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Flüchtlingskinder müssen Grundschule verlassen

Die DaZ-Klasse wird aufgelöst. Das hat die Bildungsagentur verlangt. Die Entscheidung hat weitere Konsequenzen.

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© André Braun

Von Tina Soltysiak

Waldheim. Bei der Verabschiedung der Kinder in die Winterferien fließen an der Grundschule in Waldheim Tränen. Und zwar nicht wegen schlechter Betragens- oder Zeugnisnoten, sondern aus Abschiedsschmerz. „Wir müssen heute unsere Lehrerin Frau Dieckhoff und sieben Kinder verabschieden“, sagt Schulleiterin Angela Jurczyk. Alle gehen nicht freiwillig. Marlen Dieckhoff hat bis Freitag die Flüchtlingskinder betreut. Sie ist ausgebildete Pädagogin für Deutsch als Zweitsprache (DaZ). Die DaZ-Klasse wird aufgelöst. „Wir haben schon vermutet, dass es nicht weitergeht, aber dass es mitten im Schuljahr passiert, damit haben wir nicht gerechnet“, sagt die Schulleiterin. Doch die Sächsische Bildungsagentur (SBA) hat die Entscheidung getroffen. Es ist eine rein wirtschaftliche. In Chemnitz leben mehr Flüchtlingskinder. Dort fehlen Lehrer. Also wird Marlen Dieckhoff an eine andere Schule abgeordnet. An welche weiß sie noch nicht. „Ich kann die Begründung für die Entscheidung nachvollziehen, bin aber trotzdem sehr traurig“, sagt sie.

Die Kinder fühlen sich sichtlich wohl. „Es sind Freundschaften entstanden“, sagt Marlen Dieckhoff. Die werden nun wohl abreißen. Denn sieben Mädchen und Jungen werden künftig in anderen Grundschulen unterrichtet: in Hartha, in Leisnig und an der Kunzemannschule in Döbeln. „Zwei sprechen mittlerweile so gut Deutsch, dass sie hier bei uns in Waldheim bleiben können“, sagt Schulleiterin Angela Jurczyk.

Die Kinder kommen aus Afghanistan, dem Irak, Rumänien, Syrien und den Niederlanden. „Ich bin der Erste gewesen hier“, sagt Sherwan. Zunächst habe er weder ein Wort Deutsch gesprochen noch verstanden. „Aber er hat immer gelacht“, erinnert sich Marlen Dieckhoff. Mit Händen und Füßen und mit Handpuppe Panda Paul hätten sie sich zunächst verständigt. Alexandru aus Rumänien sagt: „Ich konnte nicht schreiben. Jetzt habe ich das gelernt und gehe in die vierte Klasse.“ Die Kinder sind alle sichtlich stolz auf das, was sie im vergangenen halben Jahr erreicht haben. Siah Moi mag Sport und Kunst besonders gern. Und sie erinnert sich gern an den Tag zurück, als sie alle gemeinsam nach Schönberg gelaufen sind, um Äpfel zu ernten.

Marlen Dieckhoff ist es gelungen, die Kinder zu alphabetisieren. „Es gibt internationale Anlautbilder. Zum Beispiel gibt es das Wort Ananas in fast allen Sprachen“, sagt sie. Der Wortschatz wurde thematisch weiterentwickelt: Kleidung, Alltagsgegenstände und dergleichen. Die Pädagogin habe ihren Horizont erweitert und sich in die Lage der Kinder versetzt. Sie habe Arabisch gelernt und festgestellt, dass die Vokale gar nicht mitgeschrieben werden. Aus Banane wird Bnn. „Ich habe den Kindern beigebracht, dass alles, was wir hören, geschrieben wird.“ Dass die sich schon gut integriert haben, merkt man vor allem an einem: Beim Sprechen kommt der sächsische Dialekt durch.