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Fiat schmiedet einen Autokonzern

Dieser Deal ist der Befreiungsschlag für Fiat: Konzernchef Sergio Marchionne hat sich die volle Kontrolle über die US-Tochter Chrysler gesichert. Die Italiener schließen damit zu den ganz großen Autobauern auf.

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© Reuters

Daniel Schnettler und Miriam Schmidt

Turin/Auburn Hills. Es ist nicht nett, was der Volksmund über Fiat sagt. Der Firmenname stehe für „Fehler In Allen Teilen“, spotten die Deutschen. „Fix It Again, Tony“, lästern die Amerikaner, „Reparier es noch einmal, Tony.“ Besonders in Zeiten schwacher Autoverkäufe schien es da wenig verwunderlich, dass Fiat unter die Räder zu geraten drohte. VW oder Toyota haben mehr Geld, mehr Entwickler, mehr Marktmacht. Doch mit der Komplettübernahme des US-Herstellers Chrysler schaltet Firmenchef Sergio Marchionne den Turbo ein.

„Im Leben einer jeden großen Organisation und ihrer Leute gibt es prägende Momente, die in die Geschichtsbücher eingehen“, erklärte Marchionne. Die vollständige Übernahme von Chrysler durch Fiat sei ein solcher Moment. Tatsächlich schiebt sich der Autokonzern auf Platz 7 der globalen Hersteller vor. Nach der jüngsten verfügbaren Aufstellung des Branchenverbandes OICA für das Jahr 2012 produzierten Fiat (Platz 13) und Chrysler (Platz 11) zusammen mehr Fahrzeuge als Honda oder Peugeot Citroën.

Und Größe ist im knallharten Autogeschäft entscheidend. Denn die Entwicklungskosten sind gigantisch hoch, und ein großer Hersteller kann günstiger produzieren. Der VW-Konzern beweist das mit vielen gleichen Teilen in seinen Volkswagen, Audis, Seats oder Skodas. Auch die Marktführer Toyota und General Motors nutzen ihre schiere Masse, um im Wettbewerb einen Vorteil zu ergattern.

Italienisch-amerikanische Erfolgsgeschichte

Fiat und Chrysler arbeiten zusammen, seitdem sich die Italiener vor vier Jahren angeboten haben, dem damals insolventen US-Hersteller wieder auf die Beine zu helfen. Es klappte. So steckt mittlerweile sogar in den uramerikanischen Jeeps ein gutes Stück italienische Technik, etwa beim neuen Cherokee. Fiat nutzte zudem seine neuen Kontakte für das eigene Comeback im Land. Der kleine Fiat 500 ist in US-Metropolen mit ihrem knappen Parkraum mittlerweile ein durchaus vertrauter Anblick.

Doch Fiat konnte bei Chrysler bislang nicht frei schalten und walten. Denn der Gesundheitsfonds der US-Autogewerkschaft UAW hielt 41,5 Prozent der Anteile. Mit dem Kauf dieses Pakets kann Marchionne die beiden Hersteller noch enger verzahnen. „Chrysler wird italienisch“, sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer voraus. Entwicklung und Produktion würden systematisch unter ein Dach kommen.

Börse reagiert positiv auf Übernahme

Vor allem kann Marchionne jetzt ungehindert auf Chryslers Barreserven zugreifen. Denn im Gegensatz zu den Italienern verdienen die Amerikaner dank eines florierenden nordamerikanischen Marktes gutes Geld. Fiat dagegen litt unter den schwachen Autoverkäufen in Europa und zuletzt auch im wichtigen brasilianischen Markt.

Kein Wunder, dass die Nachricht von der Komplettübernahme in Fiats Heimat positiv aufgenommen wurde. Es sei „eine strategische Entscheidung, von der wir uns positive Konsequenzen auch für Italien und Turin erhoffen“, sagte Bürgermeister Piero Fassino.

Von der zuvor oft geäußerten Angst, Fiat könne im Falle einer Fusion seinen Unternehmenssitz in die USA verlegen, war zunächst keine Spur mehr. Die Übernahme sei eine „positive Nachricht, nicht nur für Fiat, sondern das gesamte industrielle Panorama in Italien“, sagte Giovanni Centrella, Generalsekretär der Gewerkschaft UGL. Fiat hat noch fünf Werke im Land.

Auch die Börsianer stimmten in die Jubelstimmung ein. Der Kauf beende die Unsicherheit, erklärten die Analysten der Citigroup. Die Aktie der Fabbrica Italiana Automobili Torino, der „Italienischen Automobilfabrik Turin“ - der wahren Abkürzung für Fiat - schoss zum Börsenstart am Dienstag um mehr als 14 Prozent in die Höhe. (dpa)