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Fingerkuppe abgebissen

Ein Mann aus Freital wollte nur einen Streit schlichten. Am Ende wurde er selbst zum Opfer.

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© dpa/dpaweb

Von Yvonne Popp

Freital. So richtig grün sind sich Thomas K. und seine Nachbarn schon lange nicht mehr. Wenn man überhaupt noch miteinander redet, dann nur, um sich zu grüßen. Und das auch nur von Weitem. Warum das Verhältnis so schlecht ist, vermag heute keiner mehr genau zu sagen. Zu lange liegt der Grund zurück.

Der soll – da ist man sich aber einig – der Jähzorn des Angeklagten gewesen sein. Am 30. Juli 2016 gipfelten die jahrelang gepflegten Animositäten der Anwohner einer Freitaler Wohnsiedlung schließlich in einer handfesten Auseinandersetzung.

Damals, so erzählte der Geschädigte nun am Amtsgericht in Dippoldiswalde, seien er und seine Frau bei einem befreundeten Ehepaar zu Besuch gewesen. Im Garten habe man bei einem Glas Wein den Geburtstag des Gastgebers feiern wollen. Das soll den Angeklagten, der im Haus gegenüber wohnt, aber gestört haben. „Wir hatten die Übertragung des Roland-Kaiser-Konzerts laufen. Kann sein, dass das nicht ganz leise war“, räumte der 65-Jährige ein. Als ein weiterer Gast dann gegen 21.30 Uhr auch noch zwei Silvesterraketen zündete, war beim Angeklagten das Maß voll. Aus dem Fenster im ersten Stock seines Hauses beschwerte er sich über den Krach.

Das Ganze sei dann verbal schnell eskaliert, erklärte der Geschädigte weiter. Dass der Angeklagte das alles auch noch mit seinem Handy filmte, hatte ebenso wenig zur Entspannung der Lage beigetragen, wie der Alkohol, dem alle Beteiligten zugesprochen hatten.

Irgendwann war Thomas K. aber aus seinem Haus gekommen. Da sei es erneut zu einem heftigen Wortwechsel zwischen ihm und dem Gastgeber gekommen, schilderte das Opfer. Brust an Brust hatten sich die beiden Kontrahenten gegenübergestanden. Dann gab es wohl schon die ersten Schläge. „Ich bin dazwischen gegangen, wollte die beiden mit meinen Armen auseinander drücken. Da spürte ich plötzlich einen heftigen Schmerz an der linken Hand“, erklärte der Rentner. Schockiert und stark blutend war er sofort zurück in das Grundstück des Gastgebers gelaufen.

Noch heute Beschwerden

Obwohl die Kuppe seines linken Zeigefingers gefunden wurde, konnte sie später im Krankenhaus nicht mehr angenäht werden. Unter den Folgen der teilweisen Amputation des oberen Fingergliedes leidet der Linkshänder noch heute, da er nach wie vor Schmerzen hat und der Finger in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt ist.

Der Angeklagte wollte sich vor Gericht aber nicht zu den Vorwürfen äußern. Der 51-Jährige zog es vor, zu schweigen. Lediglich dem Geschädigten gegenüber teilte er sein Bedauern mit, sagte aber, dass er sich nicht erinnern könne, zugebissen zu haben.

Dem entgegen stand die Aussage, die er kurz nach der Tat bei der Polizei abgegeben hatte. Damals gab er den Biss zu, sagte aber auch, dass er reflexartig und unbeabsichtigt in Notwehr gehandelt habe. Auch wenn es mehrere Hinweise darauf gab, dass es deutliche Drohungen gegen Thomas K. gegeben hatte, konnte das Gericht, entgegen der Verteidigung, keine Notwehrsituation feststellen.

Auch an eine Affekthandlung glaubt es nicht. Um jemandem die Fingerkuppe abzubeißen, müsse man schon allerhand Kraft aufwenden, begründete das die vorsitzende Richterin.

Aufgrund der Schwere der Verletzung und deren gravierenden Folgen für das Opfer müsse sie hier deutlich reagieren, erklärte sie weiter und verurteilte Thomas K. zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Da der Deutsche bisher nicht vorbestraft war, konnte die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Dem Geschädigten muss der Angeklagte nun 1 000 Euro Schmerzensgeld zahlen, zudem trägt er auch die Kosten des Verfahrens.