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Flüchtlinge kommen doch in den Tharandter Wald

Schon im März wurden die Neuankömmlinge erwartet. Jetzt ist es so weit. Vorbereitet ist man darauf trotzdem noch nicht in der ehemaligen forstlichen Fortbildungsstätte in Grillenburg.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Verena Weiß

Die Betten sind gemacht, seit Monaten schon. Nun soll es tatsächlich losgehen. In die ehemalige forstliche Fortbildungsstätte in Grillenburg ziehen bis zu 80 Asylbewerber ein, „spätestens in der kommenden Woche“, wie die Landesdirektion Dresden gestern Nachmittag per Pressemitteilung bekanntgab. Nach SZ-Informationen könnten aber auch schon morgen die ersten Flüchtlinge in dem kleinen Tharandter Ortsteil eintreffen.

Wirklich überraschen dürfte die Nachricht die Grillenburger nicht mehr. Wenn vielleicht auch mancher derweil heimlich hoffte, dass sich die Pläne der Landesdirektion geändert hätten. Dem ist nicht so. Eigentlich sollten schon im März die ersten Asylbewerber in dem neuen Erstaufnahmelager unterkommen. Daraus wurde zunächst nichts, weil laut Landesdirektion der Bedarf nicht mehr dringend war.

Allerdings gab es auch einen anderen Grund: Der Brandschutz, so ergab ein zwischenzeitliches Gutachten, müsse dringend nachgebessert werden. Der Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) stellte daraufhin einen Bauantrag, über den die Tharandter Stadtvertreter in ihrer Sitzung kommenden Donnerstag abstimmen wollen. Nun sollen die notwendigen Umbauten aber ohne die Zustimmung der Kommune erfolgen – eben noch vor einer Belegung der Einrichtung.

Die Tharandter Rathausspitze will dennoch an dem Beschluss des Stadtrates festhalten. Wie Bürgermeister Silvio Ziesemer (parteilos) gegenüber der SZ erklärt, sei er selbst erst gestern früh telefonisch über die neueste Entscheidung der Landesdirektion informiert worden. Die noch notwendigen Vorkehrungen zum Brandschutz sollen bereits heute durchgeführt werden. Das betrifft vor allem einen zweiten Rettungsweg am Objekt, der nun provisorisch angebracht werden soll, wie die Landesdirektion erklärt. Danach treffe man die „erforderlichen Maßnahmen, um die soziale und medizinische Betreuung, den Wachdienst sowie die Verpflegung der Asylbewerber in Grillenburg zu sichern“, heißt es. Aber auch eine Brandmeldeanlage fehlt noch. Und das neue Erstaufnahmelager muss komplett eingezäunt werden, bevor es in Betrieb gehen kann. Maßnahmen, die nun so schnell wie möglich erfolgen sollen. Nur warum plötzlich die Eile?

Der Zustrom an Asylbewerbern nach Sachsen habe wieder zugenommen. Die Kapazitäten der Ersttaufnahmelager in Chemnitz und Schneeberg seien inzwischen erschöpft, so die Landesdirektion. Die Situation verschärfe sich noch durch Windpockenfälle, die in der Görlitzer und den beiden genannten Einrichtungen aufgetreten sind und eine zügige Weiterleitung der Asylbewerber in die Kommunen behindern. Um aber Obdachlosigkeit zu verhindern, sei der Freistaat nun gezwungen, die Kapazitäten zu erweitern, heißt es seitens der Behörde.

In den ersten fünf Monaten dieses Jahres hat der Freistaat Sachsen 8 012 Asylbewerber in Erstaufnahmeeinrichtungen neu aufgenommen – mehr als doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum. Aktuell sind es rund 2 700 Flüchtlinge.

Ortsvorsteher André Kaiser kann das Vorgehen der Landesdirektion nicht gutheißen. „Monatelang ist nichts gemacht worden, worauf wir hingewiesen haben und jetzt diese Hauruck-Aktion“, sagt er verärgert. Abgesehen davon hält der Grillenburger die alte forstliche Fortbildungsstätte nach wie vor als Erstaufnahmelager für definitiv ungeeignet. „Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es in ganz Sachsen keine besseren Objekte gibt“, sagt er.

Der nicht einmal 120 Einwohner große Ort sei mit bis zu 80 Flüchtlingen überlastet. Die Asylbewerber würden hier völlig isoliert leben, in einem Dorf ohne Einkaufsmöglichkeit, schlechter Internetverbindung und mangelhaftem Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr. Da es sich bei einem Erstaufnahmelager wie es eben in Grillenburg geplant ist, zudem um Flüchtlinge handelt, die nur kurzzeitig hier untergebracht sind, bevor sie in andere Einrichtungen vermittelt werden, ist die Fluktuation hoch und Integration kaum möglich, sagt Kaiser. Damit sei fast schon programmiert, dass in dem Objekt „nicht alles rundlaufen wird“.

Eine Einwohnerversammlung im Jugendfreizeithof Grillenburg, wie sie im März schon stattfand, ist diesmal aus Platzgründen so kurzfristig nicht möglich, erklärt der Bürgermeister. Um aber vor allem den Grillenburgern eine Chance zu geben, noch offene Fragen zu klären, will die Rathausspitze zur Sitzung des Stadtrates nächsten Donnerstag einen Verantwortlichen einladen, der Rede und Antwort steht.