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Flitterwochen im Fußballstadion

Zwei junge Leute aus Horka und Zittau schauen sich bei der Europameisterschaft zehn Spiele in 14 Tagen an.

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© privat

Von Jenny Thümmler

Flitterwochen am weißen Strand sind André Peukert und Tina Rothermel zu langweilig. Viel lieber stromern sie durch Städte in Frankreich, besuchen Sehenswürdigkeiten, genießen das französische Essen und schauen sich ein Fußballspiel der laufenden Europameisterschaft an – Tag für Tag. Fast. Drei freie Abende gibt es, ansonsten geht es ins Stadion, wo Zehntausende Fans die Mannschaften anfeuern. Und das sollen romantische Flitterwochen sein? André Peukert lacht. „Meine Frau macht das mir zuliebe. Aber die Idee hatte sie selbst.“

Etwa anderthalb Jahre ist das jetzt her. Als feststeht, dass die nächste Fußball-EM in Frankreich stattfindet, kommt Tina Rothermel die Idee. Ihr Freund ist schließlich großer Fußballfan, hat selbst in Horka gespielt, geht zu fast allen Heimspielen von Dynamo Dresden und reist manchmal auch mit. „Wir sind keine Strandtypen, lieber schauen wir uns im Urlaub Städte an“, erzählt die gebürtige Zittauerin. „Ich war noch nie in Frankreich, also passte das.“ Und irgendwie sei es doch egal, ob man sich in einem Museum langweile oder im Fußballstadion, sagt sie lachend. André Peukert ist sofort begeistert, kauft Tickets für fast 1 000 Euro und plant die Reise. Bei manchen gekauften Tickets steht noch nicht fest, welche Mannschaften da eigentlich spielen. Aber das ist für den Horkaer kein Nachteil. Er schaut sich alle Teams gern an, auch wenn er dem deutschen den Sieg am meisten wünscht.

Genau zu André Peukerts Geburtstag startet das Paar nach Frankreich. Es ist auch der Beginn der Fußball-EM. Gleich am ersten Spieltag sitzen die beiden im Stadion in Lens und schauen sich die Partie Albanien gegen die Schweiz an. Es ist der Beginn einer langen Fußballschau: zehn Spiele in 14 Tagen. „Ich bin ganz ehrlich: Langsam reicht es“, verrät die 30-Jährige nach acht Spielen am Telefon. Aber Frankreich sei zu faszinierend, um es wirklich satt zu haben. Die vielen Städte wie Lille, Saint-Etienne, Marseille, Lyon, Nizza und natürlich Paris. In der Hauptstadt verbringen sie mehrere Tage, wandern durch die Stadt, steigen auf den Eiffelturm und gehen ins Disneyland. Letzteres auf besonderen Wunsch einer einzelnen Dame – aber sie ist ja auch mal dran. Überall fahren die beiden mit ihrem Auto unkompliziert hin, 5 000 Kilometer alles in allem. Die Hotels sind alle schon im Vorfeld gebucht. Nur der Straßenverkehr in Paris macht André Peukert zu schaffen. „Sechsspurige Kreisverkehre! Und dazwischen die flinken Motorroller. Bei dem Verkehr habe ich ein paar graue Haare mehr bekommen.“

Und immer wieder die Überraschung für Tina Rothermel: In den Stadien ist es gar nicht langweilig. „Die Stimmung ist toll! Und ich bin meist die ganze erste Halbzeit damit beschäftigt, die Leute zu beobachten.“ Schräge Typen hat sie gesehen. In besonderer Erinnerung werden beiden wohl die Albaner bleiben, die in riesiger Zahl in den Stadien anzutreffen sind und super Stimmung verbreiten. Oder der grenzenlose Jubel um sie herum, als sie in der zweiten Reihe hinter dem Tor sitzen und die Tschechen im Spiel gegen Kroatien kurz vor Abpfiff einen Rückstand aufholen.

Aber es gibt auch negative Überraschungen: einen Diebstahl. André Peukert bekommt von seiner Partnerin eine Dynamo-Dresden-Flagge geschenkt, die er in den Stadien aufstellt und die sogar im Fernsehen gezeigt wird. Doch nur drei Tage später wird sie beim Spiel Island gegen Schweden gestohlen. Der 33-Jährige sieht sie eine Weile nicht, weil die beiden im irischen Block 90 Minuten lang von stehend mitfiebernden Isländern umringt sind. Dann ist die Fahne weg. „Das ist sehr ärgerlich.“

Aber auch so ein Erlebnis trübt die Begeisterung der vergangenen Wochen nicht. Heute kommen die beiden zurück nach Dresden, wohin sie vor zwei Jahren aus Hamburg gezogen sind. Es folgen ein paar Tage Ruhe, bis es ganz aufregend wird: Heirat! Die beiden haben das Ganze nämlich umgedreht: erst Flitterwochen, dann Hochzeit. Natürlich wurde für die Feier in Rothenburg auch ein Tag ausgesucht, an dem kein Spiel ist. Und danach wird sich André Peukert wohl an einer Ehefrau erfreuen können, die doch noch Feuer für seine Leidenschaft Fußball gefangen hat. „Ich schaue manchmal sogar im Fernsehen, wenn er nicht da ist“, verrät sie lachend. Und dann: „Aber nur, wenn es draußen regnet und nichts anderes kommt.“