushalte kann aber höchstens 4,70 Euro kalt pro Quadratmeter aufbringen. Das ist gerade die Durschnittsmiete der 275 000 Genossenschaftswohnungen, die Viehweger als Lobbyist vertritt. Manche auf dem Lande werden noch für rund drei Euro vermietet; in Dresden liegt die Durchschnittsmiete bei 5,10 Euro kalt in Genossenschaften. Nach Viehwegers Rechnung zählen alleinstehende Rentner, Auszubildende und Singles mit Teilzeitjob und Niedriglohn zu den „armutsgefährdeten“ Sachsen, für die höhere Mieten nicht infrage kommen. Eine Modernisierung ihrer Mietwohnungen, etwa wegen neuer Energiespar-Vorschriften, wäre für sie zu teuer.

Selbst Rentner-Ehepaare und Singles mit „mittlerem Einkommen in Teilzeit“ gelten laut Viehweger als „versteckte Verlierer“. Sie könnten bei Miet-Erhöhungen in Schwierigkeiten kommen. Allerdings hat der Verband für seine Rechnung bei jeder Einkommensgruppe einen recht starren Prozentsatz vorausgesetzt: 35 Prozent jedes Haushaltsnettoeinkommens gelten als Obergrenze für Wohnkosten.

Beispiel: Alleinstehende Rentner in Sachsen bekommen im Durchschnitt 1082 Euro Rente. Nach Abzug der Sozialabgaben bleiben rund 854 Euro netto. Wenn davon bis zu 35 Prozent für Wohnkosten infrage kommen, sind das rund 300 Euro. Zum Vergleich: Nach dieser Art der Berechnung kann ein kinderloses Ehepaar mit brutto 6 122 Euro Durchschnitts-Einkommen sich eine Kaltmiete von 19,55 Euro pro Quadratmeter leisten.

Viehweger zieht aus seinen Berechnungen den Schluss, der Staat solle Mietkosten oberhalb von 6,50 Euro kalt „für breite Bevölkerungskreise“ möglichst vermeiden helfen. Die Wohnungsgenossenschaften könnten diese Obergrenze einhalten, wenn sie Zuschüsse vom Staat bei Modernisierungen bekämen. Die Rede ist von 10 000 Euro pro Wohnung, wenn es um altengerechten Ausbau geht, etwa mit barrierefreien Bädern. Gebraucht werden kleine Wohnungen für Rentnerinnen in der Nähe des Pflegeheims, in dem ihr Mann wohnt. Solche Zuschüsse hält Viehweger für sinnvoller als Wohnungsprogramme für die Großstädte. „Wir sind gegen Neubauförderung in Dresden und Leipzig“, sagte Viehweger. Es gebe 5 000 freie Genossenschaftswohnungen, die von Dresden aus in einer halben Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sind – etwa in Pirna und Radeberg. Auch Kamenz, Sebnitz und Riesa seien nicht weit weg. Neue Millionen für Wohnen in der Hauptstadt würden „das Umland unattraktiver machen“, sorgt sich Viehweger. „Dann ergibt es keinen Sinn mehr, in Pirna zu wohnen“.