Merken

Flutschutz mit vielen Fragen

An einem Hang soll ein Regenrückhaltebecken entstehen. Die Anwohner werfen der Stadt Freital Geheimniskrämerei vor.

Teilen
Folgen
© Annett Heyse

Von Annett Heyse

Freital. Es war ein unscheinbarer Punkt auf der Tagesordnung des jüngsten Freitaler Stadtrates, aber dann sorgte ausgerechnet das Thema Hochwasserschutz für so viel Gesprächsbedarf, dass die Sitzung unterbrochen und über mehrere Änderungsanträge heiß diskutiert wurde. Am Ende wurde eine Entscheidung darüber, ob an der Bergstraße Flurstücke für den Bau eines Regenrückhaltebeckens erworben werden sollen, vertagt. Geklärt ist damit nichts, aber aus Sicht der unmittelbaren Anwohner zumindest Zeit gewonnen. Denn die haben mit dem Projekt ein Problem. Zu siedlungsnah, zu aufwendig, zu teuer – so sehen die Kritiker das Vorhaben.

© Grafik: SZ

Die Stadt Freital plant, unterhalb des Waldes und unmittelbar hinter der Wohnbebauung ein 5 400 Kubikmeter großes Becken zu errichten. Es wird benötigt, um bei starkem Regen oder extremer Schneeschmelze die Wassermassen von der Opitzer Höhe und dem Breiten Grund aufzufangen. Zudem soll auch das Wasser von der Straße Heimatblick ins Becken abfließen. Die Stauanlage soll die Fluten zwischenspeichern und zeitverzögert in die Regenwasserkanalisation abgeben. Zwei Millionen Euro Baukosten sind veranschlagt.

Mehrmals hatte es an der Bergstraße in den vergangenen Jahren Überschwemmungen gegeben – seit 1998 allein fünfmal. Betroffen war dabei insbesondere der unterste Teil der Bergstraße sowie das Edelstahlwerk, wo die braune Brühe schließlich landete. Denn die Kapazitäten der Regenwasserkanäle seien in dem Einzugsbereich so gering, heißt es aus der Stadtverwaltung Freital, dass sie schon einem Hochwasser, wie es alle zwei Jahre vorkommt, kaum gewachsen sind.

„Das ganze Projekt ist ein Irrsinn“, sagt dagegen Ralf Marth. Er und einige seiner Nachbarn treffen sich am Breiten Grund, um darzulegen, warum sie gegen das Projekt sind. Das Becken soll auf dem Gelände einer alten Lehmgrube entstehen. Die wurde nach dem Ende des Abbaus als Müllkippe genutzt und später verfüllt. Aktuell sind darauf einige Kleingärten angelegt, die weichen müssen, wenn gebaut wird. Aus Sicht der Anwohner ist dies noch das geringere Übel. „Das größere Problem ist, dass man sich das Wasser unmittelbar ins Wohngebiet holt“, sagt Marth, der für mehrere Betroffene spricht. Sie befürchten, dass das Becken bei extremen Wetterlagen überlaufen und für Schaden sorgen könnte.

Die Becken-Gegner von der Bergstraße haben einen anderen Vorschlag: die Rückhaltung im Wald oder oberhalb des Waldes an den Feldern der Opitzer Höhe anzulegen. „Man könnte an der Waldkante verteilt drei kleinere Becken bauen, die das Wasser auffangen, bevor es bei uns hinter den Häusern ankommt“, sagt Ralf Marth. Alternativ wäre auch denkbar, im Bachverlauf mehrere Riegel zu errichten und die natürlichen Senken und den Taleinschnitt als Becken zu nutzen. „Man könnte mehrere Riegel anlegen und das Wasser im Kaskadenprinzip verzögert nach unten leiten“, sagt Marth und seine Nachbarn nicken. Ihnen ist nämlich aufgefallen, dass bei großen Güssen vor allem Wasser von den Feldern Richtung Tal rauscht. Kommt dann noch das Wasser, welches im Wald nicht sofort versickern kann, hinzu, schwillt das Bächlein im Breiten Grund ordentlich an – bevor es die Bergstraße flutet. In Zukunft betroffen wären davon dann auch sechs neue Häuser, deren Bau an der Bergstraße geplant ist. Die Rede ist von bis zu zwölf Wohneinheiten pro Haus. Bis vor Kurzem befand sich auf dem Gelände ein Garagenhof. Das Wasser aus dem Breiten Grund soll dann um das Wohngebiet herum ins Becken fließen und von dort Richtung Bergstraße geleitet werden.

Stadt prüfte mehrere Varianten

Für den Vorschlag der Anwohner spricht, dass dies anderswo schon umgesetzt ist. So wurde beispielsweise im benachbarten Pfaffengrund ein Regenrückhaltebecken mitten im Wald und damit deutlich oberhalb der Wohnhäuser angelegt. Ähnlich wurde zwischen der Ziegeleistraße und Pesterwitz verfahren: Dort befindet sich das Rückhaltebecken im Wald und speichert die Wassermassen, die von den Pesterwitzer Fluren talwärts strömen.

Warum das Prinzip nun ausgerechnet an der Bergstraße über den Haufen geworfen werden soll, will die Stadtverwaltung nicht näher ausführen. In der Stadtratssitzung hieß es lediglich, man habe mehrere Varianten geprüft und die mit dem Becken bei den Wohnhäusern sei die beste. Das Wasser dagegen schon direkt unterhalb der Felder aufzufangen, sei nicht möglich, denn diese Areale liegen nicht mehr auf Freitaler Flur. Welche Varianten es noch gab und warum sie letztendlich verworfen wurden, dazu gibt es gegenüber der Presse keine detaillierte Auskunft. „Es gab Untersuchungen zu verschiedenen Varianten, das ganze Verfahren geht ja auch schon einige Jahre“, teilt Pressesprecher Matthias Weigel lediglich mit.

Das bringt wiederum die Anwohner auf die Palme. Die fragen sich, warum um die Planung und Projektierung so ein Geheimnis gemacht wird. Mehrmals habe man versucht, mit Stadträten und auch mit der Stadtverwaltung ins Gespräch zu kommen, berichten sie. „Seit eineinhalb Jahren beschäftigt uns das, aber keiner erklärt uns, warum das Becken unbedingt hinter den Wohnhäusern entstehen soll“, kritisiert Ralf Marth. Ein einziges Mal habe er in der Angelegenheit einen Termin im Freitaler Bauamt bekommen. „Da hieß es dann, die Pläne seien noch nicht so weit, es werde noch geprüft. Das war im Herbst 2017.“

Nun, gut fünf Monate später, wollte die Stadt die notwendigen Grundstücke für den Bau erwerben. Es geht um knapp 10 400 Quadratmeter, der Kaufpreis war mit dem Privateigentümer auf 100  000 Euro verhandelt. Einige Stadträte erwirkten mit ihrer Gegenstimme einen Aufschub. Wie soll es nun weitergehen? „Wir haben nochmals ein Ingenieurbüro beauftragt, die Pläne unter allen Gesichtspunkten zu prüfen und eine abschließende Beurteilung vorzulegen“, sagt Pressesprecher Weigel. Die Anwohner um Ralf Marth hoffen, dass auch ihre Vorschläge unter die Lupe genommen werden. Und sie hoffen, dass sich die Stadträte vor weiteren Entscheidungen die Situation im Breiten Grund persönlich anschauen. Marth: „Ich lade alle herzlich zu einer Wanderung ein, damit sie sich einen Eindruck von den Gegebenheiten vor Ort verschaffen können.“