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Feuerwerk und scharfe Sachen in Zittau

Die Marktwirtschaft krempelte das Gewerbe von Steffen Bartsch völlig um, aber noch immer schleift der Chef selber.

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© Mario Heinke

Von Mario Heinke

Bettina Bartsch sieht ihren Mann Steffen tagsüber nur im Blaumann. Und das seit 30 Jahren. Noch zu DDR-Zeiten, im Juli 1987 eröffnete Steffen Bartsch mit dem Segen des damaligen Rates des Kreises eine Schleiferei in Zittau. Das Handwerk erlernte der Zittauer zuvor im volkseigenen Robur-Werk, wo er auch vier Jahre arbeitete.

Mit selbst gebauten oder selbst organisierten Maschinen bezog er eine Werkstatt in der Böhmischen Straße 41, neben der damaligen Jugendzahnklinik. Über Zeitungsannoncen beschaffte er sich beispielsweise einen Sägeblattautomaten aus Berlin. Aufträge bekam die Werkzeugschleiferei damals zur Genüge, der Bedarf war groß. Einen Verkauf gab es nicht, weil es nichts zu verkaufen gab, erinnert sich der 54-Jährige. Nach der politischen Wende wendete sich das Blatt. Bartsch musste neue Kunden gewinnen, weil einige wegbrachen. Weil die alte Werkstatt zu klein wurde, kaufte das Ehepaar das Haus in der Bahnhofstraße 24, sanierte es, richtete im Erdgeschoss einen Laden ein und zog oben drüber ein.

Seither handelt Steffen Bartsch mit allem, was scharf ist, schneidet oder feuert: Küchen-, Fleischer- oder Hobelmesser, Nagel-, Papier- oder Heckenscheren, Nagelzangen, Sägeblätter, Schreckschuss-, Luftdruck- oder Signalwaffen, Feuerwerkskörper und diverses Zubehör. Feuerwerkskörper gibt es ganzjährig, allerdings nur mit einer Genehmigung der Gemeinde oder des Bürgeramtes.

Fast alles was der Zittauer verkauft, repariert, schärft oder dengelt er auch. „Qualität ist das A und O“, sagt der Werkzeugschleifer, der sich auf Mundpropaganda verlässt und nicht viel von Werbung hält. Seine Ehefrau Bettina hilft tatkräftig in der Firma mit.

1993 wurde das Angebot ausgeweitet, Schlüsselservice und Sicherheitstechnik kamen dazu. Eine richtige Entscheidung, wie sich jetzt zeigt, von einstmals fünf Schlüsseldiensten sind in Zittau noch drei übrig. Zwei schlossen altersbedingt. Wer vor verschlossener Tür steht, kann innerhalb der Öffnungszeiten im Laden anrufen. „Nachts öffne ich keine Türen, irgendwann muss ich mal schlafen“, erklärt der Einzelkämpfer.

Türöffnungen im Auftrag von Vermietern oder dem Gerichtsvollzieher gehören zum Alltag und laufen nicht immer ohne Überraschungen ab. So beauftragte ein Vermieter Bartsch das Schloss einer Wohnungstür zu öffnen, weil der Mieter nicht auf Klingeln reagierte und lange Zeit nicht gesehen wurde. Als der Notöffner die Wohnung betrat, staunte er nicht schlecht. Hinter der Tür stand der Mieter. Eine Woche später sei die völlig vermüllte Wohnung abgebrannt, erinnert sich Steffen Bartsch. Hinter einer anderen Tür fand er einmal einen alleingelassenen Hund und viele Tierknochen.

Neben Privatpersonen gehören Unternehmen wie Zifru, die Baumwollweberei oder Ploucquet in der Weinau zu den Kunden der Werkzeugschleiferei. Weil das Schleiferhandwerk vielerorts vom Aussterben bedroht oder sehr teuer ist, bekommt der Zittauer Pakete von überall her. Aus Berlin, Hamburg oder der Schweiz.

Köche, die aus Zittau stammen oder Urlauber, die den Laden in Zittau entdeckt haben, schicken regelmäßig ihre Messer zum Schärfen in die Oberlausitz. Schnäppchenjäger können sich freuen, anlässlich des 30-jährigen Betriebsjubiläums gewährt Bartsch bis 18. Juli zehn Prozent Rabatt auf Handelsware. Wer die Gelegenheit sich ein neues Messer-Set zuzulegen verpasst, kann jedoch jederzeit seine alten Küchenmesser schleifen lassen.