Merken

Flaschenpost soll wieder in den Torbogen

Bereits zum zweiten Mal wurde das historische Tor am Friedhof in Linz aus Unachtsamkeit zerstört. Das ist die Chance für neue Post in die Zukunft.

Teilen
Folgen
NEU!
© Jörg Richter

Von Jörg Richter

Linz. Der gräfliche Friedhof in Linz ist ein Kleinod für Geschichtsfreunde und Heimatforscher. Hier liegen die sterblichen Überreste der ehemaligen Gutsherren Derer von Palm und Derer zu Münster. Wer sich Zeit lässt, im Schatten der Bäume an den 15 Grabplatten stehen zu bleiben und die Inschriften zu lesen, kann Geschichte atmen. Erst recht, wenn er ein Linzer Urgestein wie Frank Schneider an seiner Seite hat. Seit nachweislich zehn Generationen lebt seine Familie in dem Dorf. Wie kaum ein anderer weiß er über die Linzer Vergangenheit Bescheid. Und natürlich auch alles über den herrschaftlichen Friedhof.

Im letzten Jahr wurde der Eingang zum gräflichen Friedhof wieder eingerissen und wird derzeit erneuert.
Im letzten Jahr wurde der Eingang zum gräflichen Friedhof wieder eingerissen und wird derzeit erneuert. © Jörg Richter

Umso mehr schmerzt es ihn, dass der Torbogen, durch den Besucher dorthin gelangen, zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre zerstört wurde. Und das aus Eile und Unachtsamkeit.

Zuerst 2008, als der Greifarm eines Baufahrzeugs am Torbogen hängenblieb und ihn umwarf. Dieses Ereignis erwies sich trotz allen Ärgers über das beschädigte Baudenkmal als Glücksfall für die Linzer Geschichtsschreibung. Denn man fand in den Trümmern die Scherben einer Bierflasche. Diese konnte der früheren Ponickauer Brauerei Stelzner zugeordnet werden. Doch viel interessanter war deren Inhalt. Es war kein Gerstensaft, sondern ein handbeschriebener Zettel. Darauf stand: „Dieser Thorweg wurde gebaut im Jahre 1898, dem 9. Mai, durch die Maurer Wilhelm Heintz und Herrmann Bärmann aus Burkersdorf bei Ortrand, Emil Tennert aus Zochau und Arbeiter Wilhelm Kirste aus Lindenau.“ „Das hatte bis dahin keiner gewusst“, sagt Heimatforscher Frank Schneider. Es war lediglich bekannt, dass der Gutsherr Ernst Ludwig Jonathan Freiherr von Palm (1826 bis 1896) im Jahr 1890 den herrschaftlichen Friedhof anlegen ließ. Ursprünglich stand der Torbogen im Osten des Friedhofs. 1925 wurde er bei der Erweiterung des Areals durch Ernst-Georg Graf zu Münster nach Norden versetzt, in Richtung des ehemaligen Schlosses. In den umfangreichen Aufzeichnungen des letzten Besitzers von Rittergut Linz bis 1945, Graf zu Münster, fand sich kein Hinweis auf die Flaschenpost, in der sich die Bauleute selbst verewigten.

Als am 6. November 2008 der Torbogen nach dem Wiederaufbau wieder eingeweiht werden konnte, legte Schneider eine Plastehülse mit der alten Flaschenpost, Postkarten von Linz, Fotos mit Ortsansichten, einem Kirchgemeindeblatt und einem Brief für die Nachwelt hinein. Darin erläutert Schneider, wie der Zettel gefunden wurde. „Ich war mir sicher, wenn das mal wieder jemand aufmacht, liege ich bestimmt schon lange selbst auf dem Friedhof“, sagt er schmunzelnd.

Doch es kam anders. Der Sturm Ende Juni 2017 hatte einen großen Ast einer Roteiche gelöst. Er hing mehrere Meter über dem alten Eingang des gräflichen Friedhofs. Beim Versuch, den Ast zu sichern, fiel er allerdings mittig auf den Torbogen und zerstörte ihn erneut. Die Versicherung hat den Schaden übernommen. Zurzeit wird er von der Kraußnitzer Baufirma Förster rekonstruiert. Schneider verwahrt die Plastehülse mit der Flaschenpost und den anderen Dokumenten auf. Und wenn sie wieder in den Torbogen eingelassen wird, steckt eine neue Nachricht für unsere Nachkommen darin. Dann hoffentlich aber in ferner Zukunft und nicht wieder in zehn Jahren.