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Filmgauner zwischen Felsen und Schnee

1957 drehte die DEFA im Zittauer Gebirge einen Kriminalfilm. Die Anteilnahme der Einwohner war groß.

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Von Bernd Dreßler

Die Gauner hatten alles bis ins Detail geplant im Winter 1956/57 im Zittauer Gebirge: Die Schmuggelrouten im schwierigen Felsgelände entlang der tschechischen Grenze. Eine Gaststätte, in der man übernachtete, nicht auffiel und in der zugleich alle Fäden zusammenliefen, ein Versteck auf dem Boden der alten Waltersdorfer Schule, wo es kein Mensch vermutete. Ein perfektes Szenario für einen großen Kriminalfall, der schließlich auch Wirklichkeit wurde – als DEFA-Film.

Am 26. Januar 1957 berichtete die SZ über eine Einwohnerversammlung in Waltersdorf.
Am 26. Januar 1957 berichtete die SZ über eine Einwohnerversammlung in Waltersdorf. © Repro
Regisseur Günter Reisch bereitete die Schuljungen – 2. v. l. und kleines Bild Joachim Zielbauer – auf die nächsten Szenen vor.
Regisseur Günter Reisch bereitete die Schuljungen – 2. v. l. und kleines Bild Joachim Zielbauer – auf die nächsten Szenen vor. © privat

Vor 60 Jahren wurde in Oybin, Jonsdorf, Waltersdorf und Großschönau frei nach einer Gerichtsakte der Kriminalstreifen „Spur in die Nacht“ gedreht. Es war einer der ersten Filme überhaupt, den die DEFA maßgeblich in der Oberlausitz produzierte. Entsprechend groß war das Interesse der Einwohner an den Dreharbeiten. Und genauso groß war das Interesse der Filmemacher an den Einwohnern. Die sollten wissen, warum zum Beispiel rund um den Oybiner Bahnhof schwere Kamera- und Lichttechnik aufgebaut wurde und warum eine Windmaschine für Flockenwirbel sorgte usw. Außerdem setzte man auf die Mitwirkung der Einheimischen, denn der Bedarf an Kleindarstellern war groß. Die Aufnahmeleitung ging daher in die Offensive und lud am 20. Januar 1957 zu einem Forum in das damalige Bekleidungswerk Waltersdorf ein. Gab es hier schon einen überfüllten Saal, so war die Resonanz auf ein Filmforum der Sächsischen Zeitung am 12. Februar noch größer. Man musste ins Zittauer Volkshaus wechseln, um die 500 Interessenten unterzubringen.

Die Filmemacher informierten in den Veranstaltungen über die Handlung, in der die junge Saisonverkäuferin Sabine (Eva-Maria Hagen) in die Gewalt einer Agentenbande kommt. Ihr Freund Ulli (Ulrich Thein) aus Berlin macht sich auf eigene Faust auf die Suche und gerät dabei selbst in die Fänge der Gauner. Bis schließlich Grenzer der DDR und der Tschechoslowakei beide in letzter Minute retten. Auch die Schauspieler wurden vorgestellt. Zu den Bekanntesten zählten außer den beiden Hauptdarstellern Annekathrin Bürger (Jahrgang 1937) und Hans-Peter Minetti (1926 bis 2006), der den fiesen aalglatten Bandenchef mimte. Zur Sprache dürften auch der „Fuchsbau-Boogie“ gekommen sein, den Ulrich Thein (1930 bis 1995) selbst komponiert hatte.

Mit großer Erwartung fieberten die Gebirgsorte dem fertigen Film entgegen. Schon kurz nach der DDR-Premiere am 25. Oktober 1957 im Berliner „Babylon“ war er in Zittau zu sehen. Man erkannte den „Fuchsbau“, den Vorgänger der heutigen „Hubertusbaude“. Viele sahen sich als Kleindarsteller wieder. Und drei Schuljungen begutachteten, wie sie unter Anleitung von Regisseur Günter Reisch auf dem Waltersdorfer Schulboden der Bande auf die Schliche gekommen waren. Einer der Schüler war der spätere Professor für Energiewirtschaft und langjährige Prorektor Forschung der Hochschule Zittau/Görlitz Joachim Zielbauer.

Der Film wurde in Schwarz-Weiß gedreht. Und so war auch die Symbolik seines Inhalts. „Sympathie und Antipathie sind richtig verteilt: Den Ganoven gehört die Feindschaft und den ehrlichen Menschen die Zuneigung des Beschauers“, schrieb der „Filmspiegel“ 25/1957. So wohlwollend waren allerdings nicht alle Kritiken. Schließlich verschwand „Spur in die Nacht“ in der Versenkung. Aus der Erinnerung ließ er sich aber bis heute nicht verdrängen. Das MDR-Fernsehen griff vor einem Jahr in der Dokumentation „Im Reich der Schmuggler – Die Geheimnisse des Oybin“ den vor 60 Jahren gedrehten DEFA-Krimi auf. Und Eva-Maria Hagen (Jahrgang 1934) schwärmte beim Neißefilmfestival 2007 von ihrer ersten Filmrolle, von den Dreharbeiten in Waltersdorf und davon, wie sie damals als junges Mädchen mit Skiern die Berge heruntergefahren war.