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Ferraris eisige Welt

Vier Dresdner folgen den Routen eines Patagonien-Pioniers. Ihre Trilogie ist ein großes Wagnis in der stürmischen Wildnis.

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Von Jochen Mayer

Drei Gipfel gehen vier Dresdnern nicht mehr aus dem Kopf. Es sind drei Berge im ewigen Eis Patagoniens. Diese Woche starten sie zum Cerro Riso Patron, der erst ein einziges Mal bestiegen wurde. Zwei benachbarte Höhen betrat noch nie jemand. Zu schwierig ist allein der Weg zu ihnen.

Warum Patagonien? „Uns zieht es immer wieder hin“, sagt Robert Koschitzki. „In den Anden kann man noch Überraschendes entdecken.“ Zum dritten Mal reisen sie in die stürmische Wildnis. Sie kennen die Lage in Südamerikas rauem Süden, wissen um Logistik und Wetter am Ende der Welt. „Westlich von Fitz Roy und Cerro Torre erstreckt sich das endlos scheinende südliche Patagonische Inlandeis“, weiß Robert Koschitzki. „Dort wollen wir hin.“

2009 warfen die Dresdner schon mal einen Blick auf ihr jetziges Ziel – von Gipfeln aus. Markus Kautz war dabei, Ideengeber des Langzeit-Projektes. Nach dem Cerro Norte und dem Monte Buckland folgt nun der letzte Streich ihrer Ferrari-Trilogie.

Der klangvolle Name begleitet die Sachsen seit Jahren. Sie folgen den Wegen des Italieners. Es sind extrem anspruchsvolle Routen vom „Pionier Patagoniens“, wie Franz Goerlich ihren historischen Vorsteiger anerkennend nennt. Kontakt zu ihm hatten sie nie, er starb 2001 an einem Krebsleiden. Aber sein einstiger Bergkamerad Giuliano Maresi verfolgt nun genau, was die Sachsen treiben.

„Ferrari war 1966 erstmals in Patagonien unterwegs“, erzählt Robert Koschitzki. Die 1970er- und 80er-Jahre gehören zu Ferraris aktivsten in den Anden. Der Kletterer vom Comer See – einer vom Jahrgang 1940 – besaß später eine Finca und lebte dauerhaft in Patagonien. Es klingt fast wie eine Laudatio: „Ferrari war seiner Zeit voraus, wagte sich an Berge, vor denen man heute noch Respekt hat. Bei vielen Gipfeln, die er bestiegen hat, fragt man sich, wie er es nur schaffen konnte.“ Seine wahrscheinliche Erstbesteigung des Cerro Torre 1974 gilt als alpines Meisterstück. Die Route auf der Westseite ist seitdem die Ferrari-Route.

Der Italiener war auch Erstbesteiger am Riso Patron, nun das Ziel der Dresdner. Fast 3.000 Meter Gipfelhöhe klingen nicht spektakulär. Aber der Weg dahin ist es. Eine Bootspassage wurde verworfen. Ein ähnliches Wagnis waren die Sachsen in Feuerland schon eingegangen, am Monte Buckland. Also ziehen sie – buchstäblich – über das Eis, auf Skiern und mit Pulka, dem Ziehschlitten. Über 70 Kilometer führt der Anmarsch, durchzogen von Gletscherspalten. Satellitenbilder sollen Orientierung geben. Aber selbst die helfen wenig, wenn der Schneesturm tobt.

Der Winter hat auch Vorteile

Die Sachsen hörten von Teams, die tagelang im Whiteout herumirrten, orientierungslos in weißer Hölle. Da blieb nur Hoffnung auf die richtige Richtung, keine Spaltenstürze. Skier bieten dabei etwas Schutz. Deshalb ist die Tour für den Winter auf der Südhalbkugel angesetzt. Dann sind Spalten weniger breit. Der Nachteil: kurze Tage, Kälte, unangenehme Stürme. Aber das Wetter soll insgesamt stabiler sein.

Schon jetzt wissen die vier: „Es wird spannend“, sagt Franz Goerlich. „2009 brachen Italiener ihren Versuch ab. Sie wollten den Riso Patron besteigen, erreichten den Berg aber wegen der schwierigen Verhältnisse nicht. Aber sie durchquerten das Inlandeis.“ Die Sachsen brauchen auch Glück, wissen, dass nach anstrengendem Gletscherweg die Besteigung wartet. „Dann muss noch ausreichend Kraft für den Rückweg da sein“, klingt Robert Koschitzki beschwörend. „Auch im Sturm.“

Am Berg wartet ein Mix aus Eis- und Felskletterei. „Es wird bestimmt ein Erlebnis, was einem keiner mehr nehmen kann“, klingt Vorfreude bei Franz Goerlich an. Aber warum solche Strapazen? „Wir suchen das Erlebnis in der Abgeschiedenheit“, sagt Robert Koschitzki. „Es ist ein besonderes Gefühl, zu wissen, man ist dort oben der Erste, vielleicht der Zweite auf dem Berg. Und abends sitzen wir im Zelt, reden über das Projekt, genießen das Kribbeln und wissen doch nicht, wie es ausgeht. Das schweißt ein Team zusammen.“ Patagonische Abenteuer, intensives Leben.

Dabei wissen sie auch: Es darf nichts passieren, keine schwere Krankheit, kein schlimmer Unfall. Helikopter-Rettung wäre schwierig im unwegsamen Grenzgebiet von Chile und Argentinien. „In sieben Tagen ist man normalerweise wieder in der Zivilisation“, sagt Franz Goerlich. Und Robert Koschitzki setzt auf die Stärke der Gemeinschaft: „Es ist ein ganzheitliches Projekt, mit starken sozialen Seiten. Gerade in Extremsituationen entstehen haltbare Freundschaften, wächst Vertrauen.“

Vielleicht können sie sogar ihr Spezialwissen einbringen: Robert Koschitzki (34) ist Wissenschaftler am TU-Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung, betreut ein Gletschersee-Projekt in Chile. Franz Goerlich (25) schreibt seine Masterarbeit am Institut für Kartografie der TU Dresden. Thema: Gletscherforschung im Tienschan. Paul Sass (32) ist Geophysiker, Uwe Seifert (44) programmiert Medizintechnik. Die 28 Tage in Patagonien sind ihr Jahresurlaub. Es dürfte ein besonders intensiver werden.

Für eine Spende von mindestens sieben Euro wird eine Grußpostkarte verschickt. Angabe der kompletten Adresse im Betreff-Feld. Konto: Franz Goerlich, Konto-Nr.: 103 344 956 0, BLZ: 120 300 00. Bankname: DKB

www.risopatron2014.com