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Feuchttücher legen Kanalnetz lahm

Kunststoff-Fasern, die in der Toilette hinuntergespült werden, setzen sich immer öfter in Pumpen fest. In Freital wird das teuer.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Tobias Winzer

Freital. Es ist ein Extrembeispiel, von dem Mario Straube erzählt. Das Problem ist nur, dass solche Extrembeispiele mittlerweile so oft vorgekommen, dass sie zur Normalität zu werden drohen. Mit seinem Team steht der Abwassermeister an der Ecke Jägerstraße/Oststraße. Unterirdisch sorgen hier zwei Pumpen dafür, dass das Abwasser entgegen der Schwerkraft rund 25 Meter nach oben transportiert wird. Allein in der vergangenen Woche mussten die Pumpen dreimal repariert werden, weil sich Vliestücher in der Technik festgesetzt hatten. Kosten: 5 000 Euro.

„Das Problem ist in den vergangenen zehn Jahren immer größer geworden“, sagt Straube. „Das ist ein schleichender Prozess.“ Und Freital sei weiß Gott nicht die einzige Stadt mit dem Problem. „Viele wissen einfach nicht, welchen Schaden sie mit den Feuchttüchern anrichten.“

Während sich Toilettenpapier relativ schnell im Wasser zersetzt, sind die Feuchttücher mit den langen Kunststoff-Fasern, die vor allem bei Kleinkindern oder in der Seniorenpflege eingesetzt werden, deutlich beständiger. Verfangen sie sich einmal in den Pumpen, bilden sich lange, verfilzte und zähe Stränge, die die Pumpen blockieren und zum Stillstand bringen. Selbst mit Schneidrädern ausgestattete Pumpen können die Tücher nicht zerkleinern. Immer dann bekommt die Mannschaft von Mario Straube eine Warnmeldung per SMS. Denn der Ausfall einer Pumpe kann schlimme Folgen für die Umwelt haben.

10 000 Euro für eine neue Pumpe



Pumpwerke gibt es in Freital überall dort, wo das Abwasser eine größere Steigung überwinden muss, denn nicht immer können die Kanäle so gebaut werden, dass das Wasser der Schwerkraft folgen kann.

17 dieser Pumpwerke haben die Technischen Werke Freital (TWF) in Betrieb, jeweils ausgestattet mit zwei Pumpen – damit weiter gepumpt wird, wenn ein Gerät ausfällt. An der Jägerstraße/Oststraße fiel nun ausgerechnet eine Pumpe aus, als die andere zur Reparatur in der Werkstatt war.

Die Mitarbeiter der Technischen Werke mussten also das sich sammelnde Abwasser in ein Fahrzeug absaugen und dort zwischenlagern. „Zum Glück konnte die eine Pumpe schnell repariert und wieder eingesetzt werden“, sagt Straube. Im schlimmsten Fall kann ein Ausfall beider Pumpen zum Überlaufen des Kanals führen. Das Abwasser quillt dann ungeklärt aus dem Gullydeckel und läuft über die Straße.

Neben dem Pumpwerk unter der Jägerstraße/Oststraße zählen die TWF das Werk an der Cunnersdorfer Straße in Burgk und An der Winzerei in Pesterwitz zu den größten Problemstellen. Auch an der Straße Zum Grund in Weißig gibt es öfter Schwierigkeiten. An der Cunnersdorfer Straße musste in diesem und im vergangenen Jahr jeweils eine Pumpe komplett ausgetauscht werden, weil sich Feuchttücher darin verfangen hatten. Kosten: 10 000 Euro. Die Reparaturkosten belaufen sich jährlich auf 15 000 bis 20 000 Euro.

Wegen der vielen Hausanschlüsse, die zu einem Pumpwerk gehören, ist es nahezu unmöglich, den Verursacher des Schadens ausfindig zu machen. Das heißt: Die Reparaturkosten müssen letztlich alle Freitaler mit den Abwassergebühren zahlen. „Die aktuellen Schäden wären ja noch zu verschmerzen. Das Problem ist aber, dass es immer mehr wird“, so Straube.

Die aktuellen Fälle nimmt die Stadt Freital nun zum Anlass für einen Appell. „Abfall und andere Feststoffe gehören nicht in die Toilette“, heißt es aus dem Rathaus. „Alle Bürger sollten darüber nachdenken, was in den Abfluss kommt und was in den Mülleimer gehört. Die Feuchttücher müssen über den Restmüll entsorgt werden. Jeder kann dazu beitragen, das Abwasser so wenig wie möglich zu belasten, die Umwelt zu schützen und letztlich die Kosten stabil zu halten.“

Neben den Feuchttüchern weist die Stadt noch auf ein weiteres Problem hin. Fette und Speisereste, die unachtsam in der Toilette hinuntergespült werden, können im verhärteten Zustand die Kanäle zusetzen und die Leitungen verstopfen. Außerdem locken sie ungebetene Gäste in Freitals Untergrund: Ratten.