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Florena fürchtet um die eigene Haut

Ob bei dm, Kaufland oder Rossmann: Die kultige Ost-Kosmetikmarke liegt immer seltener im Regal. Und mancher sorgt sich um den Standort Waldheim.

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© schoelzel (Symbolfoto)

Von Michael Rothe

Die beiden runden Florena-Dosen – eine mit, die andere ohne Kamille – wirken wie Aussätzige. Die Übermacht der blau-weißen Konkurrenz ist erdrückend. Dutzendfach steht sie ringsum im Regal: im Drogeriemarkt Rossmann am Obermarkt in Waldheim, Heimatort der ostdeutschen Kultmarke, die in vier Jahren ihren „100.“ feiert. In einer anderen Ecke der Filiale finden sich nur noch zwei Sorten Handcreme mit Soja- und Traubenkern- oder Aprikosenkernöl – für 1,25 Euro die Tube.

Die lange umjubelte Kosmetik-Familie war der Stolz der Stadt. Am Niedermarkt gibt es sogar eine Florena-Passage hin zur Zschopau. Der beschauliche Fluss hatte die mittelsächsische Kleinstadt bei der Flut 2002 verwüstet. Just in dem Jahr, da Waldheims wichtigster Industrie-Arbeitgeber neue Besitzer bekam: die Beiersdorf AG in Hamburg. Der börsennotierte und weltweit tätige Konsumgüterkonzern vereint Marken wie Nivea, Eucerin, La Prairie, Labello, Hansaplast, 8x4, Tesa. 17 600 Mitarbeiter erwirtschafteten 2015 einen Umsatz von fast 6,7 Milliarden Euro und einen Rekordgewinn von 671 Millionen Euro.

Bis zur Übernahme hatte ein Trio ehemaliger leitender Mitarbeiter das Werk als Inhaber und Geschäftsführer durch die ersten zehn Jahre der Marktwirtschaft geführt. „Es war ein guter Weg. Wir haben es weggegeben, als keine Not war“, blickte Ex-Chef Heiner Hellfritzsch 2011 zurück. Die heute 85 Prozent Markenbekanntheit von Florena werden in Ostdeutschland nur getoppt von Rotkäppchen-Sekt, Radeberger Bier, Bautzner Senf. Im Westen schafft es Florena laut Ost-West-Markenstudie von MDR und Erfurter IMK-Institut auf 49 Prozent, das Niveau von Wernesgrüner Bier.

Bestnoten und falscher Alarm

Während Beiersdorf in seiner Bilanz 2015 Nivea wiederholt feiert – ein Umsatzplus von 23 Millionen auf fast 1,2 Milliarden Euro – wird die Beiersdorf Manufacturing Waldheim GmbH, wie das Florena-Werk jetzt heißt, unter „weitere Informationen“ auf Seite 86 erwähnt – mit einer Zeile und als letzte der 26 deutschen Töchter. Sie hatte Ende der 90er-Jahre, ehe sie Teil der Großfamilie wurde, in 35 Länder exportiert. Heute wird Florena deutschlandweit vertrieben. Im doppelten Sinn.

Verkäuferinnen verschiedenster Märkte bestätigen, dass sich die Marke seit anderthalb, zwei Jahren rarmacht. Kunden würden verwundert nachfragen, sagen sie. Schließlich schnitt Florena mit natürlichen Inhaltsstoffen bei Stiftung Warentest meist gut und teils besser ab als die große West-Schwester Nivea – wie 2013 bei der Keimfreiheit der Straffenden Augenpflege. 2009 war die Handcreme Anti-Age Q10 Testsieger, wie 2008 die Intensivcreme für Männer und 2005 die Herren-Gesichtsemulsion – dazu in der Regel preisgünstiger als die Konkurrenz. Nur die „befriedigende“ Anti-Falten-Nachtcreme drückte den Schnitt. Bemängelt wurden allenfalls Mogelpackungen mit nur zwei Dritteln des suggerierten Inhalts. Auch bei Öko-Test, Verbraucher- und Fachmagazinen landete die Ost-Marke auf dem Siegertreppchen. Selbst der Vorwurf des Naturschutzbunds BUND, Florena konserviere seine Kosmetika mit krebserregenden Parabenen, entpuppte sich als falscher Alarm. Das Bundesinstitut für Risikobewertung gab Entwarnung.

