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Flüchtlinge sollen sich ihre Wohnungen selbst ausbauen

Die Stadt Dresden testet ein ganz neues Wohnprojekt in Cotta. Investoren dafür gibt es wohl. Viel Profit dürfen sie aber nicht erwarten.

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© Visualisierung: Olaf Reiter, Reiter Architekten BD

Von Annechristin Bonß

Es ist ein ganz neuer Weg, den die Stadt mit einem Wohnprojekt einschlägt. Auf zwei Flächen im Ortsamtsgebiet Cotta sollen Wohnungen entstehen, die zu sozialverträglichen Preisen angeboten werden – für Flüchtlinge und Einheimische. Dafür will die Stadt Investoren finden und verspricht finanzielle Anreize.

Eine erste Vorlage sieht vor, dass der Investor die Grundstücke zu einem festen, jedoch niedrigen Erbbauzins nutzen kann. Üblich für einen solchen Vertrag sind Laufzeiten von 60 Jahren. Dafür muss er sich jedoch nicht nur verpflichten, Wohnhäuser zu errichten, sondern kostengünstige Wohnungen anzubieten. Sie sollen für einen Zeitraum von mindestens 15 Jahren zu niedrigen Preisen vermietet werden. 30 Prozent sollen Mieter sein, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch beziehen. Für die restlichen Wohneinheiten soll eine Mietobergrenze für Haushalte mit mittleren Einkommen gelten.

Die Stadt hat klare Vorstellungen, was sich in einem solchen Wohnkomplex entwickeln soll. Bewohner mit und ohne Migrationshintergrund und aus verschiedenen Einkommensverhältnissen leben zusammen. Davon profitieren Randgebiete, in denen es sonst kaum Durchmischung gibt. Zudem soll es in den Neubauten Gemeinschaftsräume geben, zum Beispiel eine Werkstatt. Auch dort können sich die Mieter begegnen und zusammen etwas schaffen. Für das Modellprojekt gebe es bereits eine Nachfrage durch Investoren, erklärte Elke Rößler vom Liegenschaftsamt kürzlich im Ortsbeirat Cotta. Dort stellte sie das Konzept erstmals öffentlich vor. So hätten bereits Vereine vorgesprochen, die sich vorstellen können, ein solches Wohnkonzept umzusetzen.

Dabei bleibt die Stadt realistisch. 15 Jahre lang müssen die Mitarbeiter überprüfen, ob sich der Investor an die Mietvorgaben hält. Das macht Arbeit. Dafür darf er jedoch keine großen Renditen erwarten. Genau wie die Stadt. Bei der öffentlichen Ausschreibung zur Suche nach Partnern eines solchen Erbbaurechtes und der anschließenden Vergabe sei der gebotene Preis nicht das Maß der Dinge, sagte Rößler.

Bewohner bauen Wohnungen selbst

Wie ein solches Projekt gelingen kann, weiß Olaf Reiter. Der Architekt aus Hellerau hat das Konzept „Wohnen im Selbstbau Projekt“ entwickelt. Das gibt eine Idee, wie ein Gemeinschaftshaus möglichst günstig entstehen kann, damit günstige Mieten realistisch sind. Demnach würde der Bauherr für die äußere Hülle verantwortlich sein. Die künftigen Bewohner sorgen für den Innenausbau. „Die Bewohner Dresdens sollen sehen, dass Flüchtlinge selbst tätig werden und für ihre zukünftige Wohnung arbeiten“, heißt es im Konzept.

Demnach sollen sehr kostengünstige, einfache drei- bis viergeschossige Stahlbeton-Plattformen errichtet werden, inklusive der Treppen und Erschließungsleitungen. Geländer umschließen diese Plattformen und schaffen somit sichere, gut erreichbare, mehrgeschossige Bauplätze. Bereits vor 100 Jahren hat es Wohnkonstruktionen nach gleichem Prinzip gegeben. Die Bewohner bekommen Materialien und Anleitung zum Ausbau der Wohnungen und schaffen sich so ihr eigenes Zuhause. Diejenigen, die selbst gebaut haben, zahlen einige Zeit keine Miete. Das ist der Lohn.

Reiter hat die Idee Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen und Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (beide Grüne) vorgestellt. Zur Finanzierung schlägt der Architekt vor, EU-Mittel einzuwerben. Wie realistisch die Idee ist, darauf will sich Reiter nicht festlegen. „Im Moment sind alle Seiten sehr zurückhaltend“, sagt er auf Nachfrage. Das liege wohl auch daran, dass der große Flüchtlingsstrom derzeit abgeebbt ist. Noch ist der Architekt in Gesprächen mit der Stadt, auch wenn die ein Konzept hat, das nur ansatzweise mit seinem übereinstimmt. Das Rathaus hat zwei Standorte für das Wohnprojekt vorgeschlagen. Auf der Mohorner Straße 6 und gegenüber der Braunsdorfer Straße 30. Stimmt der Stadtrat dem Konzept zu, können Investoren Angebote abgeben.