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Fleischertradition seit 240 Jahren

Eichlers Spezialitäten waren in Rothenburg schon immer beliebt. Manche Rezepturen werden nur hier hergestellt.

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© André Schulze

Von Frank-Uwe Michel

Rothenburg. Der 15. November 1777 war für die Fleischerfamilie Eichler ein entscheidender Tag: Samuel Christoph Eichler unterschrieb den Erbkaufvertrag zur Übernahme der Fleischbank auf dem Grundstück Markt 21 in Rothenburg und gilt damit als Begründer der Eichler’schen Fleischertradition in der Stadt. Doch bis zur ersten Krise dauerte es nur ein paar Jahre. Schon 1798 vernichtete ein Stadtbrand große Teile der Bebauung – darunter auch die gerade neu entstandene Fleischerei Eichler. Entmutigen ließen sich die Gründerväter der Firma jedoch nicht. Im Gegenteil: Anstelle des abgebrannten Gebäudes entstand ein neues, das äußerlich, aber auch im Inneren, in den folgenden Jahrhunderten immer weiterentwickelt wurde. „Fleischer zu sein, war damals nicht einfach und ist es auch heute nicht. Unsere Familie war und ist aber in der glücklichen Lage, dass sich immer jemand gefunden hat, der diesen Handwerksberuf weiter ausüben wollte“, ist Christoph Eichler stolz auf seine Vorfahren.

Er selbst schaut gern auf die Unternehmensgeschichte, die auf verschiedenen Bildern dokumentiert ist und unter anderem auch den ersten Vergrößerungsbau zeigt, den seine Urgroßeltern Klara und Wilhelm Eichler im Jahre 1870 errichten ließen. „Damals wurde der Gebäudekomplex um einen Maschinenraum erweitert, in dem sich heute unsere Verkaufstheke befindet.“ Von Anfang an, weiß der Fleischermeister, hätten seine Ahnen parallel zur Herstellung von Wurst- und Fleischprodukten eine Gastwirtschaft betrieben, was damals auch mit dem Braurecht verbunden war.

In den Anfangszeiten, wissen Christoph und Robert Eichler, seien besonders Dauerwürste, aber auch Kochwürste wie Blut- und Leberwürstchen sowie Brühwürste sehr begehrt gewesen. „Die Nachfrage war da, im Winter aber geringer, weil da die Bauern im Umland von Rothenburg selbst schlachteten und ihre Tiere zu Wurst verarbeiteten.“ Bei Eichlers behalf man sich damit, nicht verkaufte Dauerwürste in Fett einzugießen und im Frühjahr weiterzuverarbeiten. „Fett ist wie eine atmende Schutzschicht“, erläutert der Senior-Chef, der die Leitung des Betriebes vor fast elf Jahren an seinen Sohn übergeben hat.

Traditionelle Produkte werden natürlich noch immer hergestellt. So hat das Eichler’sche Bockwurstrezept die Zeiten überdauert, wurde von Generation zu Generation weitergegeben und wird auch heute ausschließlich mit Naturgewürzen vermischt. Was genau hineinkommt, da lässt sich die Familie nicht in die Karten schauen. Auch die Herstellung ihrer Rothenburger Bratwurst bleibt ein gut gehütetes Geheimnis. Nur so viel geben Christoph und Robert Eichler preis: Die Bratwurst sei nach 1945 aus der Not heraus geboren worden, weil es in der schweren Zeit keine Tierdärme gab. „Die ‚Rothenburger‘ ist deshalb komplett ohne Darm. Sie hält ihre Form durch die Denaturierung der Eiweißverbindungen beim Brühen“, erklärt der Junior-Chef.

Das heutige Aussehen des Firmensitzes am Markt und der Priebuser Straße geht auf Neu- und Umbauten in den Jahren 1939 bis 1941 zurück. 2001 schloss sich noch der Bau eines neuen Produktionsraumes an. „Jetzt haben wir mit vier Gesellen eine Betriebsgröße, in der man die Produktgestaltung noch selbst beeinflussen kann“, sagt Robert Eichler. Die Technik in der Fleischerei sei auf dem neuesten Stand, einige Maschinen und Anlagen sogar computergesteuert. Als Beispiele nennt er Füllmaschine und Räucherkammer. Doch nicht alles wird auf modernste Art und Weise hergestellt. Die Produktion von Klassikern wie altdeutschem Kochschinken und Kasseler läuft wie vor 100 Jahren.

Über das Fortbestehen der Familientradition muss man sich auch in Zukunft keine Sorgen machen. Robert Eichler steht mit seinen 36 Jahren mittendrin im Berufsleben, sein jüngerer Bruder Philipp (20), der gerade eine Fleischerlehre in Mittweida macht, sogar noch am Anfang. Und die nächste Generation kündigt schon ihr Interesse an: Robert und seine Schwester Isabell (35), die als gelernte Fleischtechnikerin im Verkauf mitwirkt, haben bereits für viermal Nachwuchs gesorgt.

Trotz allen beruflichen Engagements bleibt bei den Eichlers noch Zeit, sich sportlich und gesellschaftlich zu engagieren: Robert schnürt bei Blau-Weiß Lodenau die Fußballschuhe und sitzt wie früher sein Vater im Rothenburger Stadtrat.

Am Sonnabend, 18. November, wird aus Anlass des 240-jährigen Firmenjubiläums zwischen 8 und 13 Uhr ins Festzelt auf der Priebuser Straße eingeladen.