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Feuerwehr lahmgelegt

In Großdrebnitz fehlt ein Auto zum Transport von Kameraden an den Einsatzort. 100 Familien betrifft das im Ernstfall.

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© Steffen Unger

Von Gabriele Naß

Großdrebnitz. Bei der Feuerwehr Großdrebnitz fährt seit August die Angst immer mit, nicht mit ausreichend Einsatzkräften am Ort der Katastrophe zu sein. Man kämpft hier wie überall mit der Tageseinsatzbereitschaft der Kameraden, „vor allem zwischen 7 und 16 Uhr“, sagt Gerätewart Thomas Aust. Nicht das einzige Problem. Der Ortswehr, einer von sechs in Bischofswerda, fehlt seit dem Sommer ein Einsatzfahrzeug, eines von zwei. Das von Wehren in Sachsen geforderte Eintreffen am Einsatzort spätestens zwölf Minuten nach Alarmierung in Gruppenstärke ist dadurch ausgeschlossen.

Diesen für Feuerwehrzwecke aufgerüsteten Multicar stellten die Großdrebnitzer außer Dienst. Ein Museum zum Ausstellen gibt es leider nicht. Ein Privater in Sachsen-Anhalt hat ihn nun. Die Kameraden wollen den Erlös als Anzahlung für ein modernes Einsatzfa
Diesen für Feuerwehrzwecke aufgerüsteten Multicar stellten die Großdrebnitzer außer Dienst. Ein Museum zum Ausstellen gibt es leider nicht. Ein Privater in Sachsen-Anhalt hat ihn nun. Die Kameraden wollen den Erlös als Anzahlung für ein modernes Einsatzfa © privat

Feuerwehr in Gruppenstärke sind neun Mann. Mit dem in Großdrebnitz noch vorhandenen Einsatzfahrzeug TSFW können aber nur sechs Kameraden ausrücken. Die Randlage der Großdrebnitzer an der Kreisgrenze verstärkt das Problem. „An der Grenze enden Zuständigkeiten“, sagt der stellvertretende Großdrebnitzer Wehrleiter Jens Michel. Die Wehrleitung hat ausgerechnet, dass durch die verminderte Einsatzkraft im Ernstfall einhundert Familien in Gefahr geraten können.

Die Probleme dürfte es nicht geben. Feuerwehr im aktiven Dienst ist Pflichtaufgabe einer jeden Kommune. In Großdrebnitz kam das Dilemma schleichend. Als 2006 das für eine Sechs-Mann-Besatzung ausgelegte Fahrzeug gekauft wurde, war das völlig in Ordnung, sagen die Kameraden. Aber schon ein halbes Jahr später stellte sich das als Fehler heraus, weil die Gesetze sich änderten und nun die mindestens Neun-Mann-Gruppenstärke gefordert war. Das zweite vorhandene Fahrzeug wurde umso wichtiger. Das war da aber schon in den Jahren. Als 2015 eine neue Hauptuntersuchung anstand und sich mehrere Tausend Euro Reparaturkosten anbahnten, entschlossen sich die Großdrebnitzer in Absprache mit Gemeindewehrleiter und Stadt, das Fahrzeug außer Dienst zu stellen. Thomas Aust sagt, „das hätte den Restwert des Fahrzeuges um ein Vielfaches überschritten“. „Na klar“, sagt Jens Michel, „hätten wir es auch noch zwei Jahre wieder hinziehen können. Aber nach der Norm war das Fahrzeug auch viel zu langsam. Das Risiko ist immer mitgefahren“. Rechtzeitig an eine Ersatzbeschaffung wurde im Rathaus in Bischofswerda sogar gedacht, sagen die Großdrebnitzer. Aber investiert werden konnte nicht. Die Idee, eventuell ein Fahrzeug aus Bischofswerda umzusetzen, wurde nicht zu Ende verfolgt. Thomas Aust: „Bei manchen Feuerwehren muss das Geld untergebracht werden, andere können sich nicht mal ein Hemd kaufen.“

Gemeinsames Einsatzzentrum?

