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Filmmusik in der Werkhalle

Wo sonst Stahl bearbeitet wird, spielt im Juni die Elbland Philharmonie. Eine Tradition, die eher zufällig entstand.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Riesa. Als Werner Gansohr durch die Werkhalle von Freyler Industriebau führt, lässt sich noch nicht erahnen, wie hier in drei Wochen ein Orchester spielen soll. Riesige Stahlträger liegen sauber aufgereiht in dem Gebäude, hier und da flackert das Licht von Schweißgeräten auf. Kaum vorstellbar, dass hier schon Stücke von Wagner und Schubert zu hören waren. Und doch wird hier am 10. Juni die Elbland Philharmonie Musik aus bekannten Hollywood-Filmen zum Besten geben. Es wird bereits der 23. Auftritt des Orchesters in der Halle sein.

© Freyler

Dass die Konzerte bei Freyler einmal zur Tradition werden würden, war 1995 allerdings noch nicht abzusehen gewesen, sagt Werner Gansohr, Geschäftsbereichsleiter bei Freyler Industriebau. „Angefangen hat alles mit einer vorsichtigen Anfrage der Elbland Philharmonie, ob wir nicht unsere Werkhalle für einen Abend zur Verfügung stellen könnten.“ Damals suchte das Orchester nach einem geeigneten Spielort für sein „Konzert der Versöhnung“. Versöhnung bezog sich dabei nicht allein auf das Ende des Zweiten Weltkrieges, das damals 50 Jahre zurücklag, sondern auch auf die Versöhnung mit der sich verändernden Industrie. Deshalb wünschte sich Generalmusikdirektor Peter Fanger eine alte, leere Werkhalle als Veranstaltungsort – und wurde in der ehemaligen Walzwerkhalle fündig, die damals gerade von Freyler für die eigenen Zwecke umgebaut wurde. „Im nächsten Jahr wurde dann wieder angefragt“, erzählt Werner Gansohr. Und irgendwann hätten sich die Verantwortlichen im Unternehmen selbst gesagt, dass diese Konzerte doch Tradition werden könnten. „Ich kenne jedenfalls keine andere Industriehalle, in der so etwas gemacht wird. Das ist schon ein Alleinstellungsmerkmal.“

Auch aus Sicht der Elbland Philharmonie ist das Konzert, das von der FVG veranstaltet und technisch betreut wird, etwas ganz Besonderes, sagt Konzertplaner Thomas Herm. „Es ist der traditionelle Saisonabschluss des Orchesters in Riesa und zudem ein Programmhighlight, denn dieses Konzert wird vom Orchester extra für die Freyler-Halle einstudiert.“ Außerdem sei der Kontakt zwischen Musikern und Publikum enger, weil keine feste Bühne zwischen beiden steht. Und selbst akustisch sei die Halle „ein absoluter Glücksgriff, da hier die klassischen Werke trotz der Größe der Halle auch ohne Tonverstärkung gut klingen und auch in den hinteren Reihen die Zuhörer erreicht“. Gleichzeitig ist das Freyler-Konzert laut Thomas Herm zuverlässig besser besucht als die Pendants in der Stadthalle. Ein Indiz dafür, dass nicht nur das klassische Konzertpublikum den Weg zur Heinrich-Schönberg-Straße findet.

Auch Werner Gansohr verrät, er sei vor seinem ersten Konzertbesuch 1997 skeptisch gewesen. Man habe ja schon ein gewisses Bild im Kopf, wenn man an klassische Konzerte denke. Aber genau das seien die Veranstaltungen in der Werkhalle eben nicht. „Das ist ja das Begeisternde daran: Es ist wirklich sehr, sehr kurzweilig.“ Dann gerät der Bereichsleiter kurz ins Schwärmen, als er von seiner ersten Orchester-Erfahrung vor 20 Jahren erzählt. „Damals stand das Konzert unter dem Motto Filmmusiken.“ Er erinnere sich heute noch daran, wie die Titelmelodie aus „Spiel mir das Lied vom Tod“ erklang. „Der Mundharmonika-Mann stand auf dem Balkon, glaube ich. Das war Wahnsinn!“ Auch in diesem Jahr begibt sich die Elbland Philharmonie wieder auf die Spuren des Films. „Hollywood“ lautet das Thema der Veranstaltung.

Längst sind die jährlichen Konzerte ein fester Bestandteil der Firmenkultur bei Freyler. Jedes Jahr reserviere man rund 250 Karten für Mitarbeiter und Partner des Konzerns, sagt Werner Gansohr. Es sei ein gutes Mittel zur Kundenpflege. „Aber auch die Stadt und die Elbland Philharmonie haben etwas davon.“ Schließlich werden für das Konzert Gäste aus ganz Deutschland eingeladen. Da kämen schon auch Leute aus Neuruppin bis nach Riesa. Und im Anschluss feiert das Unternehmen nebenan im Festzelt weiter. Dennoch, betont Gansohr, sei das Konzert in der Werkhalle in erster Linie für das öffentliche Publikum bestimmt. Das ist freilich auch neugierig auf den Konzertort, der ja auch eine gewisse Attraktion sei, sagt Konzertplaner Thomas Herm. Schließlich sei die Halle sonst nicht öffentlich zugänglich. Dass das Sommerkonzert ein Highlight für viele Riesaer ist, mache sich dennoch bemerkbar: „In den letzten Jahren lag die Besucherzahl in den Freyler-Konzerten jeweils konstant bei 600 musikbegeisterten Zuhörern.“