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Flüchtlinge sollen in Dresden bleiben

Meißens Landrat lehnt einen Vorschlag der Landeshauptstadt ab. Bürgermeister reagieren darauf sogar empört.

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© Sven Ellger

Von Catharina Karlshaus

Landkreis. Dieser Vorstoß ging auf jeden Fall nach hinten los: Weil die Planungen der Landeshauptstadt zur Unterbringung weiterer Asylbewerber nicht aufgehen und damit dringend benötigte Plätze fehlen, hatte die Stadt Dresden jetzt vorgeschlagen, im Umland auf Wohnungssuche zu gehen. Ein Vorschlag, den die Dresdner Stadträte in ihrer Sitzung beschlossen haben und der von Landrat Arndt Steinbach (CDU) hart kritisiert worden ist. Wie der Meißner Behördenchef sagte, könne es nicht sein, dass nun die kommunalen Partner in Sachsen bei der Suche nach Unterkünften in einen Konkurrenzkampf treten. „Ich erwarte, dass der Oberbürgermeister der Stadt Dresden in den Landkreis Meißen kommt und hier in einer öffentlichen Einwohnerversammlung erklärt, was dieser Unsinn soll“, empört sich Arndt Steinbach.

Zustrom ist ungebrochen

Eine verständliche Reaktion, die nicht von ungefähr kommt. Der Zustrom an Flüchtlingen ist ungebrochen. Bis Ende Oktober musste der Freistaat Sachsen rund 45 000 Menschen aufnehmen. Menschen, die auch im Landkreis Meißen untergebracht werden. Allein bis Ende des Jahres werden über 2 500 Flüchtlinge erwartet. Bis zu 197 Asylbewerber pro Woche werden mittlerweile zugewiesen – und sie alle brauchen ein Dach über dem Kopf. Der Freistaat hat inzwischen reagiert. Allerdings wird er Zuweisungen nur an den Feiertagen stoppen, an allen anderen können Flüchtlinge zugewiesen werden. Für den Landkreis Meißen reduziert sich die Zahl um lediglich 100 pro Woche, das heißt, es kommen auch in den verbleibenden zwei Wochen vor Weihnachten Flüchtlinge in den Landkreis. Arndt Steinbach: „Damit sind wir nicht einverstanden. Das Angebot der Staatsregierung ist mit Blick auf die mehr als angespannte Personalsituation nicht akzeptabel.“ Steinbach braucht Unterkünfte, nach denen er sich tagtäglich selbst auf die Suche begibt und die immer knapper werden. Kein Wunder, dass das Ansinnen der benachbarten Stadt die ohnehin angespannten Nerven aller Beteiligten fast zum Zerreißen bringt. Aber nicht nur das. Vor allem passe es ins Bild der Dresdner Rosinenpickerei: „Lasten ins Umland verteilen und selbst nur die Vorteile nutzen“, schimpft Arndt Steinbach. Und nicht nur er. Susann Frentzen, Bürgermeisterin von Priestewitz, hält die Idee der Landeshauptstadt geradezu für unverschämt. Der Landkreis Meißen sei doch ohnehin schon übergebührlich mit vier Erstaufnahmeeinrichtungen des Freistaates belastet. Hinzu kämen, so die parteilose Kommunalpolitikerin, all die anderen Asylbewerber, die darüber hinaus regulär untergebracht werden müssten. Natürlich möchten auch kleine Gemeinden wie Priestewitz bei der Schulterung des Problems helfen. „Aber nicht dauerhaft zulasten der eigenen Einwohnerschaft.“

Den Bewohnern verpflichtet

Ein Argument, dem der Schönfelder Verwaltungschef Hans-Joachim Weigel (DSU) sofort beipflichtet. Immerhin seien Kreis und Kommunen in erster Linie ihren Bewohnern verpflichtet. Bewohnern, denen er keinesfalls etwa eine Turnhalle oder ein Dorfgemeinschaftshaus zugunsten der Belegung mit Asylbewerbern entreißen werde. „Das ist für mich ein absolutes Tabuthema. Nur über meine Leiche kommt da jemand rein“, versichert Hans-Joachim Weigel. Dass angesichts der mehr als angespannten räumlichen Lage im Kreis nun gewissermaßen noch zusätzliche Flüchtlinge untergebracht werden sollen, verärgert ihn erst recht. Innerhalb der letzten zehn Jahre habe unter jedem Bescheid zur Genehmigung des mit Mühe und Not zusammengestellten Etats der Hinweis gestanden, doch bitte die kommunalen Wohnungen zu veräußern. „Genau das hat Schönfeld auch getan und jetzt haben wir eben keine mehr, die wir für Flüchtlinge zur Verfügung stellen können. Weder für die, welche der Kreis Meißen ohnehin aufnehmen muss, geschweige denn noch für jene aus dem eigentlichen Kontingent Dresden“, wettert Hans-Joachim Weigel. Wie der Bürgermeister darüber hinaus betont, sei es für ihn völlig unverständlich, wieso sich Städte und Gemeinden ausgerechnet jetzt in dieser heiklen Phase gegenseitig ausspielten. „Es ist doch ohnehin schon schwer genug für alle Beteiligten. Und wir sind doch hier wirklich nicht auf dem Basar.“

Kritik ist berechtigt

Die öffentliche Kritik von Landrat Steinbach an den bekannt gewordenen Rot-Grün-Roten-Überlegungen in Dresden hält auch Großenhains Stadtoberhaupt für berechtigt. Wie Sven Mißbach zu bedenken gibt, dürfe für die Unterbringung von Asylbewerbern nicht das Sankt-Florian-Prinzip gelten. „Sollte dies zum Vorbild kommunalen Handelns werden, sehe ich die Gefahr, dass damit unwillkommene Aufgaben in Zukunft lediglich von oben nach unten durchgereicht werden“, bekennt Sven Mißbach. Die aktuelle Ausnahmesituation, in der sich die Kommunen durch die Unterbringung und Integration der zugewiesenen Flüchtlinge befänden, könne nur durch gemeinsame Anstrengungen und in engster Zusammenarbeit aller Verantwortungsträger bewältigt werden.