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Festtag für die Kurden

Der Nordirak bereitet ein Referendum über die Unabhängigkeit vor. Doch es gibt viele Gegner.

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© dpa

Von Martin Gehlen, SZ-Korrespondent in Tunis

Die Hauptstadt Erbil ist dieser Tage gespickt mit kurdischen Flaggen, rot-weiß-grün und die Sonne in der Mitte. Der Nordirak rüstet sich zur großen Kraftprobe. Ferhad sitzt mit Freunden in einem Café im großen Basar unterhalb der Zitadelle. „Wir als Nation haben den Wunsch nach Freiheit“, sagt der 42-Jährige, der an der Universität als Dozent arbeitet. Darum werde er am kommenden Montag mit Ja stimmen, wenn die knapp fünf Millionen Kurden des Nordirak in einem Referendum über ihre Unabhängigkeit von Bagdad entscheiden. „Endlich haben wir die Möglichkeit, eine bessere Zukunft zu schaffen – für uns und unsere Kinder“, sagt er.

Auch wenn das Votum nicht bindend ist, hat es trotzdem große Symbolkraft. Und so steigen kurz vor dem Termin die Spannungen. Kein Tag vergeht, ohne dass die Kurden nicht von nah oder fern gedrängt werden, das Referendum abzublasen oder zumindest zu vertagen. Das irakische Parlament verurteilte die Abstimmung als verfassungswidrig und setzte den Gouverneur von Kirkuk ab, weil dieser in der zwischen Erbil und Bagdad umstrittenen Ölstadt das kurdische Votum gestattete. Das Verfassungsgericht des Irak ordnete an, das Referendum müsse gestoppt werden, ohne dies durchsetzen zu können.

Auch innerhalb der kurdischen Autonomiegebiete sind die Meinungen geteilt. Vorangetrieben hat das Projekt Masoud Barzani, seit 2005 Präsident des Nordirak und Chef der Demokratischen Partei Kurdistans (DPK). Und während in der Barzani-Hochburg Erbil Autofahrer bereits Kurdistan statt Irak auf ihre Nummernschilder kleben, reagieren viele in der Oppositionshochburg Sulaimaniyya eher skeptisch.

Die Führung in Bagdad fürchtet, dass eine Abspaltung der Kurden den Zerfall des Irak besiegeln könnte. „Wir werden nicht erlauben, dass der Irak gespalten wird“, polterte Ministerpräsident Haidar Al-Abadi. Vizepräsident Nuri Al-Maliki kündigte an, man werde im Nordirak kein „zweites Israel“ dulden. Der Chef der mächtigen schiitischen Badr-Milizen, Hadi Al-Amiri, warnte gar vor einem Bürgerkrieg zwischen irakischen Arabern und Kurden.

Die Nachbarn Türkei und Iran dagegen treibt um, dass das nordirakische Vorbild bei ihren eigenen kurdischen Minderheiten Schule machen könnte. Ankara, das normalerweise ein gutes Verhältnis zu Barzani hat, ließ an der Grenze Truppen aufmarschieren. Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach von einem „falschen Schritt“, der einen Preis haben werde. Denn sämtliche Ölverkäufe, die Erbil bisher auf eigene Rechnung macht, laufen durch türkische Pipelines zu den Verladehäfen am Mittelmeer. Auch Iran droht mit Konsequenzen. Man werde alle Grenzübergänge schließen und sämtliche Zusammenarbeit einstellen, hieß es in Teheran.

Barsch fiel auch die Reaktion der USA aus, die zu den wichtigsten Verbündeten gehören. Für das Weiße Haus lenkt der geplante Urnengang von den Anstrengungen ab, den „Islamischen Staat“ zu besiegen und die befreiten Gebiete zu stabilisieren. Man fordere die Regionalregierung auf, das Referendum abzusagen, hieß es in Washington. Zudem sei es „provokant und destabilisierend“, diese Abstimmung auch in umstrittenen Gebieten anzusetzen. In das gleiche Horn stießen Uno-Generalsekretär Antonio Guterres und mehrere europäische Staaten. „Das Referendum ist ein Fehler“, urteilte der britische Verteidigungsminister Michael Fallon, der nach Erbil reiste, um Barzani die Abstimmung auszureden – ohne Erfolg.

Denn ein Rückzieher wäre für den 71-jährigen Kurdenpräsidenten politischer Selbstmord. Er möchte das Referendum nutzen, um Bagdad zu weiteren Konzessionen zu zwingen. Gleichzeitig will er als politisches Vermächtnis den Grundstein für einen eigenen Staat hinterlassen – wenn auch nur symbolisch. „Das Referendum führt nicht zwingend dazu, dass wir sofort unseren Staat ausrufen“, versuchte Barzani seine Kritiker zu besänftigen. „Aber dann wissen wir, was der Wille der Menschen in Kurdistan für ihre Zukunft ist.“