Nicht für den Standort Waldheim. „Ich mache mir schon Sorgen wegen der Ausdünnung der Marke“, sagt Bürgermeister Steffen Ernst. Er habe die Hoffnung, dass Beiersdorf, das schon zweistellige Millionen-Beträge investiert habe, die richtige Entscheidung treffe. Entscheidend sei aber, dass das Werk überhaupt erhalten bleibe. Längst werden dort mehrheitlich Marken wie Nivea und Eucerin in Flaschen, Tuben und Nachfüllbeuteln abgefüllt, dazu Sachets, kleine Werbe- und Probepackungen.

Die Waldheimer sind dünnhäutig geworden, was ihre Creme betrifft. Auch in der Belegschaft, die mit noch 300 Beschäftigten binnen zehn Jahren um fast ein Viertel geschrumpft ist. Vor sechs Wochen gab es eine Mitarbeiterversammlung, seitdem Personalgespräche und wohl auch einen Maulkorb. So machen wildeste Gerüchte die Runde – bis hin zur Schließung des Standorts oder 2,5 Jahren Galgenfrist.

Betriebsratschef Jürgen Sager gibt sich gelassen. Die Lage sei „nicht so dramatisch wie dargestellt“, sagt er. Details will er nicht nennen. Auch die Gewerkschaft IG BCE schweigt. Bezirksleiter Jürgen Mehnert bestätigt nur: „Die Geschäftsführung von Florena hat uns und den Betriebsrat Mitte Juni um ein Gespräch gebeten.“

Und was sagt der Florena-Chef selbst? Nichts. „Wir geben ohne Abstimmung mit Hamburg keine Informationen“, heißt es aus dem Sekretariat von Raimund Münch. Dazu der Verweis an die Pressestelle von Beiersdorf. Doch auch die ist mit Antworten zurückhaltend, will „über betriebliche Interna nicht sprechen“. „Grundsätzlich liegt die Entscheidung über die Listung beim Handel“, sagt eine Sprecherin. Seitens dm sei „keine ganzheitliche Auslistung“ von Florena erfolgt. „Lediglich im Osten Deutschlands wurden Artikel ausgelistet, die bis dato auch nur im Osten angeboten wurden.“ Bundesweit seien bei dm weiter rund zehn Florena-Artikel gelistet. Wie viele ausgelistet wurden, verrät Beiersdorf nicht. Auch nicht, ob im Gegenzug mehr Nivea & Co geordert wurde, ob auch andere Händler dm gefolgt seien. Immerhin wird bestätigt, dass den Kundenservice „immer mal wieder Anfragen von Konsumenten“ erreichen, „die ,ihr‘ Produkt im Handel vor Ort nicht finden konnten“.

„Analysen ergaben, dass einige der Florena-Produkte für eine Vielzahl unserer Kunden nicht mehr attraktiv sind“, sagt Erich Harsch, Vorsitzender der dm-Geschäftsführung. „Wir haben uns deshalb dafür entschieden, diese Produkte durch neue zu ersetzen.“ Beliebte Produkte würden weiter angeboten, auch online. „Die Entscheidung zur Auslistung einiger Florena-Produkte hatte keinerlei politische oder inhaltsstoffliche Gründe“, so der dm-Chef, der in Sachsen 53 Märkte betreibt.

Edeka, auch mit fünf Marktkauf-Häusern im Freistaat, bittet um „Verständnis, dass wir zu unserer Sortimentspolitik keine Aussagen treffen“. Die Gruppe hatte 2015 Beiersdorf-Produkte nach einem Preisstreit aus dem Sortiment genommen.

Das Florena-Angebot der 80 sächsischen Kaufland-Filialen umfasst nach eigenen Angaben 30 Produkte. „In unserer Filiale in Waldheim führen wir all diese Artikel“, heißt es. Eine Verkäuferin vor Ort findet neben den Standarddosen und Handcremes gerade mal noch die Körperbutter und die Gesichtscreme für Männer. Auf der einen Packung steht „intensive Soforthilfe“, auf der anderen „beruhigt & schützt“.