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FDP will Abriss von Doppelgeländer

Die umstrittene Konstruktion auf der Albertbrücke wäre nicht nötig gewesen, erklärt Fraktionschef Zastrow. Er bekommt Unterstützung.

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© SZ/Peter Hilbert

Von Peter Hilbert

Die sanierte Albertbrücke war zwar nach mehreren geplatzten Terminen Anfang September übergeben worden. Bereits im ersten Monat wurden knapp 187 000 Radfahrer auf der Brücke gezählt. Doch an der elbabwärts liegenden Seite ist das Geländer selbst jetzt noch immer nicht fertig. Denn es muss teilweise noch gestrichen werden. Da flammt die Diskussion über Sinn oder Unsinn von Dresdens berühmtestem Doppelgeländer erneut auf. Holger Zastrow als einer der schärfsten Kritiker dieser Lösung fordert, das höhere Geländer wieder abzureißen. Der Fraktionschef von FDP und Freien Bürgern glaubt, gute Gründe dafür zu haben.

Wie für Dresden typisch wurde mit dem Doppelgeländer eine besondere Lösung gefunden. Das entsprechend dem historischen Vorbild nachgebaute Geländer mit 500 gusseisernen Säulen war mit einem Meter neben dem Geh- und Radweg nicht hoch genug. Es erfülle nicht die Sicherheitsstandards, erklärte die Stadt. Deshalb hatte sie eine schlichte, 30 Zentimeter höhere Stahlkonstruktion als zweites Geländer anbauen lassen.

Zastrow hatte zum Doppelgeländer im Stadtrat nachgefragt und eine Antwort von Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) bekommen. „Mit der gefundenen Lösung wurde ein optischer, historischer und sicherheitstechnischer Kompromiss (…) gefunden“, erklärt der Stadtchef und verweist unter anderem auf umfangreiche Varianten-Untersuchungen. „Die Ergänzung des historischen Bestandes mit einem neuen Bauteil stellt eine vielfach anzutreffende Gestaltungsvariante dar“, verteidigt Hilbert das Doppelgeländer. Zudem führt er die Vorschrift ZTV-ING an. In der ist festgelegt, dass Geländer neben Rad- beziehungsweise Rad- und Gehwegen mindestens 1,30 Meter hoch sein müssen.

Auf der Albertbrücke sei dies aber nicht der Fall, kontert Zastrow. Demzufolge hätte das ein Meter hohe nachgebaute historische Geländer ausgereicht. Als Beleg dafür nennt er die Beschilderung. Denn angebracht sind die blauen Verkehrszeichen für einen getrennten Rad- und Gehweg. „Radfahrer müssen laut Verkehrsordnung den Radweg benutzen“, erläutert der Fraktionschef. Der Weg verläuft aber direkt neben der Fahrbahn, nicht am Geländer. Damit Geh- und Radwege ausreichend breit gebaut werden können, war die Brücke bei der Sanierung um 3,60 Meter verbreitert worden. Radfahrer sind zur Benutzung ihres Weges verpflichtet, so Zastrow. Würden sie auf dem Fußweg neben dem Geländer fahren, verstoße das gegen die Straßenverkehrsordnung. Für ihn ist die Lage klar. „Diese Verschandelung der historischen Albertbrücke und des denkmalgeschützten Brückengeländers war verkehrstechnisch nicht notwendig“, kritisiert Zastrow. „Die Vorschriften sind eindeutig. Das historische Geländer hätte so, wie es ist, vollkommen ausgereicht.“

Das zweite Geländer sollte jetzt abgebaut, verschrottet oder anderweitig verwendet werden. „Jedenfalls wurde im Straßen- und Tiefbauamt erneut Steuergeld in Größenordnungen verschwendet, welches man für die dringende Sanierung von Fußwegen oder den Bau von Radwegen sinnvoller hätte einsetzen können“, schlussfolgert Zastrow. Für ihn ist der Fall, den er gar als „Geländer-Lüge“ bezeichnet, klar.

Für das Straßen- und Tiefbauamt ist der Fall ebenfalls klar – allerdings in anderem Sinne. Die Behörde verweist auf die gleiche Vorschrift wie der FDP-Chef, laut der Geländer für Geh- und Radwege mindestens 1,3 Meter hoch sein müssen. „Ein Ermessensspielraum existiert nicht. Man hätte das Geländer auch höher machen können, mindestens aber 1,30 Meter“, so das Amt.

Was stimmt nun? Die SZ fragte den Dresdner Experten Michael Erler. Der Bauingenieur hat den Neubau und die Sanierung von über 100 Brücken und Stützmauern geplant, darunter der Marien- und der Molenbrücke. Für den 63-Jährigen ist der Fall ebenfalls klar: „Herr Zastrow hat recht.“ Es gebe auf der Brücke eine saubere Trennung zwischen Rad- und Gehweg, die auch durch das Verkehrszeichen ausgewiesen ist. „Wenn Radfahrer auch den Gehweg nutzen könnten, müssten die höheren Geländer ran“, erklärt der Fachmann. Nur für diesen Fall eines gemeinsamen Geh- und Radweges seien in der Vorschrift ZTV ING die 1,30 Meter vorgesehen.

Erler war mit der SZ auf der Brücke und ermittelte mit einem Senklot die Absturzhöhe. Die ist deutlich über zwölf Meter. Also müsste das Geländer nur 1,10 Meter hoch sein, zehn Zentimeter mehr als Zastrow glaubt. „Das zweite Geländer wäre nicht nötig gewesen“, resümiert Erler. Es hätte beispielsweise ausgereicht, die Pfosten unter den historischen Geländersäulen ein Stück höher zu setzen.