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Fördermittelbetrug bei Schrammstraßen-Abriss?

Zwei Grünen-Politiker erheben schwere Vorwürfe gegen die Zittauer Wohnbaugesellschaft. Die sieht’s gelassen.

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Von Thomas Mielke

Der Abriss der Schrammstraße 37 und weitere geplante Rückbauten der Wohnbaugesellschaft Zittau werden ein Thema für Sachsens Regierung. Wolfram Günther, denkmalschutzpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, hat eine Kleine Anfrage an sie gestellt. Darin will er zum Beispiel wissen, ob die Verwendung der Fördermittel aus dem Programm „Rückbau Wohngebäude“ „in diesen Fällen zulässig ist, da es sich durchweg um seit gut 20 Jahren leer stehende Ruinen handelt, die auch kurzfristig aufgrund zugemauerter Fenster und fehlender Innenausstattung nicht bewohnbar gemacht werden könnten“. In einer Mitteilung an die SZ wird er deutlicher: „Die Förderbedingungen sagen eindeutig, dass der Rückbau von unbewohnbaren, ruinösen Wohngebäuden nicht förderfähig ist.“ Damit steht der Vorwurf des Fördermittelbetrugs im Raum.

Ist dafür zu Recht Fördergeld geflossen?
Ist dafür zu Recht Fördergeld geflossen? © Bernd Gärtner

Außerdem fordert Günther Auskunft darüber, warum die Fördermittel bewilligt wurden oder werden, obwohl der Rückbau der fünf Objekte dem Stadtentwicklungskonzept widerspricht. Dessen Vorgaben werden bei der Zuschussvergabe besonders berücksichtigt. Im Zittauer Fall steht Günthers Angaben zufolge unter anderem in dem Konzept, dass die Achse Bahnhof–Innenstadt entwickelt werden soll. Das würde zumindest die Abrisskandidaten Bahnhofstraße 34/36 betreffen. „Der Rückbau von Hütters Hotel direkt gegenüber dem Bahnhofsvorplatz dürfte doch als Negativ-Beispiel ausreichen: Wenn man als Gast der Stadt Zittau aus dem Bahnhofsgebäude tritt, blickt man nun auf haushohe Birken“, ergänzt Stadtrat Matthias Böhm (Grüne). In diesem Zusammenhang kritisiert Günther auch das Land: „Wenn der Freistaat die Existenz eines Stadtentwicklungskonzeptes als Fördervoraussetzung verlangt, erwarte ich natürlich von der Bewilligungsbehörde, hier der Sächsischen Aufbaubank, dass sie den beantragten Rückbau mit diesem Konzept abgleicht.“ Neben der Bahnhof- 34/36 und der Schrammstraße 17 sind die Dr.-Friedrichs- 7 und die Dornspachstraße 31 betroffen. Für den Abriss aller fünf Häuser soll Zittau reichlich 72 000 Euro Zuschuss vom Freistaat bekommen.

Über die hinterfragte Fördermittelvergabe hinaus wirft Günther Zittau vor, städtebauliche Grundsätze zu missachten: „So sollte der Abriss von Eckhäusern, insbesondere an Kreuzungen, wo noch alle vier Eckgebäude vorhanden sind, eigentlich tabu sein – drei der fünf Abrisskandidaten sind jedoch Eckhäuser.“

Im Kern geht es bei den Vorwürfen darum, dass Stadtrat Böhm und das ihm nahe stehende Stadtforum um den neuen Mandaukasernen-Besitzer Thomas Göttsberger den Abriss von Denkmalen beziehungsweise historischen Gebäuden verhindern wollen. Das haben sie auch bei den fünf Gebäuden auf verschiedenen Wegen versucht. Nun nutzen sie einen Passus des Förderprogramms, in dem es heißt: „Nicht förderfähig sind der Teilrückbau und der Rückbau von unbewohnbaren, ruinösen Wohngebäuden.“ Die alles entscheidende Frage lautet also: Waren beziehungsweise sind die Häuser ruinös oder nicht?

Die Aufbaubank als Fördermittelverteiler definiert nicht ruinös als „standsicher, trocken und warm“. „Dies trifft nicht vollumfänglich auf alle Grundstücke zu, aber alle Gebäude waren/sind verkehrssicher“, teilte Kai Grebasch, Sprecher der Stadtverwaltung, für die Stadt, ihre Wohnbaugesellschaft und die Stadtentwicklungsgesellschaft auf SZ-Anfrage mit. Dennoch: „In den Antragsunterlagen war der Zustand der Gebäude klar erkennbar. Mit der Bewilligung ist der Freistaat bewusst auf die Situation in Zittau eingegangen“, so Grebasch. Nämlich, „den Leerstand von Wohngebäuden zu reduzieren, städtebauliche Missstände und Funktionsverluste zu reduzieren und den Standort an die demografische Entwicklung anzupassen“ – so wie es im Förderprogramm als Ziel formuliert ist.

Ob dem wirklich so ist, wird die Sächsische Aufbaubank laut Ivonne Wasewitz vom Vorstandsstab noch einmal prüfen.

Auch den Vorwurf, dass städtebauliche Grundsätze missachtet werden, weisen die Stadt und ihre Tochterfirma zurück. „Der Umgang mit unserem Immobilienbestand steht im Zusammenhang und in Übereinstimmung mit dem Stadtentwicklungskonzept“, so Grebasch. „Bei Differenzen zur städtebaulichen Bewertung und der wirtschaftlichen Situation werden diese ausdiskutiert und umsetzbare Kompromisse gesucht.“ Er weist noch einmal darauf hin, wie schwierig die Situation ist: Auf der einen Seite steht der Wunsch, historische Gebäude und die Stadtstruktur zu erhalten. Auf der anderen Seite stehen wirtschaftliche Zwänge aufgrund von Bevölkerungsschwund, Leerstand und Verfall.