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Flüchtlinge ziehen ins Landratsamt

Die ehemalige Kfz-Zulassungsstelle am Remonteplatz in Großenhain wird Asylheim. Ein Vielvölkergemisch unter einem Dach.

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© Brühl

Von Birgit Ulbricht

Die Arbeitsgruppe Asyl hat sich gestern aufgelöst. Der Großenhainer Stadtrat sieht seinen Part als erledigt an: Ein neues Asylheim ist gefunden, das jetzige Heim „Hotel Stadt Dresden“ soll nach der kürzlich erfolgten zweijährigen Vertragsverlängerung endgültig auslaufen und die Asylbewerber, die jetzt gerade in Wohnungen einziehen wieder ins Heim. Den Standort Zabeltitz hat die Stadt verhindert, und mehr kann man ohnehin nicht tun, denn die Verantwortung für die Unterbringung der Flüchtlinge liegt schließlich beim Landkreis. Der Kreis ist es nun auch, der ein Objekt bereitstellt – den Remonteplatz 10.

Vielen Großenhainern sicher noch bekannt als Kfz-Zulassungsstelle, um deren Erhalt es viel Proteste gegeben hatte. Im März 2004 demonstrierten hier 20 Autohäuser gegen die Schließung der Kfz-Stelle. Nun sollen hier 100 Flüchtlinge einziehen – die Mitarbeiter des Umweltamtes und vom Forst wurden in den letzten Wochen schon ausgelagert. Sie sitzen jetzt ein paar Häuser weiter am Remonteplatz 8. Dass der Kreis überhaupt auf den Dreh gekommen ist, seine eigene Immobilie herzugeben, hat zwei entscheidende Gründe. Einmal hat die Stadt im Hintergrund Druck gemacht, dass der Standort Kupferberg ausläuft und Zabeltitz erst gar keiner wird. Zum anderen wollte der Landkreis nicht neben Umbaukosten von vorsichtig geschätzt 600 000 Euro auch noch jährlich Miete in Höhe von 150 000 Euro zahlen – und diese Summe wäre bei einem Umbau des früheren Arbeitsamtes am Alberttreff fällig geworden. Einem Berliner Arztehepaar gehört die Immobilie, der Kreis hätte in so einem Objekt also auch langfristige Verträge abschließen müssen. Auch das gefiel dem Beigeordneten Ulrich Zimmermann angesichts der derzeitigen staatlichen Vorgaben nicht richtig.

Da fügte es sich nahezu wundersam, dass ein ganzes Haus nicht mehr fürs Amt gebraucht wurde. Denn ausgezogen wären die Landkreis-Mitarbeiter ohnehin. Es war geplant, die Mitarbeiter des Riesaer Jobcenters in der Rudolf-Breitscheid-Straße auf den Remonteplatz 10 in Großenhain und die Heine-Straße in Riesa aufzuteilen. Bei genauerem Rechnen ergab sich jedoch, das Jobcenter passt komplett in die Riesaer Heine-Straße, das Objekt in Großenhain war plötzlich frei. Ulrich Zimmermann macht aus seiner Freude keinen Hehl. Er hat ein echtes Problem für den Kreis gelöst. Erst kürzlich war er in der Landesdirektion Dresden, die den Dezernenten der Region die neuesten Flüchtlingszahlen darlegte. Kurz gesagt: Sie werden zunehmen. Dass derzeit die zehn freigegebenen Wohnungen am Rostiger Weg erst zur Hälfte belegt sind, liegt nur daran, dass im Auffanglager Chemnitz die Windpocken herumgehen und derzeit keine Menschen weitergeschickt werden. Außerdem kommen immer weniger Familien an. „Wir haben zunehmend junge Männer, die keine Arbeit haben. Sie kommen aus Tunesien, Somalia, Eritrea und auch weiterhin zahlreich vom Balkan“, sagt Ulrich Zimmermann.

Ob dieses Völkergemisch bei 100 Personen Belegung so harmonisch miteinander klarkommt, wie die Familien jetzt am Kupferberg, ist eine ernste Frage. Denn eigentlich war die Politik ja zwischenzeitlich schon einmal auf die Formel „dezentrale Unterbringung“ umgeschwenkt. Auch das hat freilich seine Tücken, wegen der vorgeschriebenen Brandsicherung und vielem anderen. Nun wird der Remonteplatz 10 als großes, zentrales Heim umgebaut. Für 600 000 Euro nach ersten Schätzungen und ab kommendem Jahr. Derzeit laufen die Planungen dafür. Eine Million erhält der Landkreis fürs Thema Asyl vom Freistaat. Angesichts der vielen Unterkünfte, die umzubauen sind, muss trotzdem gespart werden. Der Kreis wird deshalb die Sanierung des Turnhallendaches in Coswig für das Großenhainer Heim zurückstellen – und später überlegen, ob gleich ein Turnhallenneubau in Coswig kommt.

Für die Großenhainer Stadträte ist das weit weg. Sie können jetzt ohnehin nur abwarten, ob der Kreistag am 18. September dem Projekt zustimmt. Letztlich entscheidet der Kreis, nicht die Stadt. Die kann nur Vorschläge machen, wie immer. Ausgelöst wurde die heftige Asyldebatte in Großenhain, als der Beigeordnete Ulrich Zimmermann im November 2012 kurzerhand 30 Asylsuchende im ehemaligen Hotel „Stadt Dresden“ einquartierte, weil die Stadt einfach von sich aus keine Immobilie angeboten hatte. Da machte der Kreis einen Vertrag mit einem Privaten – und das Entsetzen war plötzlich groß – bei Anwohnern wie bei der Stadtspitze. Seitdem nimmt man die „Mitwirkungspflicht“ im Rathaus ernst und hat sogar noch weitere zehn Wohnungen angeboten, bis der Remonteplatz 10 umgebaut ist. OB Burkhard Müller sagte auch warum: „Wir wollen nicht noch einmal so überrascht werden, wie beim Hotel am Kupferberg.“