Wie das in Großdrebnitz weitergeht, ist offen – und eine von vielen Fragen, auf die die Stadt Bischofswerda für ihre Feuerwehren Antworten finden muss. Welche Ortswehr braucht welche Technik? Braucht es sechs Ortswehren? Gerade lässt das Rathaus den Brandschutzbedarfsplan überarbeiten. Die Frage nach den zukünftigen Standorten der Ortswehren ist die zentrale. Darauf bauen die Entscheidungen zur Ausstattung auf. OB Holm Große und eine Stadtratsmehrheit sind der Meinung, die Entscheidungen sind elementar, sodass es besser ist, eine Sachverständigen-Firma zu Rate zu ziehen. Der OB verteidigte die Entscheidung vom Herbst jetzt auf Anfrage. Man wolle das Know-how nutzen und die Draufsicht, die Außenstehende haben. „Ich bin mir bewusst, dass es Einzel-Interessen von Ortswehren berührt“, so der OB.

Die Großdrebnitzer stehen Gedanken einer möglichen Zentralisierung von Ortswehren erstaunlich offen gegenüber. Überlegungen für ein gemeinsames Einsatzzentrum der heutigen Ortswehren Großdrebnitz, Weickersdorf und Goldbach am einsatztechnisch besten Standort gab es vor wenigen Jahren auch schon, die Pläne müssen im Rathaus in der Schublade liegen, sagen Aust und Michel. Sie wären dafür, dass man darüber wieder offen spricht, sind aber misstrauisch gegenüber dem, was sich tut. Sie hätten den Eindruck, dass unter OB Erler das nicht gute Prinzip Gießkanne galt und seit dem Amtsantritt von OB Große „das Thema Feuerwehr stagniert, sich hinter der Erstellung des Brandschutzbedarfsplanes versteckt wird.“

Laut OB Große stehen die ersten Entscheidungen bevor. Auf Anfrage kündigte er an, dass am 3. März auf der Jahreshauptversammlung der Gemeindewehr die ersten Arbeitsergebnisse des Sachverständigen vorgestellt und danach diskutiert werden sollen. Ende April soll der Brandschutzbedarfsplan stehen. Parallel gehe es zurzeit unter anderem um die schnelle Finanzierung einer neuen Drehleiter für die Ortswehr Bischofswerda –  einer Leiter mit steilem Anstellwinkel, wie sie kürzlich beim Brand eines Innenstadthauses inmitten dichter Bebauung gebraucht worden wäre. Rund 650 000 Euro kostet so ein Fahrzeug.

Den Bedarf genau prüfen

OB Große erklärt auf Anfrage, Prinzip Gießkanne nicht zu verfolgen. Er und seine Rathaus-Spitze wollen klar trennen zwischen der Feuerwehr im Einsatz und der sozialen Kompetenz von Feuerwehr als Verein und Treffpunkt in den Orten. Beides sei zu fördern. „Die Einsatzkräfte kommen aus der Gemeinschaft heraus zum Dienst“, sagt Große. Sicherheit und Einsatzbereitschaft aber seien Pflichtaufgabe. Der OB fordert „strategisch zu denken“. Ziel sei „Qualität bei Standorten, bei Technik, bei Personal. Wir müssen genau überlegen, was wir brauchen und was wir nicht brauchen.“ – Die Großdrebnitzer hätten am liebsten ein Einsatzfahrzeug HLF für rund 340 000 Euro wie die Putzkauer. „Aber wir träumen nicht“, sagen sie. Ein neuer Mannschaftstransportwagen für Leute und Material, der auch der wieder wachsenden Jugendfeuerwehr zur Verfügung steht, „muss aber sein“. So ein Fahrzeug kostet neu um die 50 000 Euro.

Ausgemustert haben die Großdrebnitzer übrigens einen Multicar mit Gelenkmast. „Der ist weltweit einzigartig“, sagt Thomas Aust. Vor zwanzig Jahren schaffte die damals noch selbstständige Gemeinde das Fahrzeug an, bald brauchte es die Feuerwehr dringender. Die Kameraden verpassten dem Auto das Feuerwehr-Rot und rüsteten es für Rettungszwecke aus. Eine alte Liebe –  der Verkauf sei schwergefallen.