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Feuerwehrleute helfen Marianna

Die Radebeuler Kameraden haben in einer ungewöhnlichen Aktion Geld gesammelt, damit das Mädchen aus der Ukraine in Dresden untersucht werden kann.

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© Norbert Millauer

Von Nina Schirmer

Radebeul. Marianna weiß, wie man die Großen um den Finger wickelt. Mit einem verschmitzten Lächeln kullert die Vierjährige in ihrem Bett auf der Kinderstation der Uniklinik in Dresden herum. Die blonden Haare sind mit Schleifen zu zwei kleinen Zöpfen gebunden. Eine blaue Micky-Maus lacht auf dem Pullover, die Hose ist mit rosa Pünktchen übersät.

Genau beobachtet das Mädchen, was um sie herum passiert. Auch wenn sie gar nicht verstehen kann, was die Erwachsenen reden. Marianna kommt aus der Ukraine und spricht kein Deutsch. Im Krankenhaus hat die kleine Patientin Besuch von zwei Feuerwehrkameraden und ihren Frauen aus Radebeul. Ihnen ist es zu verdanken, dass das Mädchen in Dresden untersucht wird. Dafür haben die Radebeuler viel Geld gesammelt.

Denn auf dem Bett herumtoben konnte Marianna vor zwei Jahren nicht. Damals bekam sie über Nacht plötzlich hohes Fieber, erzählen ihre Eltern. „Ihre Knie waren angeschwollen. Sie konnte sich nicht hinstellen und nicht aufstehen“, sagt Papa Evgenij. Ein Schock für die jungen Eltern. Sofort fahren sie mit der Kleinen ins Krankenhaus. Doch auch dort sind die Ärzte ratlos. „Sie haben erst gedacht, dass es eine Infektion ist“, sagt der Vater. Die Knie der damals Zweijährigen werden punktiert, um Flüssigkeit abzulassen. Doch die Schwellung geht nicht zurück. Eine Diagnose stellen die Mediziner nicht. Ihre Eltern bringen Marianna in ein anderes Krankenhaus nach Kiew. Wieder muss sie viele Untersuchungen über sich ergehen lassen. Dann wird festgestellt: Das Mädchen leidet an Rheuma.

Marianna bekommt ein Medikament verordnet. Das hilft zwar gegen die Rheumaschübe, ihre Eltern machen sich aber trotzdem weiter Sorgen. Denn die Nebenwirkungen sind stark. Das Präparat hat Auswirkungen auf die Organe. Die Leber des Mädchens schwillt dadurch an.

Von seinen Ängsten erzählt Vater Evgenij auch den Kollegen. Er arbeitet auf der Feuerwehrwache in Obuchiv, der Partnerstadt von Radebeul. Zu dieser Zeit sind gerade Feuerwehrleute aus Radebeul dort zu Besuch. Schon mehrfach haben sie Spenden in die Partnerstadt gebracht, Krankenhausbetten, Schulmöbel und Feuerwehrausrüstungen zum Beispiel. Unter den Kameraden aus Radebeul ist Steffen Kurtz. Seinem ukrainischen Feuerwehrkollegen verspricht er, sich zu Hause umzuhören, ob Marianna in Deutschland untersucht werden könnte.

Vom Dresdner Uniklinikum bekommt Kurtz positive Antwort. Allerdings kosten die Untersuchungen inklusive eines kurzen Krankenhausaufenthalts 8 500 Euro. Das kann sich die ukrainische Familie nicht leisten. Zusammen mit seinem Kameraden Frank Zachlod überlegt sich der Feuerwehrmann deshalb, Spenden zu sammeln. In der Stadt verteilen sie Plakate mit dem Foto der kleinen Marianna.

Es ist da gerade April und eigentlich eine ungünstige Zeit, um Spenden zu sammeln. Trotzdem helfen etliche Einwohner. Viele überweisen 50, manche sogar hundert Euro. „Wir möchten uns bei allen bedanken, die gespendet haben“, sagt Zachlod. Auch kleinere Beträge zählten. Vom Lions Club Radebeul bekommen die Feuerwehrleute 1 500 Euro. Die Gaststätte Sonnenhof sammelt bei ihrer Eröffnung 600 Euro. Und weil auch die Ärzte in der Uniklinik auf Geld verzichten, kann Marianna mit ihren Eltern schließlich anreisen.

Anfang Oktober ist es so weit. Mit dem Bus kommt die Familie nach Dresden. Über 29 Stunden sind sie unterwegs. Ihrem kleinen Mädchen verkaufen die Eltern die Reise als Abenteuer. Es geht zu spannenden Ärzten, die eine andere Sprache sprechen, erklären sie ihr.

Als die Radebeuler Feuerwehrleute Marianna ein paar Tage später im Krankenhaus besuchen, hat sie die Untersuchungen schon hinter sich. Und ihre Ärztin Normi Brück kommt mit guten Neuigkeiten. Marianna hat zur Zeit keinerlei Entzündungen im Körper. Je länger dieser Zustand anhält, umso wahrscheinlicher ist es, dass sie keine neuen Rheumaschübe bekommt. Das starke Medikament könne sie dann irgendwann absetzen, sagt die Ärztin. „Das Ziel ist, dass sie ein ganz normales Leben führt“, so Brück. Den Eltern fällt ein Stein vom Herzen. Denn in Kiew hatte man ihnen gesagt, dass Marianna das Medikament ihr ganzes Leben lang nehmen müsse. „Wir sind sehr dankbar, dass die Radebeuler sich gekümmert haben“, sagt der Vater.