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Federspiel oder Balg

Falknerei ist eine sehr alte und internationale Tradition und gerade als Weltkulturerbe geadelt. Ein Rothenburger zeigt, wie er auf Jagd geht.

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© André Schulze

Von Sabine Ohlenbusch

Anna kreischt und schlägt mit den Flügeln. Einige Zeit hat der schottische Wanderfalke über der schottischen Pointerdame Aili ihre Kreise gezogen. Aber weil diese keinen Fasan findet, lässt sie sich auf einen Baum nieder. Jetzt hat Falkner Rudolf Garack seine liebe Mühe, Anna wieder aus ihrem Hort zurückzulocken. Er schwingt eine Lederattrappe mit aufgesetzten Federn durch die Luft. Mit diesem Federspiel hat er Anna auf das Jagen abgerichtet. Und weil früher immer ein Stückchen Fleisch an dem falschen Vögelchen hing, stürzt sich Anna darauf.

Die Beizjagd, wie das Jagen mit einem Greifvogel in der Fachsprache heißt, ist Anfang Dezember als immaterielles Weltkulturerbe in die Repräsentative Liste eingetragen worden. Diesen Titel hat die uralte Tradition auch deshalb verdient, weil sie überall auf der Erde gepflegt wird. An dem Vorschlag an die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco), die Falknerei zum Erbe zu machen, haben außer Deutschland noch 17 andere Nationen mitgearbeitet. Von der Mongolei über die Arabischen Emirate bis nach Portugal lassen Falkner Vögel fliegen.

Heute ist die praktische Falknerei selten geworden, erzählt Rudolf Garack. Er sei mit einem Kollegen der Einzige im Raum Niesky, der mit Hund und Vogel durch die Wiesen streift, um zu jagen. In Deutschland braucht er dafür außer einer Jägerprüfung noch die Falknerprüfung. Der Deutsche Falkenorden (DFO) ist der älteste Verband weltweit – und ist in Sachsen entstanden. Und schon bei der Gründung 1923 in Leipzig wollten die Jäger, Vogelkundler und Kulturwissenschaftler die Tradition der Beizjagd bewahren. Denn mit Erfindung der Feuerwaffen ist die Beizjagd nicht mehr effizient genug gewesen. Aus heutiger Sicht ist aber der Tierschutz ein weiterer wichtiger Aspekt an der Falknerei. Gerade Wanderfalken sind früher aus der freien Wildbahn abgerichtet worden. Mittlerweile züchten Falkner die Tiere selbst und wildern sie teilweise wieder aus.

Bis heute pflegt der DFO die Tradition. Aber nicht jeder Falkner jagt auch. „Wir haben rund 45 Mitglieder in Sachsen“, teilt Frank Börner mit, „von ihnen jagen vielleicht noch zwölf.“ Bis Ende November ist er der Vorsitzende des Landesverbands im Freistaat gewesen. Viele Falkner, die nicht jagen gehen, präsentieren ihre Greifvögel in Vogelshows auf Ritterburgen oder in Wildparks.

Falkner müssen nicht unbedingt einen Falken besitzen. „Mein Freund Mario
Kunschmann aus Deschka jagt mit einem Steinadler“, sagt Rudolf Garack. Aber auch Habichte oder Bussarde werden abgerichtet. In Österreich und anderen Ländern können sogar Uhus zu diesem Zweck gehalten werden; hierzulande ist es aber verboten. Entscheidend ist, dass die Vögel immer nur auf ihre natürliche Beute abgerichtet werden können. Für Falken sind das kleinere Wildvögel wie Fasane und Enten – deshalb schwingt Rudolf Garack für Anna das Federspiel durch die Luft. Für Kaninchenjäger gibt es stattdessen ein gefülltes Kissen, das über den Boden gezogen wird: den Balg.

Außer diesen Hilfsmitteln nutzen Falkner Lenkdrachen, um ihre Vögel fit für die Jagd zu machen. Der Vogel steigt mit dem Drachen in die Luft auf und folgt ihm. Mit 200 bis 300 Kilometern pro Stunde stürzt sich der Greifvogel danach auf seine Beute. Damit Anna im Training bleibt, geht Rudolf Garack täglich eine Stunde mit ihr in sein Jagdrevier. „Das ist mein Fitnesstraining“, sagt er. Denn wenn sie etwas erbeutet, muss er schnell sein, sonst frisst sie es.

Aber die praktische Falknerei bringt auch neben der Jagd einen Nutzen. Anna ist auch in der Flugsicherung tätig und vertreibt Vögel vom Flugplatz in Rothenburg. Auch zur Krähenjagd werden Falken eingesetzt, erklärt Rudolf Garack. Anna hat sich wieder auf seinem Handschuh niedergelassen. Direkt daneben liegen Knochen und Fell eines Rehs, die vermutlich mehrere Wölfe abgefressen haben. „Auch Wölfe können Greifvögel erlegen.“ sagt Rudolf Garack.