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„Feuerwehr mit Zwang funktioniert nicht“

Hirschstein: Die Wehren haben in vier Jahren zehn Prozent ihrer Kameraden verloren. Bürgermeister Conrad Seifert bleibt gelassen.

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© Sebastian Schultz

Herr Seifert, die Feuerwehren in der Gemeinde haben seit 2013 unter dem Strich sieben aktive Kameraden weniger. Reicht das vorhandene Personal, um vor allem in der Woche die Einsatzbereitschaft sicherzustellen?

Conrad Seifert (CDU) ist seit dem vergangenen Jahr Bürgermeister der Gemeinde Hirschstein und damit auch Chef der Feuerwehren.
Conrad Seifert (CDU) ist seit dem vergangenen Jahr Bürgermeister der Gemeinde Hirschstein und damit auch Chef der Feuerwehren. © Sebastian Schultz

Wir haben in den drei Ortsfeuerwehren in Heyda, Althirschstein und Mehltheuer immer noch 77 aktive Kameraden. Und das in einer Gemeinde mit rund 2 000 Einwohnern. Nur mal zum Vergleich: Riesa mit rund 30 000 Einwohnern hat rund 150 aktive Feuerwehrleute. Grundsätzlich reicht das Personal, weil bei Einsätzen immer alle drei Ortswehren alarmiert werden.

Oft ist es tagsüber problematisch, genug Feuerwehrleute zu finden, weil viele auswärts arbeiten. Wie ist das in Hirschstein?

Es ist nicht ein so großes Problem wie anderswo, weil viele Feuerwehrleute im Ort oder der näheren Umgebung tätig sind. An dieser Stelle mal ein Dank an die Unternehmer, die die Angestellten für Einsätze freistellen. Sollte es doch mal nicht reichen, gibt es ein Hilfsabkommen mit Riesa. Dann rückt die dortige Feuerwehr mit aus.

Sehen Sie künftig Probleme, dass die Zahl der Feuerwehrleute nicht mehr ausreicht?

Die sehe ich in unserer Gemeinde nicht. Wir haben von der Altersstruktur her eine gesunde Mischung. Viele Kameraden können noch 20, 30 Jahre lang Dienst tun. Vor allem Althirschstein ist eine sehr junge Wehr. Zudem haben wir eine aktive Jugendfeuerwehr mit derzeit 13 Mitgliedern. Da werden der eine oder die andere später in die „richtige“ Feuerwehr wechseln.

Mitarbeiter des Bauhofes oder gar andere Bürger für die Wehr zu verpflichten, ist also in Hirschstein kein Thema?

So etwas gibt es bei uns nicht. Es bringt auch nichts, jemanden zwangszuverpflichten, selbst wenn das gesetzlich möglich ist. Feuerwehrmann ist man aus Überzeugung, mit Leib und Seele, sonst funktioniert es nicht, gleich gar nicht mit Zwang.

Wie sind die Hirschsteiner Wehren materiell ausgestattet?

Heyda und Althirschstein sind akzeptabel ausgestattet. Sorgen bereitet uns Mehl-theuer. Sowohl das Feuerwehrgerätehaus als auch die Fahrzeuge müssten erneuert werden. Ich bin sehr dankbar, dass die dortigen Kameraden unter den gegenwärtigen Bedingungen noch ihren Dienst tun.

Die Ortswehr Heyda hatte im Vorjahr drei Einsätze, alles technische Hilfeleistungen, die Ortswehr Mehltheuer kam auf sechs Einsätze, davon ein Fehlalarm. Wäre eine Zusammenlegung der Wehren nicht sinnvoll?

Wir sind natürlich froh, dass es im vergangenen Jahr keine Brände gab. Ein Zusammenlegen von Wehren hat immer zwei Seiten. Auf der einen spart man dadurch natürlich Kosten, auf der anderen müssen die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden. Das betrifft die Ausrückzeiten und dass mindestens 85 Prozent des Einsatzgebietes abgedeckt sind. Das ist schon jetzt mit Hilfeleistungen auf der B 6 nicht immer der Fall. Früher hatten wir in der Gemeinde acht Wehren, heute sind es nur noch drei. Normalerweise ist damit die Neuorganisation der Ortswehren abgeschlossen.

Was heißt normalerweise.

Derzeit wird gemeinsam mit Riesa, Stauchitz und Strehla ein neuer, regionaler Brandschutzbedarfsplan erarbeitet. Kommt dieser zu dem Schluss, dass der Standort Mehltheuer bestehen bleiben muss, sind große Investitionen in Haus und Technik nötig.

Die werden doch gefördert?

Grundsätzlich ja. Allerdings hat der Freistaat seine Förderpolitik beim Brandschutz geändert. Für feuerwehrtechnische Ausrüstung gibt es keine Zuschüsse mehr. Ab diesem Jahr reichen die an den Landkreis ausgereichten Fördermittel nicht mehr aus, um alle kommunalen Maßnahmen zu fördern.

Was bedeutet das für Hirschstein?

Wir müssen diese Maßnahmen so lange aufschieben, bis es Fördergeld gibt, oder ohne Fördermittel investieren. Dabei wird insbesondere der ländliche Raum in seiner Entwicklung eingeschränkt. Denn je mehr Geld wir für Pflichtaufgaben ausgeben müssen, desto weniger bleibt für freiwillige Aufgaben.

In manchen Dörfern ist die Feuerwehr der einzige funktionierende Verein. Auch in Hirschstein?

Wir haben vielleicht nicht so viele Vereine wie andere Gemeinden, dafür sind unsere Vereine aber sehr aktiv. Die Feuerwehren sind ein wichtiger, aber nicht der alleinige Anker im Dorf.

Das Gespräch führte Jürgen Müller