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Finstere Fahrpläne

Sachsen schaut bei der Bahn mal wieder in den Mond – ab Sonntag auch bei Nachtzügen.

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© ÖBB

Von Michael Rothe

Canopus ist nach Sirius der zweithellste Stern am Nachthimmel. Jahrelang leuchtete der Name auch auf Anzeigetafeln der Hauptbahnhöfe Dresden und Leipzig: als „City Night Line“ (CNL) 458 von Prag nach Zürich. Am Sonntag erlischt dieser Stern auf der Schiene – wie neun weitere himmlische Namensgeber im Nachtzugnetz der Deutschen Bahn (DB). Der Konzern sieht sich aus dem Verkehr mit Schlaf- und Liegewagen zurück – „aus wirtschaftlichen Gründen“, wie es heißt. Der Fahrplanwechsel bringt auch im Schnitt um 1,3 Prozent teurere Ticketpreise für ICE und IC.

Deren „Nightjet“ ist blau. Allerdings sehen die Dresdner eher schwarz – beziehungsweise nichts.
Deren „Nightjet“ ist blau. Allerdings sehen die Dresdner eher schwarz – beziehungsweise nichts. © ÖBB

Die österreichische Bundesbahn ÖBB springt nachts teilweise ein, übernimmt von den Deutschen 42 Schlaf- und 15 Liegewagen, investiert 40 Millionen Euro und bedient als „Nightjet“ künftig acht Verbindungen in Deutschland – alle an Sachsen vorbei. Die DB stellt Loks und Lokführer.

TV-Moderatorin Sandra Maischberger findet das gar nicht gut. Nach der Talkshow in Köln sei sie gern in den Nachtzug gestiegen, um morgens ausgeruht bei der Familie in Berlin zu frühstücken. Sie könne den Rückzug nicht verstehen, sagt sie. Auf ihren Fahrten seien die Nachtzüge voll gewesen. Ähnlich äußert sich SZ-Leserin Christiane Bachmann, die einen persönlichen Nachruf geschrieben hat (siehe rechts). Die DB nennt keine Zahlen zur Auslastung.

Es war ein Ende auf Raten. Noch 2002 hatte die DB ihr nächtliches Angebot auf 20 Züge ausgebaut. Doch der weiß-rote Fuhrpark blieb ein ungeliebtes Kind. Immer wieder gab es Umstrukturierungen und neue Verantwortlichkeiten. Veraltete Wagen, Kostendruck durch Billigflieger und Fernbusse, schwindender Service. 2015 machte das DB-Segment bei 90 Millionen Euro Umsatz 31 Millionen Euro Verlust.

Vor einem Jahr hatte die Bahn angekündigt, den Nachtzugverkehr Ende 2016 einzustellen. Der letzte CNL von Dresden in die Schweiz startet am Samstagabend. Es wird ein unvollendeter Abschied, denn der Zug endet statt in Zürich bereits in Basel.

Nicht nur der Nacht wegen sehen Reisende ab Dresden schwarz: „Die überregionale Nachtzug-Verbindung ab Dresden Richtung Oberrhein/Schweiz muss leider ersatzlos entfallen – ebenso die Verbindung Dresden–Köln“, heißt es von der Bahn. In der Gegenrichtung Köln–Dresden bestehe die Nachtverbindung mit Tagesreisezügen, also ohne Liege- oder Schlafwagen fort. Nur im Sommer seien täglich je ein Zug von Dresden nach Stuttgart und München geplant. Durchschlafen? Fehlanzeige, denn in Leipzig muss man umsteigen.

Auch die Nachtzug-Verbindung von der Messestadt nach Süddeutschland/Schweiz entfällt, räumt die Bahn ein. Als Alternative verkehre der neue Nightjet ab Halle nach Zürich, der aber zu nachtschlafender Zeit um 4:53 Uhr in Zürich ankommt. Als Zuwachs feiert die Bahn einen Nacht-IC von Leipzig nach Stuttgart und München – nur im Sommer. Am Tagesrand fahre zwischen Prag–Dresden–Leipzig ein Eurocity als Ersatz für den Nachtzug. Der EC habe in Leipzig Anschluss zum ICE nach Berlin. Also gebe es „auch gegen 21 Uhr noch“ eine Verbindung von der Landes- in die Bundeshauptstadt wenn auch „mit Umweg und etwa 30 Minuten langsamer“ als der CNL.

Die Österreicher machen 17 Prozent ihres Geschäfts im Fernverkehr mit Nachtzügen und sprechen von profitablem Geschäft. Gibt es womöglich noch ein böses Erwachen für den vorschnellen Aussteiger?