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Fehlt die Tüte doch?

Die Gratis-Plastetüte ist aus den Geschäften in Görlitz fast verschwunden. Die meisten Kunden unterstützen den Wandel. Manche irritiert es noch.

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© nikolaischmidt.de

Von Ines Eifler

Görlitz. Mit bloßen Händen einkaufen gehen, mit vollen Beuteln zurückkommen, ohne auch nur einen Cent für die Tüten bezahlt zu haben: Das war einmal. Sehr viele Görlitzer Händler sind der Aufforderung des Deutschen Handelsverbandes gefolgt und geben keine Plaste-Tragetaschen mehr gratis ab, damit weniger Plastemüll entsteht. Manchen Kunden geht die Umsetzung dieses Gedankens aber zu weit: „Dass Plastetüten der Kampf angesagt wird, unterstütze ich“, schreibt die SZ-Leserin Dorit Klos. „Dass man aber die gekaufte Ware, ob BH, Slip oder Hose, solo in die Hand gedrückt bekommt, finde ich niveaulos.“

Oliwia Klakowska, die Leiterin der Görlitzer C&A-Filiale, wo die Leserin einkaufte, überrascht deren Kritik. „Wer keine unserer Tüten aus recyceltem Kunststoff für 20 Cent kaufen möchte, kann eine aus Bio-Baumwolle für zwei Euro nehmen.“ Eine Ähnliche hatte Dorit Klos aber schon. „Die mitgebrachte Leinentasche ist oft schon von anderen Einkäufen voll. Jedes Mal eine neue zu kaufen, ist keine Lösung.“ Zu DDR-Zeiten sei die Ware wenigstens in Packpapier eingewickelt worden. Das sei ebenfalls keine Lösung, sagt Oliwia Klakowska, weil dann mehr Papiermüll anfalle. „Wir wollen gemeinsam mit unseren Kunden nachhaltigere Verhaltensweisen etablieren und der Umwelt zuliebe dazu anregen, eigene Behältnisse zu nutzen.“ C&A verlangt seit April Geld für jede Plastetüte. Anfangs erlebten die Verkäuferinnen immer wieder Kunden, die sich darüber empörten. „Inzwischen haben sich aber die meisten daran gewöhnt“, sagt Oliwia Klakowska.

Das ist auch die Erfahrung vieler anderer Händler. Die meisten erleben, dass ihre Kunden gern auf die Plastetüte verzichten und zunehmend akzeptieren, dass sie sich selbst um die Verpackung kümmern müssen. Regine Büttner, Inhaberin des Delikatessenladens „Görlitzer Fass“ auf dem Marienplatz, hatte sich schon Mitte 2015 dafür entschieden, keine kostenlosen Plastetüten mehr mitzugeben. Da war das EU-Ziel bereits in der Welt, den Pro-Kopf-Verbrauch jedes EU-Bürgers an Plastetüten bis zum Jahr 2025 auf 40 zu reduzieren. Damals verbrauchte jeder Deutsche 71 Tüten im Jahr. Daraufhin hatten sich rund 330 Händler in Deutschland freiwillig verpflichtet, spätestens ab 1. Juli 2016 auf die kostenlose Mitgabe von Plastetüten zu verzichten. Bis Juli 2018 sollen mindestens 80 Prozent der Kunststofftüten im Einzelhandel kostenpflichtig sein.

„Seitdem das Thema so viele ernst nehmen, holen immer mehr unserer Kunden wie selbstverständlich ihren eigenen Beutel aus der Tasche“, sagt Regine Büttner vom Görlitzer Fass. Den Anteil dieser Kunden schätzt sie auf mittlerweile 90 Prozent. „Es ist wirklich grandios, wie viel weniger Tüten wir inzwischen verkaufen.“ 20 bis 25 Cent kosten diese je nach Größe. „Vom Plaste will ich auch noch wegkommen“, sagt Regine Büttner. Für Präsente seien öfter Tüten nötig, sie sei jedoch auf der Suche nach Alternativen aus Stoff oder Papier.

Zu den Handelsketten, die den Verzicht auf Gratis-Plastetüten unterzeichnet haben und in Görlitz vertreten sind, zählen neben C&A auch Adler, Aldi, DM, Edeka, Expert, H&M, Hornbach, Kaufland, Lidl, MäcGeiz, Netto, Penny, Rewe, Tchibo und Thalia. Überall dort gibt es keine Plastetüten mehr gratis. Andere Unternehmen, große wie kleine, haben mitgezogen.

Kathrin Horschig zum Beispiel, Leiterin des Schuhhauses Leiser am Postplatz, hat bis Mitte dieses Jahres Schuhe noch gratis in Plaste verpackt, inzwischen nimmt sie Geld dafür. Auch sie sagt: „Die Haltung zur Plastetüte hat sich gravierend verändert!“ Etwa die Hälfte ihrer Kunden habe beim Schuhkauf eine eigene Tasche oder einen Beutel dabei. Ein Viertel kaufe die Plastetüte für 20 Cent, das letzte Viertel lehne diese bewusst ab und nehme den Schuhkarton unter den Arm.

Bei DM, einem der Vorreiter im Verzicht auf Plastetüten, hieß es vor einem halben Jahr noch, die Kunden griffen trotz Alternativen am ehesten zur Kunststofftüte und zahlten dafür. Inzwischen schätzt Krzysztof Liebig, Filialleiter auf der Berliner Straße, dass nur noch rund 15 Prozent zur Plastetüte greifen. Höchstens einer von 100 Kunden sei irritiert, dass es keine kostenlosen Tüten mehr gibt. „Es hat ein wenig Überzeugungsarbeit gebraucht“, sagt Liebig. Vielen Kunden habe er erklärt, dass jede DM-Filiale bis zur Umstellung 2014 etwa 10000 kleine Tütchen pro Woche ausgab, die danach oft im Müll landeten. Das habe viele überzeugt, ohne Tüte auszukommen

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Im Lebensmittelhandel ist der Verzicht auf Plaste noch nicht so angekommen wie in Geschäften, wo kleinere Mengen gekauft werden. Auch in den Supermärkten kosten die Tüten Geld, aber wenn der Kunde wie bei Edeka in der Dresdener Straße zwischen einer Plastetüte ab 10 Cent, einer Papiertüte für 19 Cent und einer Pappkiste für einen Euro wählen kann, nimmt er am liebsten die Plastetüte. „Die empfinden viele als am stabilsten“, sagt Andrea Lintow, stellvertretende Marktleiterin. „Unsere Kunden sind oft zu Fuß unterwegs, und wenn es regnet, kann Papier durchweichen.“ Eigene Behältnisse bringe nur die ältere Bevölkerung zum Einkaufen mit.

Dass es auch im Lebensmittelhandel Wege zu weniger Plastemüll gibt, zeigt Rewe. „Wir bieten seit Juni überhaupt keine Plastetüten mehr an“, sagt Detlef Schumacher, Inhaber des Rewe-Markts in Rauschwalde. Wie die Kunden auf die Papiertüten ab 10 Cent reagieren? „Mir sind keine Klagen bekannt“, sagt Schumacher, „Und die Umweltbewussten finden es richtig gut.“