SZ +
Merken

Fini ist tot – wo sind die Millionen?

In Tel Aviv ist Rudolfine Steindling verstorben. Die Kommerzialrätin schaffte das SED-Vermögen beiseite. Nahm sie das Geheimnis um die Millionen mit ins Grab?

Teilen
Folgen
NEU!

Von Thomas Schade

Schon vor Jahren gab Rudolfine Steindling in einem ihrer wenigen Interviews das Motto preis, nach dem sie lebte: „Ich mach nix, wo nicht Geld rausspringt“, sagte sie damals. Zu jener Zeit hatte die Wiener Kommerzialrätin bereits bestens verdient – als Treuhänderin der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) und als Geschäftsführerin der DDR-Außenhandelsbetriebe Novum und Transcarbon.

1990, als die DDR unterging, verfügten diese Firmen über ein Vermögen von umgerechnet rund 250 Millionen Euro. Etwa die Hälfte dieser sogenannten SED-Millionen sind bis heute verschwunden. Rudolfine Steindling, auch als „rote Fini“ bekannt, könnte das Geheimnis um den Verbleib der Millionen mit ins Grab genommen haben. Denn die umtriebige Geschäftsfrau ist im Alter von 78 Jahren nach langer Krankheit in Tel Aviv verstorben, so meldeten es Medien vor einigen Tagen. Mit ihr starb eine der schillerndsten Figuren des Ost-West-Handels. Für die Dame mit Hang zu Chanel und Champagner war der Eiserne Vorhang nicht viel mehr als eine Tüllgardine.

Die 1934 geborene Wienerin begann ihre Karriere in der Finanzwirtschaft Mitte der 1950er-Jahre als Sekretärin in der Wiener Filiale der ungarischen Central Wechsel- und Creditbank. Hier lernte sie ihren Mann kennen, Adolf Steindling, jüdischer Widerstandskämpfer und Holocaust-Überlebenden. 1959 trat sie in die KPÖ ein. Ab 1966 machte sie im Firmengeflecht der Partei Karriere. Mit 39 Jahren erlangte die Frau mit dem Wiener Dialekt das Vertrauen der DDR-Wirtschaftslenker Günter Mittag, Gerhard Beil und Alexander Schalck-Golodkowski. Sie vertrauten ihr die Geschäfte der 1951 gegründeten Novum Handelsgesellschaft an. Die Firma beschaffte für die DDR Westwaren, vorbei am Wirtschaftsembargo, und war später Teil des Bereiches Kommerzielle Koordinierung. Novum kurbelte Ost-West-Geschäfte an und strich dafür hohe Provisionen ein – vom Westen. Von 1978 bis 1992 fungierte die „rote Fini“ als alleinige Treuhänderin des Firmenvermögens. Sie hatte Zugang zuHonecker,verkehrte in den höchsten Kreisen von Politik, Wirtschaft und Banken in Österreich. Ihre Hausbank war die Bank Austria, die zur Unicredit gehört, und die muss bis heute um Millionen Euro zittern – wegen „ Fini“.

Als Treuhänderin des Novum-Vermögens nahm Rudolfine Steindling 1991 mehrere schwindelerregende Transaktionen vor, um die Spur zu den Millionen zu verwischen. Mit 18 Überweisungen verschob sie das Firmenvermögen zunächst auf Konten in der Schweiz. BisFebruar 1992 flossen die Millionen zurück nach Österreich. Wie das Züricher Obergericht in seinem Urteil gegen die Bank Austria 2010 feststellte, ist das Geld später in 51 Tranchen zu jeweils 20 bis 60Millionen Schilling in Wien bar an Rudolfine Steindling ausgezahlt worden. In der Kasse der Bank habe die Dame die Millionen deponiert und später abgeholt. Dann verliert sich die Spur des Geldes.

Zu jener Zeit mühte sich die deutsche Justiz mit der Frage, wem die Firma Novum eigentlich gehörte. Die Treuhand hatte sie übernommen und alle Konten sperren lassen. Dagegen klagte Steindling, die stets erklärte, Novum gehöre der KPÖ. Das Berliner Oberverwaltungsgericht ordnete die Firma schließlich dem SED-Vermögen zu. Als die Entscheidung fiel, hatte „Fini“ die Konten bei der Bank Austria schon leergeräumt. Von den 255 Millionen Euro wurden noch 100 Millionen auf einer Züricher Bank gefunden, mehrere Millionen fielen Ermittlern auch bei Hausdurchsuchungen in die Hände. 130 Millionen Euro fehlen bis heute.

Genau diese Summe klagt die Treuhandnachfolgerin BvS seit 1994 in der Schweiz von der Unicredit ein. Das Züricher Obergericht urteilte inzwischen, dass der BvS das Geld zusteht. Die Richter hielten es für erwiesen, dass die Banker noch Geld an die „rote Fini“ auszahlten, obwohl die Novum-Konten bereits gesperrt waren. Damit hätte die Bank gegen ihre Sorgfaltspflicht verstoßen. Doch die Bank will nicht zahlen und hat das Bundesgericht angerufen.

Rudolfine Steindling kümmerte der Millionenstreit wenig. Sie lebte seit Jahren in Israel und trat dort vor allem als Wohltäterin in Erscheinung. Großzügig unterstützte sie die Universität Tel Aviv, sponserte österreichische Kulturaktivitäten in Israel.

So berichtete „Der Spiegel“, dass viel Geld von ihr in die Sanierung der Via Dolorosa in Jerusalem geflossen sei. Das Magazin zitiert nicht genannte deutsche diplomatische Kreise. Die erklärten: Die „rote Fini“ sei für Israel „so etwas wie ein wandelnder Bankautomat